//ACHTUNG: Triggerwarnung - Blut/Gewalt.
In der Kürze liegt wohl die Würze. Leider zu wenig Zeit ...//
***
Die Kugel glitt rasch zwischen seinen Händen umher und die fließenden Bewegungen des Königs erinnerten sie an eine rhytmisch tanzende Kobra, elegant und schön, und dennoch tödlich. Sie konnte nicht anders als dem Kristall mit ihren Augen zu folgen, sodass sich ein leiser Schwindel in ihr ausbreitete während die ungleichen Augen sie fixierten; wie oft war sie in den letzten Jahren enttäuscht worden, wie oft hatte sie um ein wenig Glück gefleht, das ihr doch verwehrt worden war.
Es könnte so einfach sein, sie musste nur ihre Hand danach ausstrecken und es zulassen, und schon bald würden ihre innigsten Wünsche wahr werden ... unsicher blickte sie in das von wildem Haar umrahmte, schmale Gesicht und erkannte darin ein wissendes Lächeln. Dieses geheimnisvolle Wesen spielte mit ihren Träumen, nutzte ihre Verzweiflung, um sich daran zu bereichern. Die dunklen Augenbrauen zogen sich zusammen, bildeten kleine Fältchen und ihre Lippen bildeten eine schmale Linie.
Der König neigte den Kopf leicht zur Seite, sodass er fast fragend wirkte; scheinbar irritierte ihn etwas. „Dennoch hast du dich für deinen Bruder entschieden." Für den Bruchteil einer Sekunde senkte er den Blick und schwieg, ehe er den Kristall über seine Fingerspitzen in seine Hand gleiten ließ, und beendete das hypnotisierende Schauspiel, indem sich das schwarze Leder seines Handschuhs knirschend um die Kugel schloss. „ ... und mich als den schwarzen Mann gesehen, der das Kind gestohlen hat. Ein Baby, das du von Anfang an gehasst hast, weil es und seine Mutter die neue Familie deines Vaters waren, während du dich verstoßen und einsam fühltest-"
Er wandte seinen Blick abrupt von Sarah ab, betrachtete, wie der Druck auf die Kugel feine Risse nach sich zog. Ein kurzes Schweigen kehrte ein; langsam hob er seinen Blick und ließ ihn erneut auf ihr ruhen, doch sein Lächeln war fort. Mit einem Mal klang seine Stimme anders; leiser und als müsste er die Fassung wahren. „Aber ich war dennoch das Böse. Die Angst, unwillkommen zu sein, hat an dir genagt, also wolltest du, dass er verschwindet, und hast die Worte über deine Lippen kommen lassen. Doch nicht nur das-" Jareth pausierte, musterte erneut den Kristall und schüttelte anschließend sacht den Kopf; ein mulmiges Gefühl machte sich in Sarah breit. Sie tat einen weiteren Schritt zurück und überlegte, was sie nun tun sollte. Irgendetwas stimmte hier nicht; diese eisige Kälte ...
Ihre Mund öffnete sich, doch kein Laut kam heraus; betont langsam wandte der König seinen Blick von dem Kristall ab. Sarah konnte sehen, dass sich seine Augen veränderten, und sein bösartiges Lächeln verriet ihr, dass er genau darauf abgezielt hatte. Die eisblaue Farbe wich langsam, während sich eine tiefe Schwärze darin ausbreitete und dabei an dunkle Rauchschwaden erinnerte. „Nein, Sarah – du hast mich nicht nur gerufen. Es sind nicht nur die Worte, denen ich folge, sondern auch die Inbrunst, mit denen sie gesprochen werden. Und deine, süße Sarah, waren voller Verzweiflung und einer Wut, die ich selten in einer Stimme gehört habe, sodass dein Ruf einem Schrei glich, dem ich einfach folgen musste."
Völlig unerwartet warf er den Kristall wie einen Ball in die Luft und blickte ihm nach, als wollte er ihn sogleich wieder fangen, doch die Kugel verschwand mit einem leisen Surren in der Dunkelheit der scheinbar unendlich hohen Decke und kehrte nicht wieder. Sein Interesse kehrte er nun wieder Sarah zu, die mit geballten Fäusten seinen Blick erwiderte, obwohl sich ihre Knie dabei seltsam weich anfühlten.
Das fahle Licht des Mondes, das durch die Fenster fiel, tauchte sein blasses Gesicht in dunkle Schatten und betonte seine markanten Züge, während er sich Sarah langsam immer weiter annäherte und dabei offenbar bewusst ihre Angst schürte, da er weiterhin lächelte.
„Und was sollte ich da erblicken? Ein junges Mädchen, selbst noch ein Kind, und dennoch voller Wut auf ihre Eltern und – sich selbst", fuhr er fort und seine Augen blitzten dabei gefährlich auf – und verschwand.
Sarah wirbelte herum, doch konnte nichts als einen dunklen Schatten sehen; sie fühlte den plötzlichen, harten Griff einer Hand in ihrem Nacken, doch dann war es, als schien sie jegliche Kontrolle über ihren Körper abgegeben zu haben. Ruckartig wurde sie nach hinten gezogen, sodass sie einen leisen Schrei ausstieß, der jedoch bereits in ihrer trockenen Kehle ein jähes Ende fand.
Etwas passierte, das Sarah nicht verstand. So sehr sie sich auch dagegen wehrte, ihr Körper gehorchte ihr nicht länger, und so musste sie still mitansehen, wie sie scheinbar schwerelos in der Hand des Koboldkönigs lag, während sich ihr Rücken abnorm verbog. Sie blickte in das bleiche Gesicht, das ihr so nah war wie noch nie zuvor; ihr Atem ging schnell und unregelmäßig, was sie einerseits ihrer Furcht, andererseits ihrer unbändigen Wut zu verdanken hatte. Er hatte sie wortwörtlich in seiner Hand. Die tiefschwarzen Augen musterten Sarah, so als ob sie sich jedes Detail einprägen wollten.
Fast schon liebevoll und ebenso langsam strich er eine dunkle Haarsträhne aus ihrem Gesicht, berührte dabei ihre Lippen und zog dabei ihre Kontur nach. „Ein Mädchen", wiederholte er leise. „Wie jedes andere, menschliche Wesen, das mir im Laufe der Jahrhunderte begegnet ist. Trotzdem waren deine Gefühle anders, und sie waren auch der Grund dafür, dass ich mich dazu habe hinreißen lassen, dir eine Chance zu geben, was ich zuvor nie getan habe. Gesagt ist gesagt. Doch du, Sarah, du hast mich amüsiert – und fasziniert. Dein Starrsinn und deine Willenskraft, dein Mut und dein Grips haben dich weitergebracht, als ich erwartet hatte. Diesmal wirst du schon mehr bieten müssen als das."
Ihr Körper verkrampfte bei dem Versuch, sich ihm zu entwinden, doch sie rührte sich nicht von der Stelle, als er sich zu ihr hinab beugte und einen kaum merklichen Kuss auf ihre Stirn hauchte und Sarah just in diesem Augenblick von einem eiskalten Schauder erfasst wurde. „Du hättest meine Gunst nicht ausnutzen dürfen", hauchte er. „Doch nun genug davon. Es wird Zeit zu erwachen!"
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, war Sarah wieder Herrin über ihren gezeichneten Körper, doch es war zu spät. Ein gellender Schrei entfuhr ihrer Kehle, als er sie mit ungeheurer Kraft packte und mit einer ebensolchen Wucht dem Spiegel entgegen schleuderte; der Schmerz durchzuckte ihren Körper, als die silbrige Oberfläche barst und sich Splitter tief in ihre Haut gruben und sogleich erste, feine warme Rinnsale bildeten, die Sarah jedoch in dem Delirium ihrer Pein kaum wahrnahm. Bevor alles um die junge Frau in einem gleißenden Licht zu verschwinden drohte, vernahm sie ein leises Lachen und den Schrei einer Eule, die soeben in die Lüfte empor stieg.
DU LIEST GERADE
Dark Salvation
FantasyViele Jahre waren vergangen, seither Sarah jene Worte gesprochen und damit ihren kleinen Bruder verwunschen hatte; sie überwand jede Gefahr, um ihn aus den Fängen des verführerischen Koboldkönigs, der sich in das Mädchen verliebt hatte, zu befreien...