Viele Fragen

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Viele Fragen

 

Anisha schaute wieder nach vorne, blickte diesem fremden Mann direkt in die dunkelbraunen Augen. Sie hielten sich nach wie vor die Hände, als wollte keiner von beiden diese magische Stimmung zerstören. Außerdem fühlte es sich gut an. Der Mann wirkte nicht sonderlich groß und war vielleicht nur wenige Zentimeter größer als Anisha. Seine Hände waren ebenfalls faltig, aber sie fühlten sich trotz der an einigen Stellen angetrockneten Farbe sehr weich an. Anisha erschrak vor sich selbst, dass sie diese Nähe eines vollkommen fremden älteren Mannes als so unglaublich angenehm und vertrauenswürdig empfand. Nicht einen Moment dachte sie darüber nach, dass dies eine Falle sein könnte.

Langsam löste sie die Hand und blickte ihn nach wie vor wie hypnotisiert an. „Wo bin ich hier und wer bist du?“ fragte Anisha und brach damit das lange Schweigen.

Meinen Namen kennst du doch schon und ich kenne deinen Namen auch, wie du festgestellt hast. Du bist bei mir zu Hause in der realen Welt!“ antwortete dieser Fremde. „Alo?“ fragte Anisha und der Fremde nickte. „Wie heißt du weiter? Wie ist dein vollständiger Name? Alo ist doch sicher nur ein Künstlername, oder?“ „Das ist nicht richtig, Anisha. Alo ist kein Künstlername. Ich bin ein Hopi und komme aus der westlichen Gruppe der Pueblo-Indianer im Reservat der Navajo. Ich bin ein spiritueller Führer und helfe dir bei deiner Unternehmung.“

„Hast du das Gemälde in der Galerie auch gemalt? Woher kommt es, warum steht kein Künstlername darauf und warum findet man nichts über den Maler?“ „Du hast viele Fragen, Anisha. Ich kann und darf dir nicht alle Fragen beantworten. Das solltest du wissen! Aber ja, ich das Waldgemälde in der Galerie ist von mir gezeichnet. Es ist der Einstieg in eine Art Parallelwelt, die aber nur zeitweise betreten werden kann. Jeder, der dort hineingelangen konnte, muss diese Parallelwelt irgendwann wieder verlassen. Und mal ehrlich, Anisha – wenn man Informationen über mich – also den Künstler des Gemäldes – erhalten würde, dann würde dieses Bild vermutlich keiner mehr haben wollen. Viele Menschen können mit übernatürlichen Dingen nichts anfangen. Es macht ihnen Angst.“

Anisha zögerte, ob sie diese Frage stellen durfte, aber die Neugier war einfach zu groß: „Wie machst du das? Ich meine, wie kann das sein, dass ich in ein Gemälde gehen kann und überhaupt – warum ICH?“ Alo lächelte. „Wie ich das mache, kann ich dir natürlich nicht verraten. Kennst du einen Zauberer, der seine Tricks verrät? Außerdem würde ich damit mich und mein Volk in Gefahr bringen. Hm, warum DU? Ganz einfach. Du hast das Gespür für spirituelle Dinge und lässt sich auf Magie und Zauber ein.“ Anisha lachte laut los: „ICH? Ich bin, was sowas betrifft, vollkommen ungläubig. Ich glaube nur was real ist und was ich sehe. Mit Hokus Pokus kann ich nun wirklich nichts anfangen.“ Anisha wurde unsicher, ob sie Alo nun vielleicht verletzt haben könnte. Ihr Lachen war schon sehr hämisch.

„Nun Anisha, du hast dir selbst bewiesen, dass es nicht so ist. Auch wenn du nach außen meinst, dass du an Hokus Pokus nicht glaubst. Du hast dich darauf eingelassen. Du hast die Magie in dich aufgenommen. Du hast zugelassen, dass ich dich erreiche und dir den Zugang zum Waldgemälde gewährt habe. Du hast dich leiten lassen und hast mich hier gefunden, erreicht und berührt. Du hast die Magie gespürt, die uns beide bei deinem Eintritt in mein Haus umgeben hat. Du kannst es leugnen. Du und ich – wir wissen, dass du hier bist und das ist real. Der Weg hierher – muss du zugeben – ist alles andere als real, oder wie siehst du das?“ „Ok- eins zu null für dich! Wie viele Gemälde gibt es eigentlich? Also ich meine Gemälde, in die man hineingelangen kann?“

„Oh Anisha – du bist echt zu neugierig! Ok – pauschal gesagt sind es gar nicht mal so viele. Die Anzahl und wie sie aussehen, kann ich dir nicht sagen. Auch nicht wann und wie oft sie ihren Platz wechseln. Ich kann es dir deswegen nicht sagen, weil du dich unter Umständen dann anders verhalten würdest. Du musst den Weg alleine finden. Ich darf dich nicht beeinflussen. Ich kann dir Hilfen zur Verfügung stellen, aber ich darf bei dir persönlich nicht eingreifen und dir deswegen nicht allzu viele Information geben. Dein Lupo ist so eine Hilfe, aber das hast du sicher schon vermutet, oder?“

Wo ist Emma?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt