Der Mann der mir gegenüber stand, sah genauso aus wie Shawn. Ganz ehrlich. Die gleichen Haare, Sommersprossen und braunen Augen. Der einzige Unterschied war, dass der Mann vor mir eine auffällig große runde Brille trug und natürlich nicht Shawn war. Er war ungefähr Anfang vierzig und trug einen schwarzen Anzug. Die Krawatte, die um seinen Hals hing, ließ ihn streng aussehen. Trotzdem zierte ein Lächeln sein Gesicht und zeigte seine strahlend weißen Zähne. Ich hätte ihn glatt für Shawns Vater gehalten, aber der war tot. Oder hatte mich Shawn angelogen?
„Bree Sheppard!", sagte er freudig, sah an mir runter und zog mich in eine Umarmung. Ich war überrascht. Meine Arme wurden an meine Seiten gedrückt und ich hielt die Luft an. Das Gefühl war komisch. Ich kannte ihn ja nicht. Das ist wie, wenn dich Bekannte deiner Eltern umarmen. Du kannst dich überhaupt nicht an sie erinnern und sie kommen mit Sätzen wie "Wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen" oder "Du bist ja groß geworden". Du stehst dann da und denkst dir wer zur Hölle sind diese Leute? Dann ließ er mich los und trat zurück.
„Es ist schön dich zu sehen. Ich bin Daniel Walker und führe dieses wunderbare Unternehmen. Ist es nicht toll Menschen zu helfen?", fragte er an Livia gerichtet, die nur nickte.
„Also, wenn du mir bitte folgen würdest.", fuhr er fort und drehte sich um. Ich war noch so überrumpelt von Daniel Walker, dass ich einfach stehen blieb. Livia schob mich in Walkers Richtung und ich stolperte los.
„Jake hat dir ja schon erzählt was wir hier machen und warum du so wichtig bist. Wir haben vor ungefähr einem Jahr den Versuch gestartet uns mit deinem Vater in Verbindung zu setzten, aber der wollte leider nichts mit uns zu tun haben. Ich mache dir also hiermit einen Deal.", Daniel Walker machte eine Pause und schloss eine Tür auf. In dem weißen Raum waren keine Fenster. Ich wusste nicht, woher das Licht kam, aber es war hell in dem Raum. Vor uns war ein Tisch mit Zetteln und zwei Stühlen. Daniel setzte sich auf den einen und deutete mir an, mich auf den anderen zu setzten. Ich nahm Platz und sah ihn misstrauisch an.
„Du besorgst uns das Heilmittel und ich setzte alles, wirklich alles in meiner Macht stehenden daran deinen Bruder zurückzubekommen.", schlug er vor.
„Ich würde den Deal wirklich gerne annehmen....", sagte ich mit einer Pause. Meine Stimme klang kratzig und trocken. Er sah mich erwartungsvoll an: „Aber?"
„...Aber ich weiß leider nicht wie ich ihnen helfen soll. Mein Vater hat mir nie etwas von einem Heilmittel erzählt und er wird seine Gründe haben, wenn er ihnen das Mittel nicht geben will. Es tut mir leid.", erklärte ich.
„Das muss es nicht. Es ist doch ganz einfach. Du willst deinen Bruder lebend zurück und alles was ich will, ist das du deinen Vater nach dem Heilmittel fragst und es mir bringst.", erwiderte er mit einem schroffen Unterton in seiner Stimme.
Ich hatte ihn verstanden. Das war unmissverständlich, was sollte ich denn tun. Selbst wenn er ein Heilmittel hätte, würde er es mir doch niemals einfach so geben. Ich hatte keine Wahl. Um meine Familie zu retten, musste ich auf die Erpressung eingehen und es versuchen.
„Ok, ich werde ihn fragen. Es gibt aber keine Garantie, dass er es mir gibt."
„Wir werden sehen.... danke. Hier, könntest du das noch unterschreiben und dann bringt dich jemand nach Hause." Er schob mir einen der Zettel hin, zog einen silbernen Kugelschreiber aus der Innentasche seiner Anzugjacke und zeigte mit diesem auf eine Linie unterhalb des Papiers.
„Was steht in dem Text?"
„Nur die Geschäftsbedingungen unseres Deals und das du damit einverstanden bist."
„Ich würde ihn mir trotzdem gerne durchlesen."
Er nickte. Zwei Minuten später war ich fertig und unterschrieb. Er hatte recht in dem Text stand nur was ich tun musste und das sie mir dann Liam zurück holen würden.
„Könnten Sie bitte auch unterschreiben! Einfach nur damit ich weiß, dass sie ihren Teil des Deals auch einhalten ", forderte ich.
„Aber natürlich.", sagte er und unterschrieb,„ Es ist schön mit ihnen Geschäfte zu machen Bree Sheppard."
Zwanzig Minuten später saß ich in einem Auto nach Hause. Den Fahrer kannte ich nicht. Ich starrte ich aus dem Fenster in die dunkle Nacht und dachte mal wieder über alles nach. Ich würde Liam zurück bekommen, das war im Moment das Wichtigste. Dann gab es noch Shawn. Ich zog mein Handy aus meiner Jackentasche und schrieb ihm.
Lieber Shawn, es tut mir alles wirklich schrecklich leid, können wir reden? Wenn du nicht willst dann kann ich das verstehen, aber gib mir bitte noch eine Chance und ich verspreche dir von ganzem Herzen, dass ich dich diesmal nicht sitzen lassen werde. Bitte. Wenn du mir die Chance gibst, dann komm doch morgen Abend zu mir. Wir sehen uns. Hoffentlich. Bree.
Ich packte mein Handy wieder in meine Jackentasche und lehnte meinen Kopf an das Fenster. Ich musste eingeschlafen sein, denn ich wurde unsanft geweckt, als jemand die Tür aufriss und mein Kopf zur Seite klappte.
„Wir sind da Miss." Ich schloss unsere Haustür auf und ging ins Wohnzimmer. Auf der Couch lagen Fiona und mein Vater, die vor dem Fernseher eingeschlafen waren. Ich deckte sie zu und ging in mein Zimmer. Ohne mich umzuziehen oder ins Bad zu gehen, legte ich mich aufs Bett und schlief erschöpft sofort ein.
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-HECTA 35- Agentin wider Willen
AventuraNeue Stadt, neue Familie, neues Leben. Die siebzehnjährige Bree Sheppard muss umziehen. Schuld daran ist ihr Vater, der Wissenschaftler ist und eine neue Frau hat, Fiona. Sie müssen aus der Großstadt New York zu Fiona und ihrem Sohn Liam nach Huntin...