XXI

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Die Sonne blendete mein Gesicht, als ich mich von meiner Decke befreite. Anscheinend hatte mich gestern noch jemand zugedeckt und mir die Schuhe und Jacke ausgezogen. Ich setzte mich aufrecht hin und sah auf meinen Wecker. Donnerstag 12:23. Mein Vater hatte mich wohl schlafen lassen. Ich hatte ihn jetzt zwei Tage lang gar nicht mehr gesehen. Das klingt vielleicht nicht so viel, aber da mein Vater mein ganzes Leben bei mir war, konnte ich mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. 

Ich war jetzt die ganze Woche nicht in der Schule und heute würde ich auch nicht dazu kommen. Also schrieb ich Clary und fragte sie, ob sie mir doch bitte den Stoff der Woche und Hausaufgaben schicken könnte. Danach ging ich ins Bad, duschte, putzte mir die Zähne, machte mir meine Haare zu einem Zopf und zog mich an. Graue Jogginghose und weinroter Pulli. Ich verließ mein Zimmer und wollte gerade die Treppe runtergehen, als ich die angelehnte Zimmertür von Liam sah. Ich ging rein. Seit ich das letzte Mal hier drin war, hatte sich nicht viel verändert. Der Atlas, der auf seinem Schreibtisch gelegen hatte, war zu den anderen Büchern gestellt worden. Auf dem Bett lag irgendein Buch, welches wir für die Schule lesen sollten. Ich hob es auf und setzte mich auf Liams Bett. Ein Lesezeichen hing aus dem Buch und machte mich neugierig, sodass ich das Buch. Ein einziger Satz wurde markiert. 

"Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich sie auch klingen mag"

Warum hatte er genau diesen Teil markiert? Ich stand auf und nahm das Buch mit in mein Zimmer. Danach ging ich runter und stieß gegen Fiona, die gerade aus der Küche kam. 

„Bree! Wie schön dich mal wieder zu sehen. Warst ja lange nicht mehr hier", sie lachte. 

„Ja, das stimmt. Hab im Moment so ein bisschen viel um die Ohren."

„Ich dachte du hättest bei Clary übernachtet." 

„Hab ich auch, aber nur weil wir ein Projekt zusammen machen mussten." 

„Achso, na dann. Scott ist in der Küche, falls du ihn suchst." Ich bedankte mich und ging in die Küche. 

„Guten Morgen Schatz", begrüßte mich mein Vater. Ich umarmte ihn kurz, nahm mir ein Glas und schenkte mir Orangensaft ein.

„Wie war es eigentlich auf eurem Schulball und bei Clary?" 

„Äh..ja, war gut. Wir hatten Spaß und haben getanzt. Mit Clary musste ich ja an einem Projekt arbeiten, also war das nicht so spaßig, aber der Ball war gut." Ich hasse lügen. 

„Ist doch schön, dass du Spaß hattest. Ich arbeite heute von zu Hause, also bin ich die ganze Zeit bei dir. Geht's dir denn besser?" Ich nickte und trank den Orangensaft. 

„Darf ich dich mal was fragen?" 

„Ja klar Schatz, was gibt's?" 

„Was würdest du tun, wenn du glaubst, dass eine dir nahstehende Person dir und der Welt etwas sehr Wichtiges verschweigt?" Er runzelte die Stirn: „Das ist jetzt ganz schön speziell, aber ich würde ihn wahrscheinlich zur Rede stellen." 

„Ok...das ist gut. Darf ich dich noch etwas fragen?" 

„Das musst du doch nicht fragen. Du kannst mich immer alles fragen." Jetzt geht's los. 

„Hast du ein Heilmittel gegen Krebs gefunden und verschweigst dieses jetzt jedem?" Er wirkte geschockt und stotterte:„Woher...woher weißt du das?" 

„Es ist also wahr.", stellte ich fest. Projekt Life hatte Recht gehabt. Mein Vater hatte ein Heilmittel das so vielen Menschen das Leben retten könnte und er behielt es für sich. Plötzlich wurde ich sauer: „Wie kannst du nur? Jeden Tag sterben so viele Menschen, die durch dieses Mittel gerettet werden könnten. Und was machst du? Du verschweigst es und lässt tausende Menschen möglicherweise sterben. Warum tust du das?" 

„Bree, du hast ja Recht. Ich hätte es nicht verschweigen sollen, aber es ist durch Zufall entstanden." 

„Das macht die Sache doch nicht besser!" 

„Nein, das tut sie nicht, aber lass es mich dir erklären." Er ging ins Esszimmer und ich folgte ihm. Er setzte sich und holte tief Luft: „Es fing alles damit an, dass ich versuchen wollte die Tarnfähigkeit von Chamäleons nachzumachen. Ich wollte es schaffen ein Spray zu erfinden, das es einem ermöglicht sich ebenfalls an die Umgebung anzupassen. Testen tat ich es, indem ich es mir auf die Haut sprühte. Ich spritze es mir sogar. Doch es funktionierte nicht. Ich gab verschiedene Stoffe dazu, aber nichts passierte. Du must mir jetzt versprechen, dass du nicht ausflippst." 

Ich war verwirrt. Ich war doch schon ausgeflippt. Was konnte denn noch schlimmer sein? Er seufzte: „Erinnerst du dich an diese ganzen Tage, an denen ich später nach Hause kam? Ich war beim Arzt." Bis jetzt war doch noch nichts schlimm. Ich wusste von seinen Arztbesuchen. 

„Er hatte bei mir Krebs diagnostiziert. Hautkrebs. Ich hatte es dir verschwiegen, weil..." 

Weiter kam er nicht, denn ich schrie ihn an: „Das ist doch nicht dein Ernst! Du willst mir sagen du hast Krebs und hast es mir verschwiegen? Du spinnst doch!" Ich fing an zu schniefen und eine Träne rollte über meine Wange. Mein Vater stand auf und umarmte mich. 

„Bree, alles ist gut. Ich hatte Krebs. Hatte. Denn nachdem ich mir das Mittel nochmal gespritzt hatte und beim Arzt war, sagte er ich wäre geheilt." Ich sah ihm in die Augen und atmete erleichtert aus. 

„Als er mir das sagte war ich ratlos. Ich wusste nicht wie das passieren konnte. Als ich am nächsten Tag ins Labor kam und noch die Spritze auf meinem Tisch sah, dämmerte es mir. Es musste mich geheilt haben. Mein nicht funktionierendes Anpassungsmittel funktionierte. Nur in einer anderen Funktion als geplant. Dem einzigen, dem ich von meinem Krebs erzählt hatte, war mein Laborpartner. Wir teilen uns nur das Labor, arbeiten aber nicht zusammen. Dadurch kamen wir ab und zu ins Gespräch. Ich erzählte ihm, dass ich aufgrund des Krebses die nächsten Tage wahrscheinlich zu Hause bleiben würde. Also rechnete er am nächsten Tag nicht mit mir. Als ich auftauchte, fragte er mich aus und ich erzählte ihm, dass ich geheilt war. Er konnte es nicht glauben und fragte wie ich es geschafft hätte. Mein größter Fehler war, dass ich es ihm erzählte. Er wollte es an die Öffentlichkeit bringen." 

„Aber das ist doch gut, oder nicht?" 

„Doch klar, aber er wollte es verkaufen, teuer und zwar sofort. Es gibt viele Menschen, die nicht genug Geld haben." 

„Aber warum hast du es denn nicht einfach veröffentlicht?" 

„Ich wollte es testen. Wenn man etwas erfindet, muss es getestet werden. Man weiß nie was für Nebenwirkungen es haben könnte. Vielleicht heilt das Mittel nur Hautkrebs von Leuten, die wie ich Blutgruppe B Positiv haben. Es ist gefährlich und deswegen wollte ich es erstmal testen. Das ist aber nicht der einzige Grund. Er hat mich bedroht. Er sagte, dass er meine Familie verletzen würde und ich würde es bereuen. Ich wollte es nicht riskieren und glaub mir, jeden Tag muss ich an die Menschen denken, die meinetwegen sterben. Ich kann Fiona, Liam und dich einfach nicht verlieren." 

„Das verstehe ich, aber vielleicht sterben dann noch viel mehr Menschen. Wir sind nur drei. Es tut mir leid, dass ich dich so schnell verurteilt habe. Dann geben wir es jetzt in die Testung und dann soll er doch kommen. Wir werden ja sehen was er macht. Wie heißt er eigentlich?" 

„Sein Name ist Daniel Walker."

-HECTA 35-                                                  Agentin wider WillenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt