Wiedersehensfreu(n)de

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„Mom, ich bin eben drüben bei Mary!", rief ich meiner Mutter zu und zog meinen Mantel enger. Es war recht kalt draußen und der Wind pfiff eisig durch die Straße. Zum Glück wohnte Mary nur eine Straße weiter. Daher waren wir schon immer gute Freundinnen gewesen und sie wusste als einzige von meinen ehemaligen Grundschul-Kammeradinnen bescheid, was ich war. Bei ihr war ich mir damals sicher gewesen, das sie mich nicht auslachen würde. Sie hätte es niemanden weiter erzählt. Sie wollte ich nicht verlieren. Sie war mir viel zu wichtig. Vorsichtig öffnete ich das Gartentor und ging über den knirschenden Kiesweg zu ihrer Haustür. Ich atmete tief durch. Wir hatten uns nun schon seit einem halben Jahr nicht gesehen und es war so viel passiert in dieser Zeit. Wie würde sie reagieren? Ich hob die Hand und drückte die Klingel. Das Licht im Flur ging an und kurze Zeit später öffnete Marys Mutter die Tür. „Ja, hallo?", sagte sie als sie die Tür öffnete. „Hallo, Mrs. Caine, ist Mary da? " Sie blickte mich verwundert an. Scheinbar schien sie mich nicht zu erkennen.  „Ich bin es, Lily!", sagte ich und plötzlich erschien ein Lächeln auf ihren Lippen. Jedoch war es ihr sichtlich peinlich, dass sie mich nicht direkt wieder erkannt hatte. „Ach komm doch rein, Lily. Sie ist  oben in ihrem Zimmer. Du kennst den Weg ja." Sie deutete auf die Treppe und ließ mich herein. „Danke.", sagte ich höflich und stieg langsam die Treppe hoch.

Vor Marys Tür blieb ich stehen und klopfte an. „Mom, ich hab dir eben schon gesagt, dass ich nichts essen will!", kam es laut von drinnen und ich musste kichern. Ich klopfte noch mal. „Hau ab, Mom! Ich will meine Ruhe haben!" Ich musste mich tierische zurückhalten nicht sofort los zuprusten, als ich ein drittes Mal klopfte. Von drinnen war ein lautes poltern zu hören, dann ein paar stampfende Schritte, bis der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde. „Was willst du?", brüllte mich meine beste Freundin, da sie immer noch davon überzeugt war, dass ihre Mutter vor der Tür wartete. Ich unterdrückte weiterhin mein Lachen und sagte mit ruhiger Stimme: „Nana, Mary Caine, so  geht man doch nicht mit seiner besten Freundin um." Und da merkte sie, wer vor ihr stand. „Liliiiiiiii!", schrie sie mit schriller Stimme und fiel mir um den Hals. „Hey, Ruhe da oben!", schallte die tiefe Stimme von Marys Vater aus dem Untergeschoss. Wir brachen in ein freudiges Lachen ein. „Komm rein!", sagte sie kichernd und zog mich in ihr Zimmer. Es hatte sich in dem letzten halben Jahr viel getan. Es war renoviert wurden und war nun ein richtiges Jugendzimmer. Die ganzen Kuscheltiere waren auf den Schrank verband wurden. Nur noch das Kissen, das ich ihr einmal zum Geburtstag geschenkt hatte, erinnerte an das ehemalige Kinderzimmer.

Ich nahm Platz auf einer bequemen weißen Couch und Mary setzte sich gegenüber von mir auf einen Sitzsack. „Erzähl, was ist in den letzten sechs Monaten alles passiert? Du hast dich total verändert!" Ich lächelte sie lieb an. „Deine Mom hat mich eben gar nicht wieder erkannt. Aber sie hat mich ja schon sehr lang nicht mehr gesehen." Mary nickte. Ihre Mutter war die Ferien über oft arbeiten gewesen und so sehr wenig zu Hause. Wir hatten uns zwar oft treffen können, aber sie hatte mich wohl das letzte Mal im Frühling gesehen. „Aber nun erzähl, was ist alles passiert? Du hast gar keine Briefe geschrieben." Sie zog eine beleidigte Schnute und ich fühlte mich sofort schuldig. „Das tut mir leid, aber das siebte Jahr ist echt schwer. Und wir haben als Schulsprecher so viel zu tun." Sie winkte ab. „Schon okay, Lily. Aber dafür musst du mir jetzt alles erzählen, was passiert ist. Wie sieht's eigentlich mit deinem Partner aus? Also deinem Schulsprecherpartner..." Ich lächelte und spürte leichte Wärme in mein Gesicht stieg. „Ist da irgendwas, das du mir unbedingt erzählen solltest?", fragte sie mit einer hochgezogenen Augenbraue. Ich nickte peinlich berührt. „Sag bloß, du hast dich verliebt?!" Ich nickte nur. „Wow, Süße, das ist doch super. Wie heißt er denn? Und seit wann seid ihr ein Paar? Seid ihr überhaupt eins?"

„Also, wir sind im November zusammen gekommen. Aber er mag mich schon was länger und er ist auch mein Schulsprecherpartner..." „Achso...Das heißt doch auch, dass ihr euch diese separaten Räume teilen müsst. Oder?" Ich spürte erneut Wärme in mein Gesicht steigen. „Da hast du schon Recht, aber wir haben getrennte Schlafzimmer. Ich kann es eigentlich kaum fassen, dass ich mit ihm zusammen bin." „Wer ist es denn jetzt? Hast du ihn schon einmal erwähnt?" Ich nickte. Was würde sie wohl sagen, wenn ich ihr sagte, wer mein Freund war? „Nun rück schon mit der Antwort raus. Ich kenn ihn doch eh nicht!" „Naja...Das stimmt nicht so ganz. Er war schon mal bei mir auf dem Geburtstag. Auch wenn ich ihn nicht eingeladen..." „NEIN?! Was, du bist mit dem Typen jetzt zusammen? Ich dachte du kannst ihn nicht leiden?!"

Another James-and-Lily-StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt