Kapitel 15

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Der Ohrring, der in seinem linken Ohr steckt und mir erst jetzt aufgefallen ist, weckt mich auf. Diese Gestalt vor mir, sieht vielleicht aus wie Damilo, doch dass ist er nicht. Das ist er definitiv nicht.

"Wer bist du?" Ich versuche seine Hand von meiner Wange zu entfernen, doch ohne Erfolg.

"Dein Gefährte.", erwidert er, legt seine Hand unter mein Kinn und drückt es hoch, damit ich ihn ansehe. Seine Augen sind matt und leer. Zwar sind sie noch immer blau und nicht schwarz, dennoch ist in ihnen kein Leben.

"Nein. Das bist du nicht."

"Vielleicht hat dein zickiges Vehalten mich geändert.", meint er und grinst. Dann hätte er sich vermutlich schon am Anfang, als wir uns kennenlernten geändert.

"Wer bist du?", wiederhole ich einfach meine Frage.

"Na schön, was hat mich verraten?", lacht er und lässt mein Gesicht nun los.

"Deine widerwärtige Art.", spucke ich ihm die Worte vor die Füße und gehe einen Schritt rückwärts. Der Himmel über uns ist dunkel, doch heute sind wenigstens ein paar Sterne zu sehen.

"Aua.", sagt er und fässt sich teatralisch ans Herz. "Das tat weh. Genauso wie meine Schulter.", lacht er.

Plötzlich entdecke ich eine Bewegung aus dem Augenwinkel, der Wolf, er läuft auf uns zu und dann... an uns vorbei. Erst in mehreren Metern entfernung, kommt er zum stehen und dreht sich zu uns.

Der Damilodoppelgänger, schaut genauso verwirrt wie ich zu dem Wolf. "Und was spielt er für eine Rolle?"

"Das wüsste ich auch gerne.", erwidere ich und im nächsten Moment, springt eine schwarze Gestalt in mein Blickfeld und wirft sich auf den Jungen, der eben noch vor mir stand. Nun liegt er jedoch unter der schwarzen Masse beerdigt.

Etwas verspätet, entweicht ein Schrei meiner Lunge und ich springe einen Schritt zurück. Die schwarze Masse, die sich als riesiger Wolf entpuppt hat, ist gerade dabei, seine spitzen Zähne in den Jungen zu hacken. Anstatt irgendetwas zu tun, kann ich nur wie gelämt daneben stehen und zusehen.

Irgendwann lässt der Wolf von dem blutverschmierten Jungen ab. Er liegt regungslos am Boden, welcher sich genauso rot färbt, wie die Haut des Junges.

Der Wolf, wirft mir kurz einen Blick zu, wobei mir sofort eine Vertrautheit übermittelt wird. Vermutlich durch die blauen Augen, die sich mit meinen verankern. Allerdings nur für einen kurzen Moment, denn dann wendet er sich schon wieder ab und schaut zu dem kleinen Wolf, der etwas entfernt, dass Geschehen beobachtet hat.

Ich raufe mir durch die verschwitzten Haare und vergrabe mein Gesicht in meine Händen.

"Was hat er gemacht?", fragt mich eine mit Wut unterdrückter Stimme, die diesmal tatsächlich meinen Gefährten gehört. Ich hebe mein Gesicht wieder und schaue auf seinen Rücken, er blickt auf den Körper am Boden.

Ich schaffe es nicht ihm zu antworten, die Gefahr, dass meine Stimme versagen würde, ist zu groß. Irgendwann dreht er sich zu mir um schaut in mein Gesicht.

Mir rollen die ersten Tränen die Wange runter und normalerweise würde ich den Blick abwenden, wie ich es immer mache, doch jetzt ist es anders, ich kann mich nicht von seinem Gesicht losreißen. Schmerz und Wut zeichnet sich in seiner Miene ab und ich kann nicht genau sagen, welches der Gefühle zu überwiegen scheint.

Nach einem kurzen Moment kommt er zu mir, legt seine Hand vorsichtig um meinen Rücken und  die andere an meinen Hinterkopf, um diesen schließlich gegen seine Schulter zu legen.

"Es tut mir leid.", murmelt er. "Ich hätte dich nicht alleine lassen dürfen."

Ich schlinge meine Arme um seinen Körper und genieße die Wärme, die von ihm ausgeht. Mir entweicht ein Schluchzen und er zieht mich noch enger an sich.

No controlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt