Süße Versuchung II

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 Eine eisige Kälte kroch ihm in die Knochen, als er die Frucht schließlich näher betrachtete: eine der vielen, weißen Maden purzelte aus dem faulig schwarzen Fleisch über seine Hand. Sein Schock saß so tief, dass er das widerwärtige Schauspiel kurz beobachtete, bevor er den Pfirsich, dessen Schale immer noch rosig war, so weit wie nur möglich fort warf. Würgend hielt sich Hoggle die großen Hände an den Hals, während Jareth schweigend zusah und sich nicht bewegte, bis der Zwerg sich einigermaßen beruhigt und nur noch auf ein Husten beschränkt hatte, und nicht bemerkte, dass der König ihm nun ganz nahe war, und ihn mit den tiefschwarzen Augen fixierte.

„Dabei schien dieser Pfirsich doch die perfekte, süße Versuchung zu sein, nicht wahr?", hauchte Jareth, und holte sich damit wieder die Aufmerksamkeit des Zwergs, der den ekelhaften Saft mit dem Ärmel wegwischte. „Nichts ist, wie es scheint, Hoggle."
Der schale, faulige Geschmack lag immer noch schwer auf der Zunge des Zwerges, doch er hatte nichts, womit er ihn fortspülen konnte. „Sieh mich an."
Ein merkwürdiger Ruck ging durch Hoggles schmächtigen Körper, und sein Kopf wandte sich unwillkürlich langsam dem König zu, obwohl er seine Muskeln so fest dagegen anspannte, dass eine pochende Ader auf seiner Stirn hervor trat und es schmerzte.

Die buschigen Augenbrauen zogen sich hoch und ungläubig starrte er seinen König an: ganze Strähnen des blonden Haars waren rabenschwarz, ebenso wie die Augen, während das Gesicht bleich hervorleuchtete. Es war unverkennbar der Koboldkönig, und doch anders.

„Mache ich dir Angst?" Ein Lächeln schlich sich auf die schmalen Lippen; er kannte die Antwort bereits, und als Hoggle nickte, grinste der König zufrieden, bevor seine Miene wieder ernst wurde und ein gefährliches Funkeln in die dunklen Augen trat. „Falls du es noch nicht begriffen hast, Zwerg: das Mädchen, das du ja so innig liebst, ist wie dieser Pfirsich; sie ist verführerisch schön und süß zu dir, doch der Schein trügt. Ihre Seele ist verdorben wie das Fleisch, der Kern ist voller Maden wie ihre Gedanken voller Boshaftigkeiten sind."

„Das ist nicht wahr!", insistierte Hoggle zum ersten Mal lautstark und entlockte Jareth damit jedoch nur ein müdes Hochziehen der spitzen Augenbraue, „Ihr kennt sie nicht-"
„Ich kenne sie", fauchte Jareth ungeduldig, „ich kenne sie besser, als du denkst, törichter Zwerg. Was meinst du, hat sie dazu getrieben, ihren Bruder, ihr eigen Fleisch und Blut, zu verwünschen? Ganz recht, weil sie ein verzogenes Gör war, das sich völlig egoistisch nach der Aufmerksamkeit ihres Vaters sehnte, und erst über die Konsequenzen nachdachte, als es längst zu spät war. Sie wollte, dass er verschwindet – ich holte ihn. Sie wollte eine Chance – ich gab sie ihr."
„Aber-"
„Sei still! Sie wollte um jeden Preis erwachsen werden, um ernst genommen zu werden, also gab ich ihr Herausforderungen, die einer Erwachsenen gerecht waren. Doch was hat sie stattdessen getan? Entgegen aller Offerte, die ich ihr machte, hat sie sich mit dir und deinesgleichen verbündet, um mich zu stürzen – und das, obwohl ich stets nur tat, wie sie es von mir wünschte."

Jareth atmete tief aus; er wusste, dass es wohl verschwendete Zeit war, dem Zwerg dies zu erzählen, doch mit jedem Wort, das ihm über die Lippen kam, schien die Wut in ihm zu steigen; sie breitete sich erbarmungslos und hart in ihm aus. Die damit verbundene Hitze veranlasste ihn dazu, den Kragen seines schwarzen Hemds achtlos aufzureißen und die Anstecknadel fort zu schleudern, bevor er sich wieder ganz Hoggle widmete, der wie erstarrt dort saß.

„Darüber hast du nie nachgedacht, nicht wahr? Du hast immer nur das süße, arme Mädchen gesehen, die Jungfer in Not, der du unbedingt helfen musstest. Dass sie sich selbst in diese missliche Lage gebracht hat und Verantwortung lernen sollte, hast du nicht begriffen, du Dummkopf. Nein, warte ... ich kann deine Enttäuschung sehen, weil sie dich vergessen hat, obwohl sie versprochen hat, dass sie dich dann und wann in ihrem Leben brauchen würde, aber sie hat sich keinen Deut um dich geschert. Nun ist es zu spät, du Narr - du wirst für deinen Verrat auch noch büßen müssen – doch zuvor, mein guter Hoggle-", die Stimme des Königs veränderte sich, wurde noch tiefer und leiser als sonst, während in seinen Augen etwas aufblitzte und ein böses Lächeln auf seine Lippen trat, „wirst du zusehen, wie das Mädchen seine gerechte Strafe erhält."

Der Kristall schimmerte verräterisch schön in der Hand des Koboldkönigs, ehe er ihn wie eine Seifenblase aufsteigen ließ und mit einem sanften Luftzug aus dem Fenster beförderte. Hoggle wimmerte gequält, während der Koboldkönig leise lachte. Diesmal würde Sarah vollkommen auf sich gestellt sein.

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