6 - Sexbomb

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An der nächsten Tankstelle, mitten in einem verschlafenen Städtchen an der Grenze nach Berlin, ließ Gabe uns im Wagen zurück und verschwand im Tankhäuschen, eine Neonreklame neben dem Laden das einzige Licht weit und breit. Ich hoffte, er würde an Klamotten für Levi denken, wie unwahrscheinlich es auch war. Solange der mit diesem Loch in der Brust durch die Gegend lief, konnten wir ihn nicht unter Leute lassen und das hieß wiederum, einer von uns musste den Zombiesitter spielen. Also blieb ich im Wagen sitzen und hörte dem gelegentlichen Ticken des Motors und Levis Schnarchen zu. Wir waren die einzigen in Tanksäulennähe - kein Wunder. Es war Samstagmorgen, drei Uhr fünfzehn, und meine Augen brannten vor Müdigkeit. Normale Menschen lagen um diese Uhrzeit im Bett. Ich sollte auch im Bett liegen und vielleicht tat ich das sogar. Vielleicht träumte ich diesen ganzen Schwachsinn nur. Das wäre auf jeden Fall logischer als die Erklärung, dass da ein echter Zombie auf der Rückbank saß und dass ich von einem Ghul gebissen worden war.

Die Wunde pochte leicht. Ich lehnte den Kopf an die kühle Scheibe. Der Himmel war diesig grau. Gabe war noch nicht wieder da. Ich nutzte die Zeit und zog mein Handy aus der Hosentasche. Eine Nachricht von Annika, wie es aussah hatte sie gestern Abend etwas vergessen. Ich klickte die Nachricht weg und suchte im Internet nach Ankh und Ghulbiss. Als es an meiner Scheibe klopfte, sah ich auf.

Gabes Gesicht war direkt vor meinem.

Ich schrie auf.

Gabe lachte schallend. Ich presste mir eine Hand gegen die Brust. Mein Herz raste.

„Fuck, Alter, willst du mich loswerden?"

Gabe verschränkte die Arme, im schlechten Licht wirkte das Tattoo an seinem Hals wie ein schwarzer Fleck.

„Du fährst."

„Was..."

Bevor ich antworten konnte, zog er mich aus dem Auto und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Ich machte einen Schritt auf ihn zu und er hielt mir eine Tequilaflasche entgegen.

„Du willst doch keinen Betrunkenen fahren lassen, oder Tristalinchen?"

„Du bist nicht betrunken." Düster beobachtete ich, wie er die Flasche aufdrehte und einen Schluck nahm. „Wirklich?"

„Ja, wirklich." Er warf etwas nach Levi. Keuchend fuhr der Zombie hoch, halb erwartete ich, er würde aufspringen, als er hektisch hin und her sah. „Da hast du deine Klamotten. Die Jacke will ich übrigens zurück."

„D-Danke."

Levi hob das T-Shirt an, das Gabe ihm mitgebracht hatte. Auf dem Stoff thronte die Aufschrift Sexbomb. Der Junge wurde knallrot und Gabe lachte. Ich warf die Beifahrertür zu und hoffte, ich würde ihn treffen, was nicht funktionierte. Als ich auf den Fahrersitz kletterte, hatte Levi es geschafft, das Sexbomb-Shirt anzuziehen.

„Wo fahren wir hin?", fragte ich. Der Zombie zupfte an dem Shirt.

„Zu einem der Spiegel."

„Welcher ist am nächsten?"

„Weiß nicht. Äh... Wo genau sind wir denn?"

„In der Pampa", sagte Gabe hilfreich.

„Bei Berlin." Ich warf einen Blick über die Schulter, bevor ich den Sitz nach vorne stellte. „Weißt du wirklich nicht, wo wir sind?"

„Ich wurde in einem Sarg hergeliefert."

„Und wer auch immer dich da rein verfrachtet hat, ich verstehe ihn." Gabe deutete mit der Tequilaflasche auf den Tankstellenladen. „Fahr los, Tris. Sonst fragt der schmierige Kassierer da, ob wir Hilfe brauchen, und dann muss ich ihm wohl oder übel eine verpassen."

Schlimmer Geht Immer - Tristan-Winter-Reihe IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt