Kapitel 5: Hoffen

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"Scheiße!", fluchte Erwin immer wieder und trat voller Frust gegen ein Auto. Mike schwieg. Kurz vor ihrem Ziel waren sie mit dem Auto nicht mehr weitergekommen. Die Autobahnen waren zugestellt mit Wagen. Es hatte viele Unfälle gegeben und überall lagen Leichen oder nur einzelne Körperteile.

Ein Anblick, der die beiden Männer am Anfang noch geschockt hatte, doch inzwischen waren sie schon lange genug unterwegs, um sich daran zu gewöhnen - wenn man es so nennen konnte.

"Erwin, lass uns die Autobahn verlassen", murmelte Mike und sah sich um:"Hier sind wir völlig ungeschützt."

Der Kleinere keuchte leise. Seine Hände zitterten, doch schließlich nickte er und atmete tief durch:"Okay."

Sie kamen Mikes Vorschlag nach und liefen neben ihr in der Böschung her. Eine Stunde später entdeckten sie andere Menschen. Bösartige Menschen. Mike und Erwin versteckten sich hinter den Bäumen neben der Leitplanke und sahen zu, wie die kleine Gruppe durch das Chaos der Autos ging.

Sie schienen miteinander zu reden, denn plötzlich wurden sie lauter und nur Sekunden später stürzten sich drei von ihnen auf den vierten; kratzten und bissen ihm die Kehle durch und brachten ihn damit zum schweigen.

"Sie töten sich also auch gegenseitig", murmelte Erwin und wendete den Blick ab:"Was ist das nur?"

Mike konnte darauf nur mit einem Schulterzucken antworten.

Als die Gruppe weiterging, warteten sie noch einige Minuten, ehe sie sich wieder erhoben und weitergingen. Schweigend. Was sollten sie auch bereden? Es gab nichts, worüber sie reden wollten. Jeder machte sich seine eigenen Gedanken.

Erwin seufzte und sah immer wieder auf sein Handy, doch es half nichts. Er hatte keinen Empfang. So blieb ihm einfach nur die Hoffnung, dass es Levi gut ging.

Auch am Abend waren sie noch nicht angekommen. Zu Fuß war man eben nicht schnell. Erwin seufzte und stützte sich an einem Auto ab:"Das darf doch alles nicht wahr sein ..."

"Wir sollten uns einen Platz zum schlafen suchen", murmelte Mike und sah sich um:"Da hinten ist ein Wohnwagen. Lass uns dort hingehen."

"Gut", stimmte Erwin zu und ging mit seinem Kollegen zu genanntem Fahrzeug. Er war müde. Sie beide waren es. Es war anstrengend gewesen, den ganzen Tag zu laufen und immer wieder stehen zu bleiben, wenn sie auf die Gruppen von Menschen trafen, die zwischen den Fahrzeugen herstreiften.

Gerade als Mike die Tür zum Wohnwagen öffnen wollte, hörten sie, wie sich hinter ihnen eine Autotür öffnete. Sofort drehten die beiden Polizisten sich um und zogen ihre Dienstwaffen. Doch vor ihnen stand nur ein kleines Mädchen. Sie sah verstört aus und zitterte leicht:"Seid ... seid ihr böse?"

"Böse? Nein", sagte Erwin und ging in die Hocke, während er seine Waffe wegsteckte:"Komm her. Es ist alles gut."

Zögernd kam sie auf die beiden Männer zu. Kurz bevor sie Erwin erreichte, blieb sie stehen. Erwin stockte als er sah, wie sich ihre Augäpfel schwarz färbten. Sie fing an zu grinsen und zu lachen, ehe sie einen Satz auf Erwin zumachte, doch bevor sie ihn angreifen konnte, fiel ein Schuss.

Das Blut spritzte Erwin ins Gesicht und als er von dem Mädchen aufsah, ließ Mike langsam seine Waffe sinken:"Wusste ich es doch ..."

Erwin erhob sich sich wie in Zeitlupe und wischte sich die Blutspritzer von der Wange. Er schluckte hart und sah auf das tote Mädchen:"Verdammt ..."

"Komm", murmelte Mike und legte eine Rettungsdecke, die er aus dem Erste-Hilfe-Koffers eines Autos nahm, über die Leiche. Dann ging er zurück zum Wohnmobil und öffnete die Tür. Sie hatten Glück. Die Vorbesitzer waren offenbar verschwunden, ohne abzuschließen. Erwin sah sich noch mal um und folgte ihm. Sie schlossen von innen ab und zogen die Jalousien an den Fenstern runter.

Mike murrte leise, während er seine breiten Schultern zwischen Kühlschrank und Badezimmertür zwängte, um zu sehen, was für Lebensmittel es gab. Erwin musste bei dem Anblick leicht schmunzeln. Es sah zugegeben wirklich etwas lustig aus, wie dieser große Mann sich in so einem engen Raum wie dem Wohnmobil zurechtfinden musste.

"Super, hier ist Wasser und ein bisschen Gemüse", stellte Mike fest und stand wieder auf. Dann sag er noch in dem Schrank über der Herdplatte nach:"Brot, Nudeln, Öl, Essig ..."

Erwin fand in den anderen Schränken nur noch Klamotten. Aber immerhin konnte er feststellen, dass es noch Gas, Strom und etwas Wasser gab:"Gut, damit werden wir uns etwas kochen können."

Mike nickte leicht. Sie suchten dann noch nach einem Topf und fingen an, sich ihr Abendessen zuzubereiten.

Erwin versuchte danach noch eine Weile, einen funktionierenden Radiosender zu finden, doch es war vergebens. Seufzend lehnte er sich auf dem Beifahrersitz zurück.

"Geh schlafen. Wir müssen morgen fit sein", murmelte Mike und kletterte auf das Bett im hinteren Teil des Wohnmobils. Erwin sah ihn etwas leidlich an:"Hast Recht ..."

Er zog noch die Vorhänge vor den Fenstern zu und ging in das andere Bett über den vorderen Sitzen, um dort versuchen zu schlafen:"Nacht."

"Nacht", murmelte Mike noch. Dann war es still. Blieb nur die Frage, ob es in der Nacht auch keine Störungen geben würde. Erwin wäre lieber weitergelaufen, doch er sah selbst ein, dass er die Ruhe brauchte. Er konnte also nur hoffen, das Levi noch leben würde, wenn sie morgen ankommen würden. 

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