"Hira ist den Gefechten der Liebe unterworfen. Ihr reines und doch mit Narben versehenes Herz stellt sich ungewollt der blanken Tatsache, dass sie sich aus den Fängen der Liebe befreien und in die Arme der Distanz werfen muss. Denn sie ist nicht bereit, anderem Schmerz zu geben, um das eigene Glück zu erlangen. Hira ist das Blut, dass in den Adern pumpt, das sogleich zu diesem gehört und doch so weit von diesem entfernt ist. Das Blut, das sie belebt und doch das Blut, das mit jedem Tropfen Schmerz von ihr geht." - Sevdalardiyari
Am nächsten Tag fühlte ich mich erschlagen, doch war froh darüber, dass ich von Früh bis Nachmittag arbeiten war, weswegen ich nicht die Zeit zum Nachdenken hatte. Ich wusste, dass es nichts brachte, vor seinen Gedanken zu fliehen, doch gerade hatte ich nicht die Kraft, um über irgendwas nachzudenken.
Während ich nach Schichtenende zu meinem Auto lief, bekam ich einen Anruf. Meyra. War es zu viel verlangt, dass ich nicht nachdenken wollte? Tief seufzend nahm ich den Anruf entgegen.
"Hallo Meyra." "Hallo Hira, wie geht es dir?", trillerte sie glücklich.
"Gut und dir?" "Sehr gut. Hast du Zeit? Können wir uns treffen?" "Ich habe den ganzen Tag gearbeitet Meyra, können wir uns wann anders treffen?" "Ach komm schon, Hira. Sei keine Spielverderberin, außerdem muss ich dir etwas erzählen und wir müssen ja nicht bis spät in die Nacht bleiben." "Meyra-" "-Hira bitte!" Erneut seufzte ich. "Okay, dann um 19 Uhr?" "Okay, ich schreibe dir dann, wo wir uns treffen." "Bis dann", sprach ich und legte auf. Zuhause angekommen, duschte ich kurz, zog mir eine einfache Bluse und Jeans an, nachdem ich meine Wimpern getuscht hatte, machte ich mich auf den Weg in das Café.Dort angekommen sprang mir Meyra fast schon um den Hals, was mich wunderte. Seit wann waren wir so dicke? Was hatte ich verpasst?
"Wie geht es dir? Hast du noch Schmerzen?", fragte sie auf meine Handgelenke deutend, was mir unangenehm war.
"Alles bestens mach dir keine Sorgen." "Dir soll es auch gut gehen!", lächelte sie mich an.
"Was wolltest du mit mir besprechen?" Ihre Augen leuchteten auf und sie steckte sich nervös eine Strähne hinters Ohr.
"Also eigentlich redet man ja nicht über sowas, aber ich musste das einfach mit jemandem teilen, weil es mich so glücklich gemacht hat." Fragend blickte ich zu ihr. Was versuchte dieses Mädchen mir zu sagen? Und wieso hatte ich so wenig Geduld für sie?
"Also, Ali und ich-" sie hielt inne und biss sich lächelnd auf die Unterlippe. Wieso hatte ich das Gefühl, dass ich gleich etwas hören würde, was mir ganz und gar nicht gefallen würde?
"Wir-also wir haben uns geküsst." Geküsst? Ali? Meyra? Aber-?
"Hira, das war so ein unbeschreibliches Gefühl, diese Schmetterlinge und-" Okay, Stopp! Wie ging die Sache mit dem Nicht-Hinhören nochmal? Doch ich hatte Glück, denn mein Hirn wollte ihre Worte nicht aufnehmen. Meine Ohren hörten sie, doch ich verstand sie nicht. Ich verstand sie nicht, doch ich verstand die Worte danach nicht. Doch was war mit den Worten davor?
Sie hatten sich geküsst, Ali hatte sie geküsst. Ich hatte das Gefühl, dass mein Brustkorb zerbersten wollte! Es fühlte sich so an, als ob mein Herzschlag sich beschleunigt hatte, nur um dann müde zu erschlaffen. Mein Atem verschnellerte sich, doch äußerlich war ich total ruhig, so als ob ich aufgehört hatte zu atmen. In meinem Bauch bildete sich ein unerklärlicher Schmerz, der meinen Körper krampfhaft zusammenziehen lassen wollte. Ich fühlte mich so erbärmlich. Was hatte ich mir gedacht? Verdammt, wieso traf mich diese Tatsache nur so hart?!
Sie waren in einer Beziehung! Sie trug seinen Antragsring, sie würden sich verloben, sie würden heiraten! Also musste ich mich damit abgefunden haben! Doch nein, so einfach war das alles nicht, denn ich wusste, je mehr sich Ali Meyra nähern würde, je weiter ihre Beziehung gehen würde, umso mehr musste ich Abstand zu ihm halten. Zu meiner Liebe, meinem Fels in der Brandung, meinem Helden, meiner Kindheit, meinen glücklichen Tagen. Und ich war nicht bereit dazu, nicht bereit dazu, all das aufzugeben. Nicht bereit dazu Ali aufzugeben. Es war so unfair, so unfair, dass ausgerechnet ich, diejenige, die ihn so sehr brauchte, auf ihn verzichten musste. Wieso konnte man seine Gefühle nicht abschalten? Wieso bekam ich nur die Schattenseiten der Liebe mit? Wieso war ich, wieso war meine Liebe zum Scheitern verurteilt?
"Hira? Hast du Schmerzen?", weckte mich Meyras Stimme aus meinen Gedanken. Erst da fiel mir auf, dass ihre Blicke auf mein linkes Handgelenk fixiert waren, wo die Finger meiner rechten Hand lagen und über mein Tattoo strichen und somit auch über meine Narbe.
"Etwas, tut mir leid Meyra, aber mir geht es nicht so gut." "Nein, nein, es tut mir leid, wir hätten uns wirklich an einem anderen Tag treffen sollen." "Ist okay." Ich griff nach meinem Portmonee. "Geht auf mich." "Das kann ich nicht annehmen, Meyra." "Hira! Du bist extra nur wegen mir hierhergekommen, obwohl es dir schlecht geht, bitte lass mich zahlen!" Ich war nicht in der Lage so einen banalen Streit zu führen, weswegen ich nickte, als ich aufstand, zog mich Meyra in eine Umarmung.
"Danke, dass du trotzdem gekommen bist." "Gern." Kurz hielt ich inne. "Glückwunsch, dir und Ali", sprach ich und fragte mich im Nachhinein, ob meine Worte nicht überflüssig und total unnötig waren.
"Danke!", lächelte sie auch mich an.
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Zum Scheitern verurteilt
General Fiction"Sie waren gemeinsam in den Strömen dieser Welt und stürzten einsam von den Klippen dieser Welt." Da stand er nun vor mir. Schmerz spiegelte sich in unseren Augen wider. Wir hatten verloren. Wir hatten uns selbst verloren. Wann war das nur geschehe...