7 - Beben

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Fünf Minuten später war Gabe, der trotz Tequila weiterfahren wollte, überstimmt. Er regte sich noch ein bisschen auf, machte die Augen zu und schlief ein. Einfach so, die Tequilaflasche im Arm wie ein Kuscheltier. Levi musterte meinen besten Freund, als würde er jeden Moment aufspringen und ihn angreifen.

„Er macht mir immer noch Angst."

„Sollte er auch."
Einem Moment schwiegen wir, der Wagen ruckelte und dröhnte über die kurvige Straße. So weite Strecken war er nicht mehr gewohnt, vor allem nicht, wenn man nicht wusste wohin...
Levi fiel von der Rückbank.

Sein Fuß traf mich am Kopf, ich trat mit voller Wucht auf die Bremse. Gabe wurde in den Sicherheitsgurt geworfen und stieß sich den Kopf an der Flasche. Fluchend wischte er sich den Tequila aus dem Gesicht. Der Motor erstarb, als hätte er genauso Angst vor Gabe wie Levi, beinahe konnte ich spüren, wie mein bester Freund nach einem Angriffsziel suchte.

„Wer", knurrte er, „war das?"

„Entspann dich, Alter." Ich versuchte, das Zittern in meinen Händen unter Kontrolle zu bekommen. Okay, zwei Mal an einem Tag ist zu viel. „Ist nichts passiert."

„Nix passiert?" Gabe sprang aus dem Wagen und trat gegen den Reifen. Er stank nach Alkohol. „Scheiße, du hast meinen Wagen geschrottet!"

„Ich habe gar nichts gemacht, okay? Hier." Ich startete den Wagen, der stotternd zum Leben erwachte. „Siehst du, er fährt noch!"
Gabe trat noch mal gegen die Karre und marschierte in den Wald. Einen Moment lang wusste ich nicht, was ich tun sollte. Gabe rastete öfter mal aus, vor allem wenn er angetrunken war, aber normalerweise waren wir dann nicht mitten im Wald. Levi wimmerte auf dem Rücksitz. Durch die offene Tür hörte ich ein Knacken, gefolgt von Gebrüll.

„Fuck."
Ich sprang aus dem Wagen und rannte Gabe hinterher. Das Stottern des Wagens verlor sich zwischen den Bäumen, ich stolperte durch das dichte Unterholz. Wieder ein Krachen.

„Gabe!" Ich entdeckte ihn, als er einen Ast gegen einen Baum donnerte. Das Holz splitterte, brüllend griff er nach dem nächsten Ast. „Scheiße, hör auf!"

„Was?" Gabe fuhr mit erhobenem Stock zu mir herum. „Verpiss dich, du...-"

Gabriel Henning!" Er warf den Ast nach mir, ich schaffte es knapp, mich darunter weg zu ducken. „Sag mal tickst du noch ganz richtig?"
Er machte Anstalten, auf mich loszugehen. Stattdessen fuhr er herum und schlug gegen den Baum, die Zweige bebten. Ich zwang mich, ruhig zu atmen. Die Freundschaft mit Gabe war ein Glücksspiel und an manchen Tagen standen die Chancen für ein blaues Auge besser als an anderen.

„Alter, ganz ruhig." Ich entdeckte die leere Tequilaflasche am Boden, zersplittert. „Komm mit zum Auto. Du bist betrunken."

„Ich bin nicht betrunken. Du bist betrunken!"

Er trat gegen den Baum. Ich sah zurück in Richtung Wagen, dann zu Gabe. Betrunkenenlogik hatte ich nichts entgegenzusetzen. Gabe warf den nächsten Ast gegen den Baum.

„Leg das weg, Mann." Langsam ging ich auf ihn zu. „Was ist los mit dir?"

„Ich geh' diesen scheiß Zombie köpfen." Er versuchte, an mir vorbeizukommen, stolperte und schnitt sich an der Flasche. Blut rann an seinem Arm hinab. „Lass mich durch, du Lappen."

„Nein."

Er fluchte, wie nur Gabriel Henning fluchen konnte.

„Der bringt uns um. Wegen dem gehen wir beide drauf und dieser ganze Bullshit...-"

„Wir gehen nicht drauf, Gabe." Ich griff nach seiner Hand und entwand ihm die Flasche. Er bewegte sich nicht, seine Muskeln waren angespannt. „Mir gefällt der Typ ja auch nicht, aber wenn dieser Biss mich wirklich töten sollte, ist er der einzige, der weiß wie wir da rauskommen. Wir warten, bis er uns diesen Spiegel gegeben hat und dann laden wir ihn irgendwo ab, okay?" Gabe starrte geradeaus. Ich schnipste vor seinem Gesicht, aber er reagierte nicht. „Hey, bist du noch da?" Ich stupste ihn an - er fiel in sich zusammen. Blieb einfach am Boden liegen, mit starr geöffneten Augen. „Alter, alles okay?"

Ganz kurz dachte ich, er hätte sich ins Koma gesoffen. Ich sagte mir, das kann nicht sein, er ist Gabe, der verträgt so ein bisschen Tequila.

Dann begann er zu zucken.

Zuerst war es nur ein leichtes Beben, vielleicht hätte ich es nicht bemerkt, wenn es nicht so ruhig um uns gewesen wäre. Ein Krampf durchlief seinen Körper, er warf den Kopf nach hinten, ruckartig.

„Shit."

Ich packte seine Schultern, versuchte, ihn unten zu halten, aber Gabe war nicht nur stärker, sondern auch schwerer als ich. Im nächsten Moment fand ich mich neben ihm am Boden wieder, Schmerz zuckte durch meine Schulter. Wieder griff ich nach Gabes Schultern. Ich musste seinen Kopf ruhig halten, musste ihn davon abhalten, sich selbst das Genick zu brechen. Kalter Schweiß brach mir aus. Aus dem Augenwinkel sah ich eine Bewegung, als ich den Kopf umwandte entdeckte ich Levi, der uns mit schreckgeweiteten Augen anstarrte.

„Was passiert mit ihm?", schrie ich ihn an und mir war egal ob er die Antwort kannte. Levi schüttelte den Kopf und wich einen Schritt zurück. „Nein, warte! Du musst mir helfen!"

Gabe verpasste mir eine und ich landete im Moos, schnell rappelte ich mich auf.

„Komm sofort hierher!"

„Das kannst du aber so was von...-"

Ich packte einen Ast und warf ihn nach dem Zombiejungen.

„Du wirst mir helfen, kapiert?"

Ich wartete nicht, um zu sehen, wie er ging. Ich packte Gabes Arme und hielt ihn fest, meine verletzte Schulter protestierte. Er hatte die Augen nach oben verdreht, würgte. Ich schaffte es, ihn in die stabile Seitenlage zu bekommen, beinahe wäre er auf mich gefallen. Er zuckte immer noch.

„Nein, nein, nein, nein." Ich drückte seinen Kopf nach unten, stemmte mich auf seine Schulter, aber er war zu stark. „Mist, was ist hier los?"

„Nachtmahr."

Levis Augen waren geweitet. Er war nicht gegangen.

„Was?" Ich versuchte, gleichzeitig Gabes Beine und seine Schultern festzuhalten. Ich kassierte einen Tritt in den Magen und keuchte. „Was zur Hölle ist das?"

Anstelle einer Antwort rannte Levi in den Wald. Gabe bewegte sich nicht mehr.

„Levi!" Ich sprang auf. Er versteckte sich hinter einem Baum. „Schwing deinen Arsch...-"

Gabe röchelte, ich fuhr zu ihm herum. Er rollte sich auf den Bauch und stemmte sich hoch, seine Arme zitterten. Er atmete schwer. Vorsichtig ging ich näher.

„Gabe?"

Er begann zu husten. Ich ging auf ihn zu. Es wurde mit jedem Schritt kälter.

Er spuckte auf den Boden.

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Damdamdaaaam. Was passiert mit Gabe? *-*

Schlimmer Geht Immer - Tristan-Winter-Reihe IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt