Kneel before me

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„Hört mich doch an, Jareth!" Die rostigen Ketten klimperten fast fröhlich, als der Zwerg flehend seine Hände hob. „Sarah, sie ... Ihr – Ihr seid ..." Der Rest seiner Worte ging in undeutlichem Genuschel unter.
Die spitze Augenbraue hob sich kaum merklich, dann warf der König seinem Untertan mit der lächerlichen, roten Kappe auf dem Kopf einen wenig interessierten Blick zu; er regte sich nicht von seinem Thron, ließ die schlanken Beine in den hohen Stiefeln über die Lehne baumeln.

Stattdessen legte er einen der schwarzen Handschuhe an sein Ohr, und verzog das Gesicht. „Was sagst du? Ich kann dich nicht verstehen." Spott lag sowohl in seiner Geste, als auch in seiner rauhen Stimme; er wartete nicht auf eine Antwort des Zwerges, sondern schwang sich nun mit einer schnellen Bewegung von dem monströsen Thron, nur um mit wirbelndem Stock auf Hoggle zuzukommen, der sich instinktiv kleiner machte und noch enger in die Ecke drückte.
„Ich ... nichts, mein König. Ich, äh ... habe mit mir selbst geredet, so eine kleine Marotte von mir, wisst Ihr?" Er lachte nervös, wusste aber genauso gut, dass Jareth ihm nicht glauben würde – ebenso wenig, wie er sich selbst glaubte, und sich wieder einmal selbst nicht ausstehen konnte, weil er nun einmal ein Feigling war und immer bleiben würde.

Die Glupschaugen wanderten umher, suchten verzweifelt nach einem Ausweg, den es ja doch nicht gab; stattdessen blieben sie immer wieder an den wenigen, unheimlichen Gestalten mit den schwarzen Rabenmasken hängen, die sich ebenso im Saal aufhielten. Es war merkwürdig kalt. Die klobigen Hände spielten an den dicken Ringen der Kette, die an beiden Handgelenken befestigt waren.
Jareth beendete sein Spiel mit dem Stock, sobald er vor Hoggle stand und kurz von oben herab betrachtete, ehe er in die Knie ging, dabei einen Ellbogen auf dem Bein stützte und ein merkwürdiges Lächeln aufsetzte. „Ich hätte doch tatsächlich schwören können, dass du meinen Namen erwähnt hast. Wie dem auch sei-" Er zuckte gleichgültig mit den Schultern, und als der Gehstock leise in Richtung des Zwergs über den Steinboden schabte, zuckte selbiger erneut ängstlich zusammen, was den wachsamen Augen des Königs natürlich nicht entging.

Sein Lächeln wandelte sich in ein kurzes Grinsen, das die scharfen Zähne entblößte, ehe er die begonnene Bewegung vollendete und mit dem Stock gegen die Ketten tippte. „Das hätte nicht sein müssen", erklärte Jareth, „aber du hast mich dazu gezwungen. Wohin wolltest du denn so ganz allein, hm?" Fragend neigte er den Kopf zur Seite, fixierte den Zwerg, der seinem Blick jedoch gekonnt auswich. „Sagte ich nicht, du wärst für ein Weilchen mein Gast und hatten wir nicht diese kleine Abmachung, dass du das Schloss nicht verlässt?"

Hoggle holte tief Luft; sein altes Herz schlug ihm wortwörtlich bis zum Hals, und dieses beklemmende Gefühl in seiner Brust wollte einfach nicht weichen. Er hatte Jareth immer gefürchtet und war froh, wenn er ihm nicht begegnete, aber diesmal war es nicht nur Angst, die er empfand. Etwas lag in der Luft, das ihm absolut nicht gefiel und ihm sagte, dass es besser wäre, weit, weit fort zu gehen. Er spürte, dass Jareth ihn anstarrte, und dass seine Geduld nicht ewig währte; also nahm er das wenige an Mut zusammen und blickte seinem König ins Gesicht, während sein Magen rebellierte.

Hoggle setzte an, etwas zu sagen, doch seine Zunge klebte förmlich am Gaumen und er brachte nur ein leises Krächzen hervor.
„Oh, natürlich." Jareth tippte sich selbst tadelnd gegen die Stirn, nickte dann einer der unheimlichen Kreaturen zu, die sich zu einer Anrichte umwandte und daraufhin ein leise gluckerndes Geräusch erklang; unterdessen rieb der König nachdenklich und langsam sein Kinn und betrachtete den angsterfüllten Zwerg vor sich, und musste über seine absolute Unterwürfigkeit lächeln, die nur seinem eigenen Schutz diente. Dennoch, eins musste er ihm lassen: das Mädchen verteidigte er, wenn auch auf seine eigene, merkwürdige Art, selbst nach all den Jahren, in denen sie ihn vergessen hatte.

Die grausige Kreatur kam lautlos auf die beiden zu, hielt ein kleines, trübes Silbertablett in den Händen, auf dem ein Becher aus Kristallglas ruhte; die tiefrote Flüssigkeit hinterließ feine Ränder daran. Der Schnabel berührte beinahe Jareths ausgestreckten Arm, als sich die Rabengestalt verbeugte; der König nahm das Glas, und das Wesen zog sich zurück. Er schwenkte es und betrachtete die kreisende Flüssigkeit darin, ehe er es dem völlig überraschten Hoggle reichte, der jedoch nicht sofort zugriff; erst, nachdem der Koboldkönig ihn mit hochgezogenen Augenbrauen dazu aufforderte, nahm er es mit zitternden Händen entgegen, und bemühte sich, dabei nicht den dunklen Handschuh zu berühren.

Hoggle musste sich enorm konzentrieren, um es nicht fallen zu lassen. „Trink." Die eisblauen, außergewöhnlichen ruhten auf dem Zwerg, der schwer schluckte.
„Vielen Dank, äh ... was ist das?", wagte er es dennoch leise zu fragen, und war sichtlich beunruhigt wegen der dunklen Farbe.
Der König rollte mit den Augen, seuftze genervt. „Wein. Ich sagte: trink. Und dann antworte auf meine Frage, ich warte nur äußerst ungern."
Durch Hoggles Kopf schossen im Augenblick unzählige Gedanken; er traute dem König nicht, womöglich war dieses Gebräu mit Gift versetzt und nach dem ekelhaften Pfirsich nur die nächste Etappe seiner Grausamkeiten. Vielleicht würde es ihm unsägliche Schmerzen bereiten, oder ihn gar töten ... doch das würde keinen Sinn ergeben, ihn erst gefangen zu halten und dann umzubringen. Wenn er es nicht trank, wer weiß, vielleicht würde er Sarah dafür büßen lassen-?

„Du tätest gut daran, mich nicht wütend zu machen." Die Kälte in der Stimme, ebenso wie die Bestimmtheit darin, ließen Hoggle zusammenzucken. Er führte führte das Glas langsam zu seinem Mund, und wusste, dass der König ihn beobachtete; er konnte den stechenden Blick auf sich spüren und wusste, dass es keinen Ausweg gab.
Über seine knollige Nase hinweg lugte er auf die blutrote Flüssigkeit, sich nun allmählich annäherte, und schließlich – obwohl sich in ihm alles dagegen sträubte – seine Lippen berührte, und er einen winzigen Schluck davon nahm und inne hielt, um auf erwartete Symptome einer Vergiftung zu achten.

Der säuerliche Geschmack lag schwer auf seiner Zunge, was ihm verriet, dass die Trauben wohl nicht die beste Auslese gewesen sein mussten; trotzdem war das Gefühl der kühlen Flüssigkeit, die seine ausgedörrte Kehle hinab lief, wohltuender und nötiger, als er gedacht hatte. In der überwältigenden Gier, die ihn ergriff, ging ein wenig daneben und bahnte sich seinen Weg über das Kinn. „Was hat es nur mit diesem Mädchen auf sich?", hörte er die samtene Stimme des Königs fragen, doch sein Durst war so groß, dass es ihm schwer fiel, sich darauf zu konzentrieren. Rasch kippte er den Rest des Weins hinunter, sodass er danach schwer atmete.

„... dass du dich meinem Befehl widersetzt und denkst, unbeobachtet das Schloss verlassen zu können?" Der schwarze Handschuh schoss unerwartet hervor, sodass das Glas aus Hoggles Händen glitt und scheppernd zu Bruch ging. Er japste leise, als die Hand sein Kinn samt Wangen umfasste, sodass seine ohnehin dicken Lippen an einen übertriebenen, feucht glänzenden Kussmund erinnerten; sacht wackelte die Hand mit seinem Kopf umher, ohne ihm weh zu tun. „Sind es die schönen Dinge, die sie dir womöglich versprochen hat? Oder was, in aller Welt, hat dich Feigling dazu getrieben, die Loyalität zu mir zu untergraben-?"

Der Griff wurde fester, übte einen schmerzhaften Druck aus. Hoggle konnte Jareths eisigem Blick nicht ausweichen; er ließ es nicht zu. Der Zwerg konnte die Wut in den Augen seines Königs wie Feuer lodern sehen, und begann plötzlich in nackter Panik wild mit den kurzen Armen zu rudern und schließlich gegen Jareths Arm zu schlagen. Was er sah, versetzte seinem alten Körper einen Adrenalinstoß und sein Herz raste, bereit zur Flucht, und dennoch gefangen – und auf einmal wurde alles um ihn herum schwarz.

Der kleine Körper hing leblos in Jareths Griff, der sich allmählich lockerte und den Zwerg schließlich mit einem dumpfen Geräusch zu Boden fallen ließ. Für einen kurzen Augenblick schloss der Koboldkönig seine Augen, um seine Gedanken zu sammeln und sein wild pulsierendes Blut und den schnellen Atem zu beruhigen; sobald seine Sinne ihm wieder gehorchten, lauschte er dem schwachen, aber vorhandenen Herzschlag des Zwerges, der nach wie vor reglos auf dem Boden lag. Er wusste, was seinen Untertan in Todesangst versetzt hatte, und es war nur eine Frage der Zeit, bis ...

Der Koboldkönig nickte einer seiner Kreaturen zu. „Kümmert euch um ihn. Sobald er wieder erwacht, gebt ihm zu essen und trinken." Die Rabenmaske verneigte sich, kam auf Hoggle zu und hob ihn mit Leichtigkeit hoch, um ihn sich über die Schulter zu legen. „Ketten?", krähte sie metallisch und rauh, doch Jareth schüttelte langsam den Kopf.
„Er wird für sehr lange Zeit schlafen", antwortete der König, „die Träume, die ihn ereilen werden, sind Strafe genug für ihn. Sobald er erwacht, wird er nicht länger daran denken, zu fliehen – oder mich noch einmal zu hintergehen." Die Kreatur nickte, wandte sich zum Tor, die in den Korridor führte. „Du hast mir keine Wahl gelassen, törichter Zwerg", murmelte Jareth, und stieg in den Fensterrahmen, wo er sich nieder ließ.

Das Tor fiel unterdessen knarrend ins Schloss, während Reste des trügerischen roten Weins an den kurzen, leblosen Fingern kleine Tropfen bildeten ...

Dark SalvationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt