Süße Versuchung I

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//That bulge tho ...//


„Ihr wisst", murmelte der Zwerg kleinlaut und ließ sich auf dem Boden nieder, „dass das nicht rechtens ist, Jareth."
Der Koboldkönig, der ein Bein über die klobige Lehne seines Throns gelegt und gelangweilt mit dem Gehstock darauf geklopft hatte, hielt inne. Den Kopf auf die Hand gestützt, warf er Hoggle einen vielsagenden Blick zu. „Sieh' einer an, fast schon könnte man meinen, ihre rebellische Art hätte dir Mumm verschafft", schnarrte er schließlich und freute sich, als der Zwerg den Kopf ängstlich zwischen die Schultern zog. „So kenne ich dich schon viel eher, Hogbart."

„Hoggle", korrigierte der Zwerg mit zaghaft erhobener Hand, „ich weiß, Ihr und ich – wir sind nicht besonders gut ausgekommen, aber ich war bis zu jenem schicksalshaften Tag stets unbescholten-"
„Und dann hast du dich entschieden, mich gemeinsam mit dem Mädchen zu stürzen", unterbrach Jareth ihn fauchend, während er sich von dem Thron schwang; den Stock schleuderte achtlos von sich und ignorierte das leise Heulen des bedauernswerten Kobolds, der getroffen wurde.

Mit großen Schritten näherte er sich dem Fleckchen, auf dem sich Hoggle zusammen gekauert hatte, und ging vor ihm in die Hocke; dicke Strähnen des wilden Haars fielen ihm dabei ins Gesicht. Der Zwerg schluckte laut hörbar und zog die buschigen Augenbrauen zusammen.
„Nein, nein", insistierte er mit trockenem Mund und suchte nach passenden Worten, die ihm nun partout nicht einfallen wollten. Die kalten, ungewöhnlichen Augen seines Königs brachten wohl jedermann aus der Fassung.

„Nein ...?", wiederholte Jareth gefährlich sanft, und amüsierte sich sichtlich über die Schweißperlen auf der faltigen Stirn des Zwergs, „was war dann dein Plan, du Prinz?" Der König musterte Hoggle, der nicht wusste, was er mit den Händen tun sollte, eindringlich. Sichtlich rang er nach Worten, die der Wahrheit entsprachen und zeitgleich Jareth nicht allzu sehr verärgern würden, bis er begriff, dass der König ohnehin wütend sein würde, egal, was er sagte.

„Sie wollte doch nur ihren Bruder beschützen", antwortete Hoggle schließlich und die Verzweiflung war deutlich heraus zu hören, „und ich wollte nur, dass ihr nichts Schlimmes geschieht. Dass ihr nicht weh getan wird. Aber, Ihr müsst mir glauben, ich wollte nicht, dass das geschieht ..." Er seufzte schwer, und blickte seinem Gebieter zum ersten Mal, seit er denken konnte, direkt ins Gesicht, obwohl seine Knie dabei zitterten; der Zwerg sprach die Wahrheit, und wollte Jareth es wissen lassen.

Ja, er hatte Sarah helfen wollen, weil er zu jener Zeit gelernt hatte, was Freundschaft bedeutete, etwas, das er zuvor nicht gekannt hatte; keiner seiner Schätze war ihm so wichtig wie das Mädchen. Dass sie es tatsächlich schaffen würde, Jareth von seinem Thron zu stoßen, hatte jedoch niemand wirklich erwartet, und schon gar nicht damit gerechnet, dass der Untergrund sich verändern würde. Das begriff er allerdings erst, als es längst zu spät war.

„Aber es ist geschehen", antwortete Jareth leise. „Und du hast es zugelassen, dass der Untergrund beinahe vernichtet wurde." Er erhob sich und wandte sich mit flatterndem Umhang von dem Zwerg ab; Hoggle wusste, dass der König vor Wut schäumte. Wenn er doch nur weg laufen hätte können ... doch er konnte sich Dank eines Zaubers, der ihn wie eine Mauer umgab, nicht fortbewegen.
Jareth wandte sich ihm lächelnd mit einer schnellen Bewegung wieder zu und hielt ihm einen dicken, rotgelben Pfirsich vor die Nase. „Was ist das, Hoggle?", fragte er und drehte die Frucht in seiner Hand.

Hoggle zog überrascht die Augenbrauen zusammen; sein Magen knurrte, und dass Jareth mit dieser Delikatesse herumwedelte, machte es auch nicht besser.
„Ein ... ein Pfirsich", antwortete Hoggle zögerlich, „Eure Majestät." Wie lange hatte er schon keine solche Frucht mehr gegessen ...
„Ganz recht, mein lieber Hoggle." Jareth schnupperte daran, schloss dabei genüsslich die Augen und führte den Pfirsich schließlich an seine Lippen. Der Zwerg schluckte hörbar laut, und als hätte Jareth genau darauf gewartet, blickte er ihn gespielt überrascht an.

„Oh, wo bleiben meine Manieren – schließlich bist du mein Gast, und sicherlich hungrig. Hier, ein Geschenk." Unaufgefordert drückte er die rotbäckige Frucht in Hoggles Hand, der seinen König nur irritiert ansah. „Na los, iss", forderte Jareth ihn mit einer Handbewegung auf, und ließ ihn nicht aus den Augen. Erst betrachtete Hoggle die Frucht in seiner Hand zögerlich, doch dann siegte der unerträgliche Hunger, der ihn plagte, über ihn, und er umklammerte sie mit beiden Händen und grub seine Zähne in das gelbe Fleisch; der Saft troff ihm vom Kinn und er konnte ein zufriedenes Brummen nicht unterdrücken.

Zum Dank nickte er dem König, der still vor sich hinlächelte, zu. Er kaute hastig weiter - und erstarrte; seine Lippen öffneten sich entsetzt. Erst entfuhr ihm ein leises Stöhnen, das sich dann jedoch in einen derart erschrockenen Laut wandelte, dass die beiden Kobolde, die zur Wache vor der Tür postiert worden waren, die Flucht ergriffen ...


Dark SalvationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt