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Ich rutschte die Kabine hinab und schlang die Arme um meine angewinkelten Beine. Tausende Gedanken schossen durch meinen Kopf. Als sich Schritte näherten, versteifte sich mein Körper. Mein Herz setzte aus und schlug dann mit voller Wucht gegen meinen Brustkorb. Ich schloss die Augen, legte meine Stirn auf die Knie und betete, dass es nicht die drei waren. Jemand betrat den Raum und ein leises wimmern drang über meine Lippen. „Bitte.. nicht, lasst mich in Ruhe...“ Jemand kniete sich neben mich und legte einen Arm um meine Schulter. In diesem Moment war mir jedoch nicht bewusst, wer da neben mir kniete. Mein Körper zitterte und versuchte, sich gegen die Berührung zu wehren. „Beruhige dich, Emma. Ich bin es.“ Mareike drehte sanft meinen Kopf in ihre Richtung. Besorgt blickte sie mich an und streichelte über meine gerötete Wange. „Waren die das?“ Ich nickte und schluchzte auf. Kurz darauf flossen die Tränen unaufhaltsam über meine Wangen. Mareike schloss mich in ihre Arme und redete beruhigend auf mich ein. Dies hatte zur Folge, dass ich noch mehr weinte. Minuten vergingen, ehe ich mich wieder etwas beruhigte. Sie drückte mich behutsam von sich und musterte mich. „Kannst du aufstehen?“ Ich zuckte mit den Schultern und blinzelte die Tränen weg. „Ich... weiß nicht.“ - „Komm, wir versuchen es. Ich stütze dich.“ Obwohl meine Beine zitterten, stand ich doch relativ sicher. Dies war wohl Mareike zu verdanken, deren Arm um meine Hüfte gelegt war. „Ich bring dich jetzt zum Auto und dann fahren wir zu deinen Eltern.“ Ich nickte und hob meine Mundwinkel leicht an. „Danke, dass du da bist.“

Am Wagen angekommen, setzte sie mich behutsam in den Beifahrersitz und legte den Sicherheitsgurt um. Dann ging sie ums Auto und setzte sich ebenfalls hinein. Die ganze Rückfahrt sagte keiner von uns ein Wort. Auch als wir zuhause ankamen, hatte sie mich noch nicht gefragt, was passiert war. Anscheinend sollte ich von mir aus anfangen zu reden. Aber ich fühlte mich noch nicht bereit dazu. Ich hielt die Luft an, als wir den Flur betraten und atmete dann hörbar aus. Meine Eltern schienen schon zu schlafen. So musste ich ihnen wenigstens nicht auch noch erklären, was mit mir los war. „Ich würde gerne baden. Ist das okay?“ Das Zittern hatte nachgelassen. Trotzdem fühlte ich mich ziemlich schwach und war noch nicht bereit, alleine zu sein. „Natürlich darfst du das. Soll ich dich begleiten?“ Ich nickte und ging mit ihr die Treppe hinauf. Noch immer hielt sie meine Hüfte eng umschlungen.

Im Badezimmer setzte sie mich auf den Rand der Wanne und drehte den Hahn auf. Ich machte keine anstalten, mich auszuziehen und blickte stumm in ihr Gesicht. „Ich kann gerne vor die Tür gehen, bis du in der Wanne sitzt.“ - „Nein, ist schon okay. Ich brauche nur einen Moment.“ Ich starrte auf das fließende Wasser und zog langsam mein Shirt über den Kopf. Ein heftiger Schmerz durchfuhr meinen Körper, als ich meine Hände auf den Rücken legte, um den BH zu öffnen. Sofort war Mareike an meiner Seite und sah mich besorgt an. „Was ist denn los, Liebes?“ Ich drehte mich wortlos ein wenig nach links und zeigte ihr meinen Rücken. „Ist es sehr schlimm?“ Kühle Finger strichen über meinen Rücken. Ehe sie etwas erwidern konnte, schluchzte sie auf und drehte mich zu sich. Es zerriss mir das Herz, sie weinen zu sehen. Vorsichtig legte ich eine Hand an ihre Wange, wischte die Tränen mit meinem Daumen weg  und musste mich zusammenreißen, nicht selbst zu weinen. „Es sieht schlimm aus, Emma. Wer waren die Leute, die so fluchtartig die Toiletten verlassen haben? Haben die dir das angetan? Bitte sag es mir.“

Ich nickte zögernd und umschlang meinen Körper. Mein Blick richtete sich starr auf einen Punkt an der Wand. „Sieh mich bitte an, Emma.“ Ich tat es nach kurzem zögern. Meine Lippen zitterten und ich drückte meine Arme noch etwas fester um mich. Mareike griff an mir vorbei und stellte das Wasser ab. Dann richtete sie ihren Blick erneut auf mich und legte eine Hand auf mein Knie. „Haben die noch etwas anderes mit dir gemacht?“ Ich biss mir auf die Lippen und seufzte tief. „Ja.., aber ich will nicht darüber reden.“ - „Das solltest du aber. Wenn du alles in dich hineinfrisst, wird es dich kaputtmachen.“ Ich löste die Arme von meinem Körper und erhob mich. Meine Beine trugen mich zum anderen Ende des Raumes. Mareikes Blicke waren mir durchaus bewusst, aber ich konnte sie einfach nicht ansehen. „Ich weiß...“ Sie seufzte und stand ebenfalls auf. Sie kam langsam auf mich zu und blieb mit etwas Abstand hinter mir stehen. „Willst du etwas Zeit für dich haben?“ - „Nein. Ich will das du bleibst. Kannst du mir Schlafsachen aus meinem Zimmer holen? Dann steig ich schon mal in die Wanne.“ Ohne ein weiteres Wort verließ sie das Bad. Ich entledigte mich meiner Klamotten, ging zur Wanne und stieg hinein. Sofort umhüllte mich das Wasser und erwärmte meinen Körper langsam. Ich schloss die Augen, rutsche etwas tiefer und genoss die angenehme Stille.

Es dauerte einige Minuten, bis Mareike das Badezimmer wieder betrat. Sie legte die Klamotten auf den kleinen Schrank und setzte sich neben die Wanne auf den Fußboden. Ich hatte sie nicht kommen hören und erschrak, als eine Hand über meine Wange strich. Ich richtete mich auf und strich meine nassen Haare aus dem Gesicht. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken. Deine Sachen liegen auf dem Tisch. Ich hoffe, die sind in Ordnung.“ Ich nickte und legte einen Arm auf den Rand der Badewanne. „Danke. Ich habe nachgedacht und möchte dir erzählen, was heute passiert ist.“ Ihre Hand legte sich auf meine. Wie von selbst verschränkten sich unsere Finger miteinander. „Das ist gut, Liebes. Fang an, wenn du soweit bist.“ Ich seufzte und legte mir innerlich die Worte zurecht. „Die Leute, die du vorhin gesehen hast, waren meine ehemaligen Mitschülerinnen. Sarah und Marie. Wegen den beiden habe ich die Schule gewechselt. Die Jungs waren mir unbekannt. Auf jeden Fall war ich überrascht. Ich hätte niemals damit gerechnet, die beiden je wieder zu sehen. Sie haben mich sofort nach dir gefragt und waren total angewidert, als sie erfahren haben, dass wir ein Paar sind. Marie dachte doch ernsthaft, dass du meine Mutter wärst.“ Ich lachte verzweifelt auf und wischte die Tränen aus meinen Augen. „Das hat mir mehr weh getan, als alles andere, was danach geschehen ist. Sarah meinte dann, dass es mit einem Typen so viel besser wäre und Marie ging los, um ihn zu holen. Er hat mich angefasst und als ich mich wehren wollte, hat er die Hand gegen mich erhoben. Es war schrecklich. Ich stand unter Schock und konnte mich nicht rühren. Ich habe all das zugelassen, weil ich wusste, dass ich keine Chance hatte. Wärst du nicht gekommen, wäre er sicherlich noch weiter gegangen. Aber dies war ja zum Glück nicht der Fall.“

„Oh Emma, es tut mir so wahnsinnig leid. Ich mache mir schreckliche Vorwürfe. Ich hätte schon viel eher nach dir sehen sollen. Dann wäre das alles nicht passiert.“ - „Nein. Sag das bitte nicht. Es ist nicht deine Schuld.“ Ich drehte mich etwas in der Wanne, legte meine andere Hand auf ihre Wange und lächelte sie an. „Ich liebe dich sehr und werde es immer tun.“ Sie nickte und schloss die Augen. „Ich dich auch, Liebste.“

Ich lag seit einer Stunde wach im Bett und versuchte einzuschlafen. Aber es gelang mir nicht. Immer wenn ich die Augen zumachte, sah ich ihn vor mir. Es war schrecklich und schlauchte mich sehr. Ich drehte meinen Kopf und blickte zu Mareike. Das Mondlicht, welches durch mein Fenster schien, erhellte ihr Gesicht. Sie hatte den Mund leicht geöffnet und atmete gleichmäßig ein und aus. Es beruhigte mich ungemein, sie neben mir zu wissen. Ich streichelte lächelnd über ihre Wange und richtete meinen Blick wieder an die Zimmerdecke. Als ich die Augen erneut schließen wollte, piepte plötzlich mein Handy. Ich vergewisserte mich, dass Mareike nichts gehört hatte und nahm es dann zur Hand. Das helle Licht brannte in meinen Augen. Ich blinzelte ein paar Mal, um mich daran zu gewöhnen. Ich stutzte, als ich eine mir unbekannte Nummer im Display las. Wer schrieb mir zu so einer unchristlichen Zeit? Es war bereits nach 3 Uhr morgens. Die Neugierde siegte und so öffnete ich die Nachricht kurzerhand. 'Hi Emma, mein Kumpel war sehr angetan von dir und würde dich gerne erneut treffen. Wenn dir deine Schlampe wichtig ist, würde ich tun, was er sagt. Es könnte ansonsten sehr unangenehm für euch beide werden. Sarah'

Ich war geschockt und belustigt zugleich. Was dachte sie denn von mir? Als ob ich mich auf so etwas einlassen würde. Die letzten beiden Sätze klangen allerdings alles andere als gut. Log sie, oder hatte sie wirklich etwas in der Hand? Ich wollte ihr soeben schreiben, dass sie sich ihre Erpressung sonst wo hinstecken könne, als eine weitere Nachricht eintraf.

'Wenn dich das bisher nicht überzeugt hat, wird es dieses hübsche Bild ganz bestimmt tun. Man müsse es nur an die richtigen Leuten schicken und schon ist alles vorbei. ;-)

Ich traute meinen Augen nicht und hätte beinahe das Handy fallen gelassen, als ich das Bild sah, welches sie mir zugeschickt hatte. Es zeigte Mareike und mich. Wir hielten uns an der Hand und lächelten glücklich. Es war nicht zu leugnen. Ich wusste, dass Sarah eine falsche Schlange war, aber das sie so weit gehen würde, hätte ich nie für möglich gehalten. Tränen stiegen in meine Augen und mit größter Beherrschung schaffte ich es, ein schluchzen zu unterdrücken. Ich wollte um jeden Preis vermeiden, dass Mareike aufwachte und Fragen stellte. So weinte ich einfach stumm und lass die Nachrichten, bis sie vor meinen Augen verschwammen. Irgendwann siegte dann doch noch die Müdigkeit und ich fiel in einen unruhigen Schlaf.

Ich wünsche mir Glück (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt