52 - ...und ihre Folgen

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Der Zombiejunge ging vor, eine weitere Treppe nach oben, deren Treppengeländer weggebrochen war. Ich hielt mich so dicht wie möglich an der Wand, der Beton verströmte Kälte. Ich schauderte. Jetzt wo ich nicht mehr die Taschenlampe in der Hand hatte, kam mir die Dunkelheit drängend vor, die Schatten schienen mir zu folgen. Ich erinnerte mich, dass all die Finsternis Tenos' Befehlen gehorchte, dass jeder noch so winzige Schatten zu einem Tentakel werden konnte, um uns zu erwürgen. Auf dem Treppenabsatz hinter uns war ein Scharren zu hören. Mir stellten sich die Nackenhaare auf. Ich drehte mich nicht um.

„Leute?" Meine Stimme klang leise und laut zu gleich. „Was haltet ihr davon, wenn wir uns ein bisschen beeilen?"

„Es ist noch Tag." Levi leuchtete von der Treppe aus zum oberen Treppenabsatz. Ich konnte eine Tür erkennen, aber die Schatten darum blieben undurchdringlich. „Sie können noch nicht hier draußen sein."

„Und wenn sie es doch können?"

Darauf antwortete er nicht, aber er beschleunigte seine Schritte. Ich schloss zu Gabe auf, der die Brechstange schlagbereit in der Hand hielt. Levi öffnete bereits die Tür am oberen Treppenabsatz.

„Levi." Ich sah über die Schulter. Zwecklos. In der Finsternis war nichts zu erkennen, nur das Geräusch unseres Atems. Ich wollte nicht daran denken, dass da vielleicht noch jemand anderes atmete. „Warte."

Die Taschenlampe streifte unsere Gesichter, einen Moment sah ich nur noch weiß. Ich blinzelte, bis ich die Tür sehen konnte. Gabe fluchte leise.

„Den mach ich fertig." Er strahlte eine solche Wut aus, dass ich von ihm zurückwich. Die Treppenstufen waren am Rand deutlich ausgetretener. „Sobald wir hier raus sind, mache ich ihn fertig."

Ich nahm ihn am Arm und zog ihn weiter. Seine Armmuskeln spannten sich an, aber ich hielt nicht an. Da war etwas hinter uns und wahrscheinlich wollte es uns töten.

„Lass meinen Arm los."

Ich ließ Gabe los, bevor ich darüber nachdachte. Er schob mich vor und ich sprang die letzten Treppenstufen hinauf, Levi wartete an der Tür. Das Holz war verrottet, ich spürte Späne unter meinen Füßen. Levi drückte die Tür auf, die Scharniere quietschten. Ich bekam eine Gänsehaut.

Gabe war nicht hinter mir.

„Gabe?"

Ich drehte mich um. Er stieß sich von der Wand ab. Vielleicht lag es am Licht der Taschenlampe oder an der Dunkelheit um ihn herum, sein Gesicht wirkte fahl. Er schlug die Brechstange gegen die Wand.

„Soll ich jemanden verprügeln oder was ist?"

„Noch nicht."

Ich wartete, bis er neben mir stand, bevor ich weiterging. Hinter der Tür war ein Flur, vollgestellt mit uralten Möbeln, die Teppiche am Boden und die Bilder an den Wänden waren grau unter der dicken Staubschicht. Die Gläser in den Schranktüren waren zerbrochen, Vasenscherben lagen verstreut auf dem Boden. Die Tapete war in Fetzen von den Wänden gerissen. Ich bekam eine Gänsehaut. Gabe schob sich an mir vorbei, ein Stück Holz brach unter seinem Fuß.

„Wo lang jetzt, Zombieboy?"

Levi setzte zu einer Antwort an, drehte sich dann aber nur um und ging los. Ich konnte nicht aufhören, in die Ecken zu sehen, an die Decke, in die Schatten hinter den Schränken und geöffneten Türen. Wir kamen durch ein Zimmer mit einem großen Tisch, auf dem vergilbte Papiere lagen, einige waren zu Boden gefallen.

Eine Uhr schlug.

Wir erstarrten alle drei, einen Moment war nur unser Atem und das kränkliche Schlagen der Uhr zu hören. Sechs Mal.

Schlimmer Geht Immer - Tristan-Winter-Reihe IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt