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Gegen 17 Uhr verabschiedete ich mich von Brigitte und verließ meinen Arbeitsplatz. Heute war es ziemlich anstrengend gewesen. Wir hatten heute, dank des neuen Werbeprospekts, einiges an Ware bekommen, die bereits am Morgen verräumt werden musste. Schon um halb 9 Uhr warteten die Kunden vor verschlossener Ladentür, um die Angebote zu ergattern. Und das obwohl wir erst um neun öffneten. Die Kopfschmerzen, die mich den ganzen Tag über begleiteten und die Sorge um Mareike, die sich kein einziges Mal bei mir meldete, erschwerten die Arbeit zusätzlich. Ich konnte mich nicht wirklich auf meine Tätigkeit konzentrieren und machte hier und da kleinere Fehler. Nichts schwerwiegendes, aber trotzdem ärgerte es mich. Silke stand mir bei und versicherte mir immer wieder, dass es nicht schlimm sei. Sie wusste beschied, hatte ich ihr am Morgen bereits berichtet, was mich bedrückte.

Ich öffnete die Autotür und ließ mich seufzend in den Sitz fallen. Zum gefühlt hundertsten Male entsperrte ich das Display meines Handys und hoffte auf eine Nachricht von ihr. Nichts... Entweder war das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen. Ich hoffte auf ersteres, war mir anhand der Vorfälle der letzten Wochen aber gar nicht so sicher. Von Anfang an hatten wir mit Problemen zu kämpfen. Als ob eine höhere Macht verhindern wollte, dass wir beide glücklich sein durften. Trotz allem hielten wir zusammen. Es gab nämlich auch immer wieder schöne Momente, die die Schlechten weit in den Hintergrund drängten.

Als ich das Auto eine halbe Stunde später neben dem schwarzen Wagen in der Einfahrt parkte, atmete ich erleichtert aus. Mareike war zuhause. Ich stieg aus, wühlte im Gehen nach meinem Wohnungsschlüssel, der sich wie immer ganz unten in meiner Tasche befand und öffnete die Tür. „Mareike? Ich bin wieder da.“ Ich wartete einen Moment, doch kein Wort war zu hören. Mit klopfendem Herzen streifte ich meine Schuhe ab, stellte die Tasche an die Seite und betrat das Wohnzimmer. Der Anblick der sich mir bot, ließ mein Herz in tausende Teile zerbrechen. Die Frau, die ich über alles liebte, saß wie ein Häufchen Elend auf der Couch und starrte abwesend vor sich hin. Die Augen gerötet vom weinen. Ich eilte zur Couch und ließ mich vor ihr auf die Knie fallen. „Mareike?“ Immer noch kein Lebenszeichen. Als wäre sie gedanklich an einem anderen Ort und nicht hier in meiner Wohnung. Ich legte eine Hand auf ihr Knie, während die andere an ihre Wange glitt und den Kopf in meine Richtung drehte. „Hey, sag doch etwas. Bitte.“ Sie löste sich aus ihrer Starre und schaute mir in die Augen. Erst jetzt schien sie mich zu bemerken. „Emma. Du bist zurück. Ist es schon so spät?“ Meine Sorge wuchs ins unermessliche. Ich biss mir auf die Unterlippe und nickte schließlich. „Ja. Es ist gleich 6. Was ist passiert?“ Mareike seufzte und zog mich auf ihren Schoß. Abwesend fuhr sie mit dem Daumen über meinen Handrücken.

„Es ist genau das eingetreten, was du vermutet hast. Schon beim Betreten des Schulgeländes haben mir die Schüler seltsame Blicke zugeworfen oder hinter meinem Rücken getuschelt. Zwei deiner alten Klassenkameraden, Marc und Jan, haben mir während des Unterrichts anzügliche Blicke zugeworfen. Als ich die beiden nach Ende der Stunde zur Rede stellte, haben sie mir ein Angebot gemacht, welches ich unmöglich ausschlagen könne. Du kannst dir sicher denken, was genau die beiden von mir wollten.“ Es erschütterte mich zutiefst, was sie mir soeben erzählte. Ich hatte damit gerechnet, dass es nicht ohne Folgen bleiben würde, aber so etwas grenzte schon an Nötigung. Ich atmete tief durch und wartete auf das, was noch Folgen sollte. „Ich musste mich sehr zusammenreißen und habe den beiden unmissverständlich klar gemacht, dass es so nicht ginge. Jan sah das natürlich anders und fühlte sich in seiner Männlichkeit verletzt. Er warf mir ziemlich schlimme Dinge an den Kopf, auf die ich nicht näher eingehen will. Glaub mir, es war nicht schön. Frau Paulsen hatte natürlich sofort Wind davon bekommen. Sie zitierte mich noch vor der dritten Stunde in ihr Büro und stellte mich zur Rede. Ich bin fürs erste beurlaubt, werde mich aber an eine andere Schule versetzen lassen müssen. Ich habe es ihr und unserem guten Verhältnis zu verdanken, dass ich weiterhin als Lehrerin tätig sein darf.“

Ich wünsche mir Glück (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt