Weitere Pläne

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Weitere Pläne

Der Baumstumpf lag hinter ihr. Sie ging langsam weiter vorwärts, den Blick fest auf den Startbaum gerichtet. „Bitte, bitte! Lass mich hier wieder rauskommen.“ Warum hatte sie auf einmal Angst? Was war anders? Ein Blick auf die Uhr machte deutlich, dass die Galerie in fünf Minuten schließen würde. Noch ein Schritt weiter und noch einer. Anisha kniff die Augen zusammen in der Hoffnung beim Öffnen der Augen die Halle erkennen zu können. Nichts. Es war noch immer nur Wald zu sehen. Sie schaute auf den Boden, ging weiter ein paar kleine Schritte auf den Baum zu. Wieder ein prüfender Blick Richtung Baum.

„Ja! Zum Glück! Danke, danke, danke!“ dachte sie innerlich und ihr Herz machte förmlich einen Freudensprung. Die Halle kam zum Vorschein. Anisha tastete sich an den Rand und versuchte den Hallenboden zu erreichen. Ja. Sie hatte endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Sie stand in der Halle und war unglaublich erleichtert. Wieso bloß hatte sie mit einem Mal diese Angst verspürt das Gemälde nicht verlassen zu können. Vermutlich, weil auch Emma nicht mehr raus konnte. Aber vielleicht wollte sie wirklich nicht zurück oder sie hatte sich schlicht verlaufen.

Anisha musste sich beeilen, um zeitig die Galerie verlassen zu können. Sie schaute nochmals auf die Uhr, die Zeit schien tatsächlich normal weiterzulaufen. Die letzten Besucher verließen gemeinsam mit Anisha die Galerie. Vor den Toren der Galerie atmete sie tief durch. Endlich frische Luft. Sie war zwar den ganzen Tag an der frischen Luft im Wald gewesen, aber diese Luft fühlte sich irgendwie frischer an und das Gefühl von Freiheit war unglaublich gut. Sie machte sich schnell auf den Weg nach Hause. Von unterwegs nahm sie ihr Handy aus der Hosentasche und rief ihren Bruder an. „Devin, hallo. Ich wollte die nur Bescheid sagen, dass ich auf dem Weg nach Hause bin. Du brauchst Purzel nicht zu versorgen. Danke nochmal, dass du so kurzfristig eingesprungen wärst. Ich würde aber nächste Woche gerne erneut auf dich zukommen, möglicherweise starte ich dann einen weiteren Versuch.“ „Ok, Schwesterherz. Ich plane das nächste Wochenende dann auch für dein Katerchen ein. Ich bin froh deine Stimme zu hören und bin froh, dass es dir gut geht. Mach dir einen schönen Abend!“ „Ok, mach ich! Ciao!“

Zuhause angekommen versorgte sie diesmal zuerst ihren Kater, damit sie es nicht wieder vergessen würde. Dann fuhr sie ihr Laptop hoch und stöberte ein bisschen im Netz nach Wäldern. Aber egal welche Kombinationen sie eingab, eine wirkliche Hilfe waren die Informationen nicht.

Sie stellte fest, dass sie ihr Lauftraining sehr vernachlässigt hatte, schnappte sich ihre Sportsachen und startete einen Lauf. Anstatt der üblichen schnellen fünf Kilometer weitete sie ihre Strecke auf zwölf Kilometer aus. Sie war an diesem Tag schneller als sonst, möglicherweise, weil noch jede Menge Energie von dem aufregenden Erlebnis in ihr steckte, was ihr aber mittlerweile eher wie ein Traum vorkam. Nach ihrer Rückkehr vom Lauf  lud sie ihre Laufdaten in den PC und dachte auf einmal darüber nach, dass die die ganze Zeit ihr Handy bei sich gehabt hatte im Wald und ihr nicht einmal der Gedanke kam Fotos zu machen. Sie hatte dort sicher keinen Empfang und hätte nicht um Hilfe rufen können – wozu auch – man würde sie im Gemälde so oder so nicht suchen oder finden. Aber sie hätte vielleicht ein Foto vom Wald oder von der Galerie machen können, um für Emma Hinweise zu hinterlassen. Das war eine gute Idee. Sie wollte am nächsten Tag wieder die Galerie aufsuchen und ein Foto vom Gemälde machen. Dieses Foto würde sie dann ausdrucken und bei ihrem nächsten Ausflug ins Kunstwerk für Emma dort irgendwo hinterlassen. Aber was, wenn es in falsche Hände geraten würde?  Anisha wischte den Gedanken schnell wieder aus ihrem Kopf.

Am nächsten Tag suchte Anisha erneut die Galerie auf. Sie wollte diesmal nicht in das Kunstwerk eintauchen, sondern lediglich Fotos von dem Gemälde und der Gedenktafel machen. Zuhause am Laptop bearbeitete sie die Gedenktafel. Den Namen „Emma“ verwischte sie, damit dieser nicht leserlich war. Sie wollte auf keinen Fall riskieren, dass der Name von Emma im Wald zu sehen war. Sie wusste ja auch nicht, ob Emma dort vielleicht etwas zugestoßen war, oder ob sie sich vor irgendwas oder irgendwem verstecken würde.

Sie musste diese Woche irgendwie hinter sich bringen und wollte am nächsten Samstag erneut die Suche nach Emma fortführen. Diesmal wollte sie auch zügiger vorankommen und sich weiter in das Abenteuer hineinwagen. Sie plante diesmal definitiv eine Übernachtung ein. Ihr Bruder war darauf vorbereitet und würde zur Zeit keine weiteren Fragen stellen. 

Wo ist Emma?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt