Der Besuch

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Der Besuch

„Ich habe von dem Experiment gehört, aber ich hätte niemals gedacht, dass sie es durchführen würden, nachdem sie mich in den Glaskasten gesteckt hatten."
„Ich weiß. Und ich hätte niemals geglaubt, dass ich eine Rolle darin spielen werde." Zona umgriff den Hörer des Telefons etwas stärker und lächelte.
„Und warum erzählst du mir das?"
„Ich bin mir nicht sicher. Ich denke ich bin dir das in irgendeiner Art und Weise schuldig.", erklärte sie und kaute auf ihrer Nagelhaut.
„Es tut mir leid, dass ich so gewesen bin. Ich hätte dir sagen sollen, von wem ich den Strom bezogen habe. Vielleicht hättest du mich davon abgehalten mit ihm zu telefonieren. Dann wäre vielleicht alles anders gekommen, wie es nun ist. Vielleicht wäre ich dann noch am Leben."
„Du hörst dich an wie sie." Richard Davidson saß hinter der dicken Glasscheibe und hielt das andere Telefon an sein Ohr. Er schien für Zona keiner dieser unfreundlichen Menschen zu sein. Seitdem sie hier in Fox River Sample angekommen war und sich in die Nische zum Reden gesetzt hatte, wurde sie von ihm mit Respekt behandelt.
„Ich war für einen kurzen Moment sie und ich kann sagen, dass ich sie nicht als Monster ansehe. Genauso wie ich dich und Evan nicht als Monster ansehe. Ich verstehe warum ihr das alles getan habt. Einem Drang muss man eben nachgeben. Und da ich glaube, dass Shiva nie die Chance hatte, mit dir darüber zu reden, wollte ich dir meine Worte anbieten, die dir vielleicht etwas bedeuten."
„Danke, das tun sie. Ich bin froh, dass du gekommen bist." Richard war schon etwas älter. Seine schwarzen Haaren wurden schon leicht grau, doch seine braunen Augen waren so wach wie noch nie. Seine großen Hände zierten Tattoos, die langsam verblichen.
„Ich habe da aber auch noch eine Frage, die du mir nun vielleicht beantworten könntest." Zona sah ihn unsicher durch das dicke Glas an.
„Dann stell' sie doch einfach."
„Der Infinity-Akku, was wurde aus dem? Und hatte das auch was mit den Glasspots zu tun?"
Richard überlegte kurz, ehe er hörbar ausatmete. Zuerst dachte Zona, dass sie keine Antwort bekommen würde, doch da lag sie falsch.
„Der ist wieder da, wo er hingehört. Im Besitz von Cameron Dallas. Wir waren Verbrecher, wir sahen die Chance und haben sie ergriffen. Dass es etwas mit den Glasspots zu tun hatten, wussten wir aber selbst nicht. Wie sich später herausgestellt hatte, wurde der Akku für seine Erfindung hergestellt, doch da haben wir ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht." Richard lachte auf.
„Wie geht es Evan?", fragte Zona nun, da ihre Frage schließlich beantwortet war und sie keinen Grund darin sah, sich weiter über dieses Thema zu unterhalten.
„Dem geht es gut. Ich sehe ihn nur, wenn wir Hofgang haben, da wir nicht im gleichen Zellenblock sind, aber das hindert uns nicht daran, miteinander zu reden."
Zona spürte, wie ein Beamter ihr auf die Schulter klopfte. „Ihre Zeit ist um. Verabschieden Sie sich bitte."
Zona drehte sich zu Richard noch einmal um. „Sie haben ihn ja gehört. Ich muss gehen. Dennoch war es mir eine Ehre, mit Ihnen einmal sprechen zu können."
„Besuch' mich ruhig wieder. Ich habe nicht so oft Besuch. Da ist es schon mal gut, wieder jemand von außerhalb der Gitter zu sehen."
Zona nickte. „Werde ich machen."
„Und bring deine Freunde mit. Ich möchte auch mal mit denjenigen reden, die sich als mich und meinen Kumpel ausgegeben haben."
Wieder nickte Zona zuversichtlich. „Werde ich ganz bestimmt. Auf Wiedersehen." Sie lächelte noch einmal, ehe sie der Wärter wieder nach draußen begleitete.
Außerhalb des Gefängnisses warteten Ray und Alex in ihrem Van. Als sie einstieg sahen sie sie erwartungsvoll an.
„Sowohl Richard als auch Evan wollen gern mal mit euch reden. Ich habe das Gefühl, dass sie nicht wie all die anderen Gefangenen sind. Er hat mich mit Respekt behandelt, als wir redeten.", sagte Zona, als Ray den Motor startete und losfuhr in Richtung des Friedhofes auf dem Shiva Milkovich begraben war. Das war ihre zweite Anlaufstelle dieses Tages, um weitere Fragen die sie hatten zu klären.

„Das nächste mal kommen wir mit. Ich denke, dass wir beide einfach noch nicht bereit waren, jemanden zu sehen dessen Gedanken in seinem eigenen Kopf gewesen waren.", erklärte Alex und lachte zögerlich.
„Ich bin mir sicher, dass es nicht das letzte Mal war, dass wir hier waren.", versicherte ihnen Zona und lehnte sich zurück. Alle Drei waren froh, dass sie endlich wieder in ihr normales Leben zurückkehren konnten, fern ab von Bühnen und Glasspots.
Viele Male hätten sie die Simulation, beinahe erkannt, da sie die Handlung voraus nahmen, wie zum Beispiel als Richard Shiva befreien wollte oder er einen Flash-back hatte, der ihm ihre Vergangenheit zeigte. Genauso wie in den Situationen, in denen sie sich so fühlten, als ob sie sich schon ewig kannten, obwohl sie sich in der Simulation erst kennen lernten. Die Wissenschaftler hatten es ihnen damit erklärt, dass sie schon alles Wissen hatten, was sich jedoch beispielsweise wie bei einem Film, den man gespeichert und schon einmal gesehen hat, erst von Anfang an wieder abspielen musste. Man weiß was passieren wird. Hierbei griffen sie auf Informationen zu, die die richtigen Richard, Shiva und Evan erst nach einiger Zeit danach erlebten.
Die Analyse zeigte zwar, dass sie sich unter den Umständen in denen Shiva, Richard und Evan aufgewachsen sind, auch zu solchen Taten bereit gewesen wären, doch nach einigen kleinen Tests wurde dies durch ihren jetzigen Zustand reichlich widerlegt.
Weder Zona noch Ray oder Alex zeigten Anzeichen, so wie einer der Dreien zu werden.

Doch was nicht war konnte ja noch werden, oder? Immerhin hatten sie die Simulation, die Zona, Ray und Alex nun insgeheim als das Todesspiel bezeichneten, bis zum Ende durchgespielt.
Das bedeutete, dass irgendwo tief in ihnen, noch immer ein Teil der grausamsten Serienkiller ihrer Zeit steckte.
Ein Teil, der nur darauf wartete, auszubrechen.

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