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Wie schon ungefähr einen Monat zuvor, saßen wir mal wieder zu viert in unserem Wohnzimmer beisammen. Aus mehr oder weniger dem gleichen Grund. Taehyung, genauso wie die anderen, richteten ihre Blicke erwartungsvoll auf das vor uns liegende Brett.
"Was sollen wir überhaupt fragen?" Hoseok schien ganz aufgeregt über die momentane Situation, er verhielt sich komplett anders als sonst. "Vielleicht danach, was er den ganzen Tag so macht?"
Stirnrunzelnd schautes ich zu Jungkook.
"Wieso das denn?"
"Einfach so."
Er zuckte mit den Schultern. "Vielleicht freut er sich darüber, wenn wir uns für ihn interessieren?" Kann schon sein. So viel wusste ich gar nicht über ihn, obwohl ich so gut wie jeden Tag mit ihm redete. Taehyung fragte ihn schließlich, und danach kehrte eine lange Stille ein.

Plötzlich vernahm ich eine leise Melodie, die mir beim genaueren Zuhören sogar mehr, als nur bekannt war. Diese sanften, ruhigen Klänge gehörten zu einem Klavier. Es stand nur ein einziges Klavier in diesem Haus, nämlich in dem Zimmer von Yoongi. Früher spielte Yoongi fast jeden Tag, jede Nacht auf dem Klavier, ich liebte es, ihm zuzuhören. Er drückte durch seine Musik viel aus und spielte mit so viel Gefühl und Leidenschaft, wie es kein anderer konnte und können wird. Eben dieses Lied, dessen Töne gerade auf unerklärliche Weise angefangen haben zu spielen, gehörten zu einem mir nur allzu bekannten Lied. Ein langsames Lied mit hohen Tönen. Ich erinnerte mich daran, als wäre es gestern gewesen.

Yoongi saß hochkonzentriert und mit geschlossenen Augen vor dem Klavier, ich konnte nicht einschlafen, also schlich ich mich wie schon so oft zuvor zu Yoongi, auch wenn er immer ungestört sein wollte, so wusste ich doch, dass er mich nie bemerkte. Er nahm nie etwas um sich herum wahr, er blendete seine komplette Umgebung auf und versank ganz in seiner Musik. Dieses Mal schien er meine Anwesenheit doch zu bemerken, denn er spielte sofort ein anderes Stück, mein Lieblingslied. Lächelnd schaute ich dabei zu, wie Yoongi seine Finger elegant über die Tasten fliegen ließ und ich genoss diesen Moment, diese Töne. Nur leider endete es viel zu schnell. Yoongi erhob sich und ließ sich neben mich auf das Bett fallen. Er zog mich direkt in seine Arme, ich erwiderte diese Geste, indem ich mich an ihn kuschelte, so nah es nur ging.
"Das war schön, Yoongi. Warum kannst du das so wunderschön? Wieso kannst du immer alles perfekt?", nuschelte ich kaum verständlich gegen seine Brust.
"Für dich versuche ich immer perfekt zu sein."
Das Wort Perfektion fand mit Yoongi eine neue Definition für mich. Einfach alles an ihm war in meinen Augen perfekt.

Mir lief eine stumme Träne die Wange herunter bei der Erinnerung an diesen Tag, einen Tag, an dem mein Leben noch perfekt war. Automatisch rannte ich die Treppen nach oben, dabei ignorierte ich die Anderen, die mich verständnislos ansahen. Kurz vor der Zimmertür blieb ich jedoch stehen. Außer uns beiden kannte niemand dieses Lied, da es von Yoongi selbst geschrieben wurde. Was erwartet mich dann in diesem Zimmer? Oder besser gesagt, wer?

heimgesucht; yoonmin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt