"Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist."
Als ich dabei war für die Naht anzusetzen, um die offene Brust zu schließen, merkte ich, wie es anfing in meinem rechten Arm zu kribbeln. Erst kribbelte es, welches sich jedoch dann in eine Lähmung verwandelte. Dasselbe geschah dann auch mit meinem Bein.
"Frau Doktor Alaca geht es Ihnen gut?", fragte einer der Schwestern, worauf ich lediglich nickte, denn auch meine Zunge fühlte sich gelähmt an, das Reden schien unmöglich.
"Du kannst", brachte ich schwer und leicht unverständlich raus, während ich die Nadel dem OP-Assistenten reichte. Ich bemerkte, wie alle Blicke miteinander austauschten, doch war nicht in der Lage das zu beachten. Es kam nun das zweite Mal in einer OP vor. Mit welchem Mut war ich in diese OP gegangen? Mit welcher Hochmütigkeit?
Es war so verdammt gefährlich! Eine offene Herz-OP, wie hatte ich da so unbedacht handeln können? Was wäre gewesen, wenn diese Lähmung mitten in der OP aufgetreten wäre und nicht, als sie schon zu Ende war? Was, wenn ich meine Hand nicht im Griff gehabt hätte und etwas Falsches getan hätte, wie hätte ich mit dieser Last leben sollen?
Während ich über all das nachdachte, holte mich auch noch eine Übelkeit ein. Und ich wusste, meine Vorahnung würde sich bestätigen, ich wusste, ich konnte nicht davor fliehen.Als ich sah, dass die Naht vollzogen war und die Lage des Patienten stabil und somit auch die Op endgültig beendet war, lief ich ohne Worte aus dem OP-Saal. Die Lähmung verfolgte mich.
Im Klo wusch ich mir mit eisig kaltem Wasser das Gesicht und die Arme, in der Hoffnung, dass es besser werden würde, wissend, dass es nichts bringen würde. Langsam ließ ich mich auf den Boden gleiten.
"Ist es nun soweit, dass du es ohne mich nicht mehr aushältst und mich zu dir holen willst?", flüsterte ich, während die Lähmung langsam wieder zurückging. Eine Weile saß ich da, während auch die restliche Lähmung zurückging und die Übelkeit. Ein Glück, denn sonst folgte immer ein Erbrechen.Es klopfte an der Tür. "Frau Doktor Alaca die Familie des Patienten wartet", hörte ich die Stimme einer der Schwestern und stand seufzend auf.
"Ich komme", entgegnete ich und sah dann in den Spiegel, kurz gab ich mir erneut kaltes Wasser ins Gesicht und band meine Haare zu einem strengen Zopf.
"Wie geht es meinem Ehemann?", fragte die Frau mittleren Alters besorgt, auch die Kinder sahen mich besorgt an, sie waren älter als Ali. Ihr Vater hatte es geschafft, hatte die OP geschafft und würde Zeit mit ihnen verbringen können.
Doch wusste ich, dass mein Sohn bezüglich mir nicht dasselbe Glück haben würde.
"Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Die OP ist besser verlaufen, als gedacht. Obwohl sie etwas länger gedauert hat als geplant, kam es zu keinen Komplikationen. Ihrem Mann geht es gut, er ist gerade auf der Intensivstation, doch es gibt keinen Grund zur Sorge. Gute Besserung." "Danke, vielen Dank!" "Das ist mein Beruf", sprach ich lächelnd und verschanzte mich dann in mein Büro.Bis zum nächsten Morgen blieb ich in meinem Büro. Sah mir die Akten an und die bevorstehenden wichtigen OPs, welche ich an andere Ärzte abgeben wollte, da meine Kündigung schon geschrieben war. Jetzt musste ich sie nur noch meinem Vorgesetzten vorlegen. Ich legte mich auf die Liege, da ich mein Büro auch als Behandlungszimmer nutzte, es war praktischer. Ich wollte mich etwas ausruhen, bevor ich meine Kündigung abgab. Ich lag gerade mal 30 Minuten, da fingen schon die Kopfschmerzen an. Seufzend stand ich auf und entschied durch die Flure zulaufen, um Abschied zu nehmen. Nach Beendigung meiner Ausbildung hatte ich angefangen hier als OP-Assistentin zu arbeiten, bis ich mich irgendwann dazu entschied, besser gesagt von Ali gezwungen wurde, ein Medizinstudium anzufangen. Während dem Studium hatte ich weiterhin hier in diesem Krankenhaus gearbeitet und nach Beendigung auch, doch dann als Kardiologin.
"Hira", hörte ich eine Stimme nach mir rufen, während ich durch die Gänge irrte. Als ich mich umdrehte, erblickte ich Elisa und lief lächelnd zu ihr.
"Wie geht es dir?", fragte sie mich, ich nickte nur. "Hira, was ist?" Tief atmete ich durch.
"Ich brauche deine Hilfe." Ihre Konzentration lag jetzt ganz bei mir.
"Klar gerne. Wobei denn?" "Für einen CT." Irritiert sah sie zu mir.
"Solltest du da nicht eher Dr. Kämmerer aufsuchen?" Elisa war Neuroradiologin, weswegen mich ihre irritierte Art nicht wunderte.
"Nein Elisa, ich brauche dich." Das Ich betonte ich extra, worauf sie mich genau inspizierte.
"Worauf willst du hinaus, Hira?" "Ich werde es dir gleich erzählen, lass uns zur Radiologie." Zum Glück war es viel zu früh, als das irgendjemand in der Radiologie hätte sein können.
"Dann lass mich noch zwei Krankenschwestern aufsuchen." "Nein. Niemand soll dabei sein, außer du." "Hira, das geht nicht. Du weißt das doch." "Bitte, bitte Elisa", bat ich sie. Tief atmend nickte sie, worauf wir stillschweigend zur Radiologie liefen.
"Was ist deine Vermutung?", fragte sie mich. "Hirntumor", antwortete ich. "Ist das dein Ernst?", fragte sie laut, worauf sich eine Krankenschwester, die gerade durch den Flur lief zu uns drehte und uns neugierig musterte.
"Bitte sei ruhig. Es ist nur ein Verdacht, mehr nicht." "Nur ein Verdacht? Das glaubst du doch selber nicht!" Auf ihre Worte blieb ich still, denn ich hatte nichts mehr zu sagen.
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Zum Scheitern verurteilt
Ficção Geral"Sie waren gemeinsam in den Strömen dieser Welt und stürzten einsam von den Klippen dieser Welt." Da stand er nun vor mir. Schmerz spiegelte sich in unseren Augen wider. Wir hatten verloren. Wir hatten uns selbst verloren. Wann war das nur geschehe...