Dunkle, unheilvolle Wolken waren aufgezogen und tauchten den Untergrund in ein fahles, dämmriges Licht; das leise Grollen kündigte ein Unwetter an, sodass die wenigen Bewohner der Koboldstadt sich in ihren Häuschen verbarrikadierten. Das Schloss lag still und dunkel über allem, nur die Fenster des Turms waren schwach erleuchtet.
„DerWurm?" Der Koboldkönig ließ sich in den schweren, mit dunklem Samt überzogenen Stuhl vor dem gigantischen Kamin fallen und schwang die schlanken Beine auf die Lehne; der kleine Kobold, der inmitten der Tür ausharrte, interessierte ihn nicht.
Sein Blick war auf die tanzenden, roten Flammen gerichtet, die gierig am Holz leckten, doch seine Gedanken waren noch weiter entfernt. Die junge Frau schien immer Wege und Mittel zu finden, Gefahren zu entgehen. Angespannt hatte er durch einen seiner Kristalle die Situation mit leiser Vorfreude auf das beobachtet, was folgen sollte, und ihre Angst mit größter Genugtuung notiert. Doch da war noch etwas Anderes zu sehen. Er betrachtete das Gesicht des Mädchens nun von Nahem; ihr bemerkenswert langes Haar hing wirr und ungepflegt hinab, und ihre Lippen wirkten trocken und rissig.
Dunkle Staubspuren verunstalteten die feinen Züge, an die er sich so gut erinnerte, und die seither – trotz dessen, dass sie gealtert war – nicht verloren gegangen waren. Die dunklen, dichten Augenbrauen waren überrascht zusammengezogen, doch die grünen Augen sprachen anderes: er las ihre Wut darin, weil sie genau wusste, dass er sie in diese Situation gebracht hatte, und fast schon hatte er lächeln müssen. Es war ihr bisher ungebrochener Wille, nicht mehr als ein kurzes Aufblitzen in diesen Augen, in denen er sich verlor, der ihn rasend machte, und sie es schließlich war, die Genugtuung darüber empfinden konnte, dass sie ihn erneut ausgetrickst hatte, als sie winzig klein in dem Loch verschwunden war.
„Verschwinde jetzt", lautete sein knapp gefauchter Befehl, doch die kleine Kreatur machte keine Anstalten, dem nachzukommen. Er schien irritiert, dass sein König keine weiteren Anweisungen gab und zappelte unsicher herum. „Hast du mich nicht verstanden?" Jareths Kopf ruckte plötzlich in die Richtung des Kobolds; er wurde durchaus ungehalten, spürte, wie sich sein Ärger in einer aufsteigenden Hitze manifestierte. Sein Untertan erkannte die Launenhaftigkeit seines Königs unterdessen wieder und wollte auf dem Absatz kehrt machen, doch dazu sollte er nicht mehr kommen.
„Raus ... hier!" Er stieß ein aufgeregtes Quieken aus, als der Boden unter seinen Füßen knackte und feine Risse nach sich zog, und zugleich von einem Beben begleitet wurde; eine Karaffe voll rotem Wein, die auf dem Kaminsims geruht hatte, vibrierte erst und stürzte dann hinab, wo sie in hunderte funkelnder Kristalle zerbarst. Die schweren Fensterläden, einer nach den anderen, schlossen sich krachend, und tauchten das Gemach mit den hohen Decken in beinahe völlige Finsternis; nur das aufgeregt flackernde Feuer spendete noch ein gedämmtes Licht, sodass der Kobold noch die Wut des Königs aus dessen Gesicht ablesen konnte, bevor er plötzlich mit einem heftigen Hieb, wie von Geisterhand, meterweit auf den Korridor hinausgeschleudert wurde und reglos liegen blieb.
Dann schloss sich die massive Flügeltür mit einem lauten Krachen, und Stille kehrte ein. Der Koboldkönig hatte nicht einmal wahrgenommen, dass er sich erhoben hatte; seine Muskeln brannten vor Anspannung, während sein altes Herz so kräftig wie nie zuvor schlug. Nun starrte er erst zur Tür, bevor er den gestreckten Arm langsam sinken ließ und den Handschuh betrachtete.
Dann sank er in den Sessel zurück und rieb sich, ermüdet von diesem Kraftakt, die pochende Schläfe. Er hatte gewollt, dass der Kobold verschwand, und scheute sich durchaus nicht vor härteren Methoden, doch er konnte sich nicht entsinnen, dass eine Situation wie diese je derart eskaliert wäre. Er seufzte genervt.
Seine kleinen mehr oder weniger hilfreichen Untertanen waren zäh, der Winzling würde das also schon überstehen. Dieses Mädchen schien in jeder Weise Probleme mit sich zu bringen, auch wenn er gewollt hatte, dass sie kam ...
„Deine Strafen sind nicht hart genug", drang es leise fordernd aus dem in der Dunkelheit liegenden Teils der Räumlichkeit. Jareth neigte den Kopf zur Seite und erkannte dank seiner geschärften Sinne einen schemenhaften Schatten, der an seinem Bett lehnte. Desinteressiert widmete er sich wieder dem nun schwächer flackernden Feuer zu; die tanzenden Flammen spiegelten sich in den außergewöhnlichen Augen wieder. „Sie spielt ja geradezu mit dir und lacht über dich, und wer kann es ihr verdenken, hm? Hör auf damit, und zeig ihr, was Angst wirklich bedeutet. Treib sie in den Wahnsinn, sodass sie dich um Gnade anfleht, die du nicht für sie haben wirst. Am Ende wird das Mädchen alles, was sie dir angetan hat, bereuen. Du wirst sie führen und leiten, und du wirst sie in den Tod schicken. Ihre einzig gerechte Strafe. Ihr Tod für die vielen anderen, von ihr verursachten."
„Ich weiß, was ich zu tun habe", knurrte Jareth.
„Das will ich für dich hoffen, mein lieber König", kam es spottend zurück, „aber ich zweifle daran. Ich frage mich nur, warum du dich so sehr dagegen zu wehren versuchst ... vergiss nicht, wer dir das Leben zurück gegeben hast."
Der Koboldkönig schloss ergeben seine Augen, zog die spitzen Augenbrauen leicht zusammen. Im nächsten Augenblick erlosch das Feuer, und das Gemach lag verlassen und kalt da.
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Dark Salvation
FantasyViele Jahre waren vergangen, seither Sarah jene Worte gesprochen und damit ihren kleinen Bruder verwunschen hatte; sie überwand jede Gefahr, um ihn aus den Fängen des verführerischen Koboldkönigs, der sich in das Mädchen verliebt hatte, zu befreien...