Ich wurde nach vorn gerissen, meine Beine schwangen in die Luft, aber die Tentakel hielten. Der Geist war nicht mehr vor mir, sondern an der Wand, wo seine Flamme glühte. Keuchend sackte ich in mich zusammen, meine Schulter zog. Die Wände des Raums schienen sich in Richtung des Feuers zu biegen. Der Schweiß auf meinem Gesicht und meinem Rücken trocknete, mir wurde eiskalt.
„Tris?"
Das war Gabes Stimme. Ich blinzelte, mein bester Freund stand dicht vor mir. Ich lächelte schwach.
„Hallo."
„Fuck." Gabe hielt das Messer hoch. „Nimm seine Beine, Zombieboy. Ich schneide ihn los."
Jemand packte meine Beine. Ich ließ zu, dass er mich hochhob, Gabe streckte sich zu meinen Händen und werkelte an den Tentakeln rum. Ich ließ die lodernde Flamme nicht aus den Augen. Sie wurde immer heller.
„Levi?" Meine Stimme klang dünn. „Dein Großvater ist ein Geist."
„Tenos hat ihn geschafft." Levi schwankte etwas unter meinem Gewicht. „Was haben sie dir gegeben? Ich glaube, sie bevorzugen Opium."
Gabe grinste sein Serienmördergrinsen.
„Denn Opium bringt Opi um."
„Nein." Ich stockte. „Also doch. Ja. Aber er..."
Die Flamme loderte auf.
„O-oh." Levi ließ meine Beine fallen, die Tentakel zogen sich fest. Ich stöhnte. „Ich glaube, er hat Wahnvorstellungen."
„Scheiße, was soll das werden?" Gabe versuchte, mich festzuhalten. Als er den rechten Arm bewegte, fuhr er zusammen. „Hilf mir gefälligst!"
„Warte, ich will was probieren." Levi streckte die Hand nach der Flamme aus, das Feuer leckte über seine Haut. Es schien ihn nicht zu stören. „Ist er hier?"
Ich nickte. Die Stimme des Geistes war so leise wie Blätterwispern im Wind, ich konnte die Worte nicht verstehen. Gabe schnitt durch die Tentakel, ich spürte die Messerklinge an meiner Hand und zuckte zusammen. Die Tentakel drückten auf meine Knochen.
„G-Gabe..."
„Gleich durch."
Ich konnte sein Gesicht nicht sehen und fast hätte ich angefangen zu schreien. Das war zu viel, einfach zu viel.
Die Tentakel gaben nach.
Ich fiel, Gabe packte mich, bevor ich einfach auf den Boden fallen konnte. Meine Beine trugen mich nicht.
„Tris?" Er klang angespannt. „Ist alles okay?"
„N-Nein." Ich setzte mich auf den Boden, er ließ mich los. Ich stützte den Kopf auf die Beine. „Oh Gott."
Ich konnte den Blick nicht von der Flamme abwenden, die um Levi herum loderte. Ich bemerkte eine Taschenlampe am Boden neben einem Rucksack, aber ihr Licht war winzig in der Dunkelheit. So dunkel...
„Tristan, du musst dich konzentrieren." Levi machte einen Schritt auf mich zu. „War Tenos hier?"
„Ja." Ich griff nach meiner Schulter, meine Hand zitterte. „Levi, die - die Flamme wird..."„Ganz ruhig." Levi grinste und wedelte mit der Hand durch das Feuer. Die Flammen wurden größer. „Schau mal, es tut mir gar nichts."
„Tris." Gabe griff nach meinem Arm, ich zuckte zusammen. „Verdammt, was ist mit ihm?"
„Tenos hält ihn mit irgendwelchen Illusionen in Schach." Levi zögerte. „Ich versuche, es zu stoppen, aber...-"
„Dann mach was, anstatt nur in der Gegend rumzustehen!" Gabe machte eine Bewegung, das Messer in seiner Hand blitzte. Sein Körper verschwamm etwas. „Was hat Tenos mit dir gemacht?"
„Er hat mich eingesperrt." Ich kniff die Augen zusammen. Mein Herz tat weh. „I-Ich muss mich hinlegen..."
„Du klappst jetzt nicht ab, Tristan." Er starrte auf mich runter, als ich mich hinlegte. „Alter, steh auf."
Ich presste mir die Hände auf die Augen, die Bewegung tat weh. Levi ging auf die andere Seite der Wand und rieb über den Stein, das Geräusch war seltsam laut. Fluchend sprang Gabe auf, ich hörte wie er zur Wand rannte und dagegen schlug, vielleicht war es auch die Tür. Mir wurde übel. Gabes Geschrei war wie ein Schlag ins Gesicht.
„Gabe." Ich musste ihn aufhalten, bevor er Tenos auf uns aufmerksam machte. Mein Körper war zu weit weg. „Bitte..."
„Hier ist etwas." Das war Levi. Mir schwirrte der Kopf. „Schau mal, sieht das aus wie Erde oder gehört das zum Putz?"
„Scheiße, woher soll ich das wissen?"
Gabe schlug wieder gegen die Wand. Ich sah, wie Levi neben ihn trat. Schweiß rann mir in die Augen, ich zitterte vor Kälte.
„Ich brauche Erde, um eine Verbindung herzustellen." Levi packte Gabes Arm. Die Flamme neben der Wand wurde größer und größer. „Sonst kann ich die Illusion nicht beenden."
„Scheiße, ist ja gut! Es sieht aus wie Erde, zufrieden?"
Ich hielt mich am Boden fest, er drehte sich unter mir. Die Flamme hatte Gabe fast erreicht.
„G-Gabe, pass... auf..."
„Das ist nicht echt, Tris." Er kam auf mich zu, ich hörte seine schweren Schritte. Ich versuchte mich aufzusetzen, mir wurde schwarz vor Augen. „Gleich ist es vorbei."
Die Flamme war viel zu nahe, sie zerfraß mein Blickfeld. Ich tastete in der Luft, versuchte, meine Augen zu erreichen, aber ich fand den Weg nicht. Levi gab ein ersticktes Geräusch von sich.
„Was ist jetzt schon wieder?"
Gabe Stimme hallte wie ein Echo in meinen Ohren. Ich hörte Levi gehen, etwas raschelte. Ich wollte mir die Ohren zuhalten, die Augen verdecken. Die Flamme war so hell.„Die Erde." Levis Stimme klang seltsam. Ich drückte mich hoch, aber meine Arme trugen mich nicht. „Sie ist... Das ist Ritualerde."
„Und was heißt das?"
„Sie spricht."
„Fuck. Das ist Erde. Dreck!" Gabe schlug irgendwo gegen, ich krümmte mich. „So was kann nicht sprechen, verdammt. Und jetzt tu endlich was, bevor Tris...-"
„Gleich." Levis Stimme wurde immer leiser, übertönt von dem Rauschen in meinen Ohren. „Ich kann sie fragen, was wir tun müssen, um das Ghulgift aufzuhal..."
Das Rauschen wurde zu laut, Levis Stimme ein leises Knistern im Hintergrund, weit weg, viel zu weit weg. Das letzte was ich sah war, wie das Feuer verschwand.
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Schlimmer Geht Immer - Tristan-Winter-Reihe I
Paranormal"Wirst du mich auslachen?" "Ich werde es versuchen." Zombies in der Gerichtsmedizin, Ghule in freier Wildbahn, Dämonen auf der Jagd nach Tattoos. Tristan fühlt sich, als wäre er in einen schlechten Horrorfilm geraten. Plötzlich muss er sich gemeinsa...