Ertappt

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Ertappt

  

Anisha wagte kaum, sich zu bewegen. Sie hatte keine Ahnung, wer hinter dieser Stimme steckte. Konnte es ein Wachtmeister sein? Freddy war es jedenfalls nicht, dass hätte sie an der Stimme erkannt. Oder hatte er die Stimme verstellt, um sie zu erschrecken? War es möglicherweise ihr Chef, der verärgert darüber war, dass sie tagelang nicht zur Arbeit erschienen war?

Sollte sie sich umdrehen und schauen, wer sie angesprochen hatte? Oder sollte sie sofort die Flucht ergreifen und wieder ins Bild verschwinden? Nein - das war unmöglich nach ihren Erfahrungen. Um ins Gemälde einzutauchen müsste sich sie darauf einlassen. Das dauerte zwar mittlerweile nur noch wenige Sekunden, aber sie war viel zu aufgeregt, um sich zu entspannen. Außerdem müsste sie dann Lupo zurücklassen. Sie hatte die Befürchtung, dass er ihr so flott nicht folgen konnte, falls sie es überhaupt selbst schaffen würde. Da er keinen Chip hatte, würde man ihn vermutlich ins Tierheim bringen. Das wollte und konnte sie dem armen Kerl nicht antun.

Anisha atmete tief durch und dachte "so ein Mist - was hatte Alo noch gesagt: Vielleicht hörst du zur Abwechslung mal auf dein Bauchgefühl! Hast du das getan du dumme Nuss? Nein. Ich wusste, dass was nicht stimmt und bin trotzdem in die Galerie gestiefelt - toll!"

Langsam drehte sie sich in Richtung der Stimme. Diese hatte in der Zwischenzeit keinen weiteren Ton von sich gegeben. Vielleicht hatte sie sich die Stimme auch nur eingebildet. Nein - da standen sie - sechs Polizeibeamte, einige Wachtmeister von der Galerie, ihr Chef und die Presse. Sobald Anisha ihren Kopf in Richtung der Menschenmassen gedreht hatte, die scheinbar allesamt nur wegen ihr hier waren, ging das Blitzlichtgewitter los. Zwei Polizeibeamte kamen langsam auf sie zu, die anderen vier hielten die Leute von der Presse zurück.

Der große kräftige Beamte ergriff das Wort. "Frau Salomon, wir müssen Sie bitten uns auf das Revier zu begleiten. Wenn sie keinen Ärger machen und mitgehen, können wir Ihnen natürlich die Handschellen ersparen. Ich sehe derzeit keine Gefahr, dass Sie sich aus dem Staub machen wollen. So bekannt, wie Sie jetzt sind, dürfte es schwer werden unterzutauchen!"

"Bin ich verhaftet?" fragte Anisha verunsichert. "Nein, aber dennoch müssen wir sie zur Klärung der Angelegenheit mitnehmen. Sollten Sie flüchten, müssten wir natürlich einen Haftbefehl besorgen. Das wollen wir nicht und Sie ganz sicher auch nicht, oder?" "Warum muss ich Sie dann begleiten?" "Sie können auf dem Revier jemanden anrufen und sich beraten lassen oder Sie kommen einfach mit und beantworten uns einfach ein paar Fragen. Bisher ist der Besitzer des Gemäldes noch nicht aufgetaucht. Möglicherweise wird Anzeige wegen...." der Beamte zögerte "...naja wegen Sachbeschädigung vielleicht?" "Ich habe nichts beschädigt!" erwiderte Anisha bockig. "Na dann vielleicht wegen Hausfriedensbruch?" antwortete der kräftige Beamte ebenfalls etwas motzig. "Ich kenne den Besitzer des Gemäldes. Er hatte nichts dagegen, dass ich sein Gemälde genutzt habe!" Anisha blieb abweisend und stur.

Der Beamte wurde ungeduldig: "Frau Salomon! Kurz und schmerzlos - begleiten Sie uns freiwillig oder müssen wir Sie überzeugen? Die Angelegenheit muss geklärt werden!" Anisha gab sich geschlagen. Immerhin wollte sie die Beamten nicht verärgern. Der Gesichtsausdruck ihres Chefs war neutral. Was hatte das zu bedeuten? Sie kannte ihn zu wenig, um sich darüber eine Meinung bilden zu können. Als sie in Begleitung der beiden Beamten auf die Presse und Wachtleute zuging, setzte das Blitzgewitter der Kameras wieder ein. Einige Presseleute hatten das ganze Geschehen scheinbar auch gefilmt. Anisha war verärgert.

Plötzlich drängelten sich alle Pressleute nach vorne und plusterten heraus mit ihren Unmengen an Fragen. Einige Fragen konnte Anisha herausfiltern: "Wann waren Sie das erste Mal in dem Gemälde? Was hat Sie dazu veranlasst ein Bild zu betreten? Welche Gabe haben Sie, dass sie dort hinein konnten? Wen haben Sie dort getroffen? Wo kommt der Hund her? Haben Sie den Hund mit reingenommen?...." Es nahm kein Ende. Viele Fragen, alle durcheinander! Eine Stimme lauter als die andere. Sie drängelt immer näher heran und jeder versuchte möglichst viele Bilder zu erhaschen. Es war entsetzlich. Anisha wäre am liebsten im Boden versunken. Sie sagte aber keinen Ton, ihr Blick, war gesenkt. Sie versuchte erst gar nicht ihr Gesicht zu verstecken. Sie hatten schon etliche Fotos machen können, da kam es auf das ein oder andere mehr oder weniger auch nicht mehr an.

"Ich werde Frau Salomon begleiten!" sagte ihr Chef mit fester Stimme zu den Beamten. Die Beamten nickten und versuchten eine Gasse zu bilden, damit Anisha mit ihrem Chef zum Ausgang gelangen konnte. Die Türen wurden geöffnet. Grelles Sonnenlicht schien ihr entgegen. Es war also Tag. Man hatte scheinbar die Galerie seit einigen Tagen geschlossen. Eine Tafel stand vor den großen Türen mit dem Hinweis "wegen Bauarbeiten geschlossen". Vor den Türen hatte sich eine weitere riesengroße Traube Menschen gebildet. Viele Presseleute, aber auch einfache Bürger, die nur neugierig waren. Man hatte sie scheinbar schon länger vermisst oder gesucht. Scheinbar wussten auch alle, dass die Galerie nicht wegen Bauarbeiten geschlossen war. Wieso hatte sie nur wieder nicht auf ihr Bauchgefühl gehört?

Erschrocken drehte Anisha sich um und rief: "Wo ist mein Hund?" Aber da kam Lupo schon direkt hinter ihrem Chef zum Vorschein. Er hatte sich von dem ganzen Trubel nicht verscheuchen lassen und trottete etwas unsicher hinterher. Anisha wurde zum Streifenwagen geführt. "Muss ich in dem Wagen mitfahren? Kann ich nicht zu Fuß zur Wache?" fragte Anisha entsetzt, als sie den Streifenwagen erblickte. "Frau Salomon, Sie wollen sich nicht allen Ernstes durch die Menschenmassen kämpfen, oder? Es ist doch auch zu Ihrem Schutz. Außerdem können Sie dann jedem erzählen, dass Sie im Streifenwagen gefahren sind!" scherzte der kräftige Beamte. "Auf das Erlebnis kann ich gut und gerne verzichten! Und prahlen muss ich damit nun auch nicht wirklich. Ich finde das peinlich und sehr unangenehm!" motzte Anisha. „Ich gehe zu Fuß zur Wache!“ sagte ihr Chef und die Beamten nickten wieder nur.

Danke, dass so viele die Story lesen und sie auch scheinbar weiterempfehlen. Und vielen Dank für eure Mitarbeit, eure votes und Kommentare.

Ich wünsche euch weiter viel Spaß beim Lesen!

Wo ist Emma?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt