Kapitel 10

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"Kann ich  noch duschen gehen? Ich bin den ganzen Vormittag durch den Wald geklettert.", erkläre ich und betrachte meine schmutzigen Nägel. Eine Dusche wäre wirklich von Vorteil.

"Klar. Die Dusche ist den Flur runter, die letzte Tür auf der rechten Seite.", erklärt er und geht zu seinem Schrank. Er zieht ein langärmliges Shirt heraus und wirft es mir zu. "Du willst vermutlich nicht in Jeans schlafen.", meint er und lässt seinen Blick einmal über mein Outfit wandern.

"Danke.", meine Stimme klingt trocken. Ich stehe auf und gehe zur Tür, als er mir noch sagt: "Im Schrank sind frische Handtücher." Ich nicke und gehe hinaus. Im Badezimmer angekommen, schließe ich die Tür hinter mir ab und betrachte das helle mit Marmorfliesen bestückte Bad. Es ist ordentlich und sauber. Wenn ich mal so darüber nach denke, ist hier alles ziemlich ordentlich und sauber, gar nicht so als würde ich eine Truppe Gestaltwandler leben. Ich verwerfe den Gedanken, entledige mich meiner schmutzigen Kleidung und steige unter die Dusche. Das heiße Wasser perlt über meinen Körper und schließe für einen kurzen Moment meine Augen. Ich kann immer noch nicht fassen, was mir in den letzten Tagen passiert ist. Mein Leben war so normal, so von Langeweile geprägt. Das einzig spannende war der Tratsch an meiner Schule und meine einzigen Sorgen, nicht darin aufzutauchen und die nächsten Klausuren zu bestehen.

Und jetzt? Jetzt wollen mich irgendwelche Halbwölfe entführen und was sonst noch mit mir anstellen, damit Damilo sein Rudel aufgibt. Ich kann das irgendwie immer noch nicht richtig glauben, ich fühle mich wie in einem Traum, als wäre nichts hier von real...

Nachdem ich mir das Shampoo aus den Haaren gewaschen habe, steige ich aus der Dusche und ziehe mir Damilos Shirt über. Es reicht nur knapp über meinen Po. Na super, ein kürzeres hatte er wohl nicht gefunden. Mit der Bürste, die vor dem großen Spiegel auf einer Ablage liegt, fahre ich mir durch die verknoteten Haare und versuche sie dann so gut es geht mit einem Handtuch zu trocknen. Nachdem ich auch damit fertig bin, straffe ich meine Schultern und verlasse das Bad. Hoffentlich begegne ich niemanden. Sobald ich die Zimmertür von Damilo erreicht habe, höre ich Stimmen hinter mir. Zwei männliche Stimmen, sie kommen die Treppe hoch.

"Also echt genau gleich?", fragt die eine Stimme. Eine unbekannte Stimme, die ich noch nicht kenne.

"Ja, dass ist ja das Problem.", sagt die andere Stimme, Elias.

"Und wie sollen wir das dann bitte hinkriegen?" Leider verstehe ich nur Bahnhof.

"Wozu hast du denn deine Nase? Nutze sie einfach mal.", erklärt Elias genervt.

"Tja, aber nicht jeder hat hier eine Nase, die das erkennen kann."

"Du meinst Skada? Ich denke" Ich werde wohl nie erfahren, was Elias denkt, denn im selben Moment legt sich eine Hand um meine Hüfte und ich spüre einen warmen Atem an meinem Ohr. "Es gehört sich nicht zu lauschen."

"Du hast mich erschreckt.", erwidere ich bloß und wage es nicht, mich umzudrehen und ihn anzusehen.

"Tja, dann war das wohl die Strafe."

"Ich denke, die Strafe ist, dass hier etwas vorgeht und jeder weiß was, außer ich."

"Wenn du meinst."

"Ja das meine ich und das ist ziemlich schieße." Ich spüre, wie seine Brust bei jedem Atemzug meinen Rücken berührt und wie seine Atemzüge immer tiefer werden.

Erst jetzt bemerke ich Elias und einen Mann an der Treppe stehen. Ihre Augen sind auf uns gerichtet.

"Wie lange steht ihr schon da?", frage ich hoffe, dass das Shirt in den letzten Sekunden länger geworden ist.

"Die Frage sollte wohl eher lauten, wie lange du dort schon stehst.", kontert der Fremde und er formt seine sowieso schon schmalen Lippen zu einer noch schmaleren Linie.

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