47 - Geheimnisse

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„Ist das dein Ernst, Tristan?" Gabe sah vom Küchentisch auf mich herab. „Habe ich dir gestern so sehr Angst gemacht oder mutierst du zum Mönch?"

Ich rutschte noch weiter in meine Ecke und hob den Computer vor mein Gesicht. Ich hatte noch keinen einzigen Satz gelesen.

„Du brauchst keine Angst haben." Levi grinste schief. „Es sollte nicht mehr so schlimm sein, zumindest die nächsten paar Stunden."

„Hoffentlich."
Ich traute mich trotzdem nicht, in Gabes Richtung zu sehen. Auf dem Bildschirm meines Laptops erschienen blutrote Buchstaben auf einem schwarzen Hintergrund. Gabe knallte das Buch auf den Tisch.

„Was ist überhaupt los, verdammt?" Er stand auf, von hier unten wirkte er noch größer als sowieso schon. „Zuerst sperrst du mich ein. Dann kommst du zurück und fängst fast an zu flennen und heute Morgen..."

Ich zuckte zusammen.

„Es tut mir leid."

„Ist mir klar, dass es dir leid tut." Er kam auf mich zu, ich versuchte zurückzuweichen, aber die Wand in meinem Rücken hinderte mich daran. „Ich will nicht wissen, dass es dir leid tut, sondern was los ist."

„Tony hat das Ankh gestohlen." Levi hob seine Hand zum Beweis. Das Ankh hob sich dunkel von seiner leichenbleichen Haut ab. „Und sie hat Tristan niedergeschlagen."

„Sie hat was?"

„Es war meine Schuld." Ich klickte auf einen Beitrag namens Nachtwesen und starrte auf die Warteanzeige, die klappernde Vampirzähne zeigte. „Sie hätte... Vielleicht hätte sie es nicht getan, wenn ich ihr zugehört hätte und...-"

„Sie ist eine miese Hexe, das war's." Gabe stand direkt vor mir. Ich starrte auf seine Füße, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. „Und sie kann verdammt froh sein, dass ich noch nicht mit ihrem Bruder geredet habe." Er nahm mir den Laptop ab. „Steh schon auf."

Ich kam auf die Füße. Bitte nicht dieser Geruch, dachte ich, aber er war nicht so stark wie vor einigen Stunden. Gabe nahm mich an der Schulter, schob mich zum Tisch und drückte mich auf einen der Stühle. Levi hob ein Buch aus der Sammlung, die ich nie lesen würde und die sich in meinem Regal stapelte.

„Hier steht, wenn sich Ghule im Spiegel sehen, müssen sie den Ort verlassen." Er runzelte die Stirn. „Und wenn sie sich vegetarisch ernähren, sterben sie."

„Also werde ich die nächsten Tage Gemüse essend vor dem Spiegel verbringen." Ich rieb mir die Stirn. „Und das soll funktionieren?"

Levi ließ das Buch sinken.

„Wohl eher nicht."

„Und warum erzählst du es dann?" Gabe stellte den Laptop nicht gerade sanft auf dem Tisch ab. „Komm in die Gänge, Schwuchtel."

Gabe." Mein Kopf tat weh. „Lass ihn in Ruhe."

Gabe grinste kalt. Ich zog den Laptop zu mir ran, von der Internetseite kam mir ein weit geöffnetes Maul entgegen. Der Text darunter lieferte die perfekte Gelegenheit, Gabe nicht anzusehen, auch wenn meine Augen brannten.

„Du mochtest sie, oder?"

Ich antwortete nicht darauf. Bei der Verwandlung zum Ghul wird einem Menschen die Seele genommen, während sein Körper langsam stirbt...

„Und ob du sie mochtest."

Ich hörte, wie Gabes Stuhl auf die Hinterbeine kippte.

„Hör auf zu kippeln."

Schlimmer Geht Immer - Tristan-Winter-Reihe IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt