Kapitel 17

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Im alten modrigen Wohnzimmer befanden wir uns selten, weshalb es mir noch immer nicht vertraut rüber kam. Die Gardinen waren zugezogen und es roch einfach alt. Thomson kam angelaufen und setzte sich wie selbstverständlich zu meiner Oma auf den Boden vor die Kiste. Zögernd nahm ich die andere Seite meiner Oma ein. "Na Thomson möchtest du mir wieder Gesellschaft leisten?" Oma sah ihn liebevoll an als er eifrig nickte.  "Er weiß Bescheid?" Fragte ich verständnislos. "Weißt du Kinder verarbeiten oft schneller Tatsachen als Erwachsene weil  deren Fantasie noch nicht durch das logische Denken verdrängt wurde. Während du in der Nacht des Unfalls sehr verletzt warst und dein Bewusstsein verloren hast, ging es Thomson gut. Er hatte Miles seine Verwandlung gesehen und anstelle, dass Tabea ihm vom Unglauben überzeugte, erzählte sie ihm die Geschichte der Werwölfe. Schließlich wusste sie, was wir eigentlich sind. Und als Thomson gestern gesehen hat,  wie ich mein erstes Seelenstück aus der Kiste nahm, hab ich ihm auch unser Familiengeheimnis gebeichtet." Unglaublich,  also war ich die einzig Unwissende? Ich beugte mich hinter meiner Oma rüber zu Thomson. "Und du hast mir nichts erzählt?" Entschuldigend sah er mit seinen großen blauen Augen zu mir. 'Tschuldigung. Aber Oma hat gesagt ich soll das nicht machen." Schnaufend setzt ich mich wieder normal hin. In diesem Moment öffnete Trina die Kiste und entgegen kam ein heller Schein. Leuchtend blaue Lichtstrahlen blendeten meine Augen. "Was ist denn das?" fragte ich brüllend, da ich diesen schrillen Ton übertönen musste. "Das ist ein Stück meiner Seele, sie war zu mächtig für mich, als sie als ein Ganzes wieder aufzunehmen.

Ein leuchtender, weißblauer Ball flog aus der Kiste und schwebte langsam und leicht auf meine Oma zu. Diese schloss die Augen und bereitete sich auf die Ankunft ihrer Engelsseele vor. Als diese eindrang, strahlte Licht aus jeglicher Öffnung ihres Gesichts. Dann wurde ihr Körper schlaff. Langsam tippte ich sie an. "Oma? Alles in Ordnung?" Sie hob die Hand und nickte nur. "Sie muss den Ball jetzt verdauen Loki. Und mit vollem Mund spricht man nicht." sagte Thomy mit Überzeugung. Also saßen wir das ein paar Minuten und schwiegen.

"Dann lasst das Training beginnen." flüsterte meine Oma und stand auf. Als ich mich ebenfalls erheben wollte, bat sie mich doch sitzen zu bleiben. "Zunächst müssen wir euch und eurem Körper bewusst machen, dass ihr ein Engel seid. Damit die Seite von euch existieren kann." Thomson als auch ich nickten zustimmend. "Gut dann machen wir jetzt ein paar Yogaübungen zur Entspannung und währenddessen werde ich ein paar Worte sagen." Oma nahm aus dem Schrank ein paar Räucherstäbchen und ließ eine alte Schaltplatte laufen. Diese spielte Bad Moon rising von CCR. Etwas irritiert über Trinas Vorbereitungen wurde ich unruhig. "Entspann dich Liebes. Ich wäre dann soweit. Jetzt schließ die Augen und geh in dein Innerstes zurück. Blick ganz tief in deine Seele Loki. Was siehst du?" fragte sie. "Schokolade ganz viel Schokolade." rief Thomson. "Thomy sei bitte ruhig deine Schwester muss sich jetzt konzentrieren." "Ich sehe Mum und Dad. Lachend auf einer Wiese sitzen mit uns. Das war letztes Jahr im Urlaub." erzählte ich. "Sehr gut. Das ist dir eine sehr wichtige Erinnerung, von den Menschen die du am meisten liebst. Von dieser Kernerinnerung ziehst du deine Kraft. Deine Magie, wenn du es sagen magst. Jetzt versuch aufgrund dessen, diesen mächtigen Druck in deinem Körper zu spüren. Aber Achtung er kann sehr überwältigend sein." Daraufhin versuchte ich diese zu spüren. Jedoch empfand ich nichts. "Versuch es weiter Loki." Und das tat ich. Immer wieder rief ich diese Erinnerung auf doch es geschah nichts. So saßen wir im Wohnzimmer für Stunden. Langsam war mein Körper erschöpft und ich konnte mich nicht mehr konzentrieren. Thomson war schon längst wieder gegangen. Und auch Oma saß im Raum nebenan und kochte Abend. "Lass es für heute gut sein Loki. Aller Anfang ist schwer." rief sie zu mir. Enttäuscht von mir stand ich auf und kam in die Küche. "Thomson saß schon am Essenstisch. "Loki es gibt Nudeln mit Hackfleisch." Und während er sich freute, entfalteten sich zwei süße ganz weich aussehende Flügel aus seinem Rücken. Mit offenem Mund starrte ich ihn an. Verärgert ließ Oma den Löffel fallen und ging zu ihm. "Thomson ich hab doch gesagt, dass du aufpassen musst. Wenn du dich freust oder traurig bist musst du dennoch deine Flügel im Zaum halten." Sie wollte sie gerade wieder "wegpacken" als ich auch dazu kam. Ich wollte einen Flügel anfassen, doch das konnte man scheinbar nicht. "Sie sind noch am wachsen bei ihm, deshalb kann man sie noch nicht berühren." Dann verschwanden sie wieder. Aber sie waren wirklich schön anzusehen gewesen. "Jetzt esst Kinder." Meine Oma stellte die Pfanne mit dem Essen auf die Mitte des Tischs ab. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen.

Daraufhin übte ich jeden Tag nach der Schule mit meiner Oma im Wohnzimmer. Jedoch war der Erfolg minder. Als ich mittwochs in der Mensa mit Simon und Vanessa saß, unterhielten wir uns gerade über das gemeinsame Geschichtsreferat als Simon anfing zu reden. "Vanessa dein Bruder war die letzten Tage nicht in der Schule. Ist er krank oder schwänzt er?" zögernd sah ich zu ihr. "Er ist krank und das vor unserem Geburtstag." antwortete sie und zog dabei eine Schnute. Gute Schauspielerin! "Komisch, dass Ryan, Steven und noch ein paar andere von seinem Gefolge auch fehlen, meinst du nicht?" fragte er genervt. "Simon was ist dein Problem? Ich hab dich ja sonst wirklich sehr gern, aber wenn du nicht bald diese Feindseligkeit gegenüber meines Bruders einstellen kannst, werde ich richtig sauer!" meckerte sie. Auch ich fragte mich was das sollte. Aber das war ein Thema wo ich mich rauszuhalten hatte. Aufbrausend stand Simon auf und verschwand mit seinem Tablett. "Wow was ist denn in ihn gefahren?!" fragte ich verwundert. Nessi sah auf den Boden. "Miles macht es ihm aber auch wirklich schwer. Nur ist es auch nicht leicht für mich ständig zwischen den Fronten zu stehen." Geknickt sah sie mich an. "Ich muss dir glaub ich was erzählen." meinte sie dann. "Du kannst mir alles erzählen, das weißt du." erwiderte ich. "Simon und ich haben uns geküsst am Lagerfeuer. Und es war echt schön. Miles hat das natürlich gesehen und war da nicht so begeistert von. Dann ist er aufbrausend weg gegangen weil er kurz darauf nach dir gefragt hatte. Seitdem ist er noch gemeiner zu Simon und zwischen mir und ihm ist es seit dem Kuss anders. Tut mir leid, dass ich dir das erst jetzt erzähle." Traurig blickte sie wieder auf ihre Pommes. Ich fühlte mich sofort schlecht weil ich ihr gegenüber soviel mehr verschwieg als das mit ihrem Bruder. Mitfühlend griff ich nach ihrer Hand und streichelte sie. "Du musst mit Miles reden wenn das dir mit Simon wichtig ist. Und mit ihm selbst solltest du auch über deine Gefühle reden." Ich versuchte doch beinahe dem gleichen Konflikt auszuweichen. "Außerdem muss ich dir auch noch was erzählen Vanessa.." Das würde nicht leicht werden.

MAC TÍREWo Geschichten leben. Entdecke jetzt