Der richtige Weg?

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Der richtige Weg?

 

Es schien eine halbe Ewigkeit her zu sein, dass Anisha mit einem Menschen gesprochen hatte. Es tat so gut eine menschliche Stimme zu hören. Auch wenn sie keine Fragen mehr stellen sollte, brannten ihr noch unendlich viele Fragen auf der Seele. Alo hatte deutlich gemacht, dass er ihr nicht weiter helfen konnte oder wollte. Nun gut, wenn sie nicht fragen sollte, wäre vielleicht eine Aussage hilfreich, dachte Anisha und schaute Alo fest in die Augen. „Ich weiß nicht, was ich nun machen soll und welchen Weg ich einschlagen soll. Ich bin unsicher, ob ich den ganzen Weg zurückgehen soll und ob ich das überhaupt kann, oder ob ich die Möglichkeit habe in dem Gemälde mit dem See und dem Boot den Weg nach Hause zu finden. Mein Bauchgefühl sagt irgendwie gar nichts.“ Wieder lächelte Alo: „Netter Versuch Anisha. Auch wenn du die Frage als Aussage tarnst, ich kann dir wirklich nicht helfen. Du musst in dich hören und deinen Weg finden.“

„Eine letzte Frage habe ich dennoch!“ sagte Anisha leise und unsicher mit einem leichten Schmunzeln um die Mundwinkel. „Wenn ich hier bei dir bin – im realen Leben – dann kann ich doch sicherlich dein Atelier durch eine normale Türe verlassen und ein Taxi oder Bus nach Hause nehmen, oder? Ich meine, warum soll ich den Weg zurück durch ein Gemälde suchen, wenn ich doch im realen Leben bin?“ „Du gibst einfach nicht auf junge Lady,“ grinste Alo „aber glaube mir, dein Weg durch eines der Gemälde ist kürzer, als dein Weg nach Hause von hier aus. Mehr sage ich dazu nicht!“

Anisha ärgerte sich ein wenig. Sie hatte noch so viele Fragen und sollte gehen. Sie wollte sich gerade abwenden, um schweren Herzens Alos Atelier zu verlassen, da kam ihr noch ein weiterer Gedanke: „Ähm – ok – doch noch was Wichtiges…was ist eigentlich, wenn ich in dem Gemälde bin und das Bild mal wieder weggeben wird? Also wenn das Bild zum Beispiel gekauft wird und von der Galerie irgendwohin gebracht wird. Was passiert dann mit mir und Lupo?“ „Hm – ja, das ist eine berechtigte Frage!“ bestätigte Alo. „Einmal abgesehen davon, dass meine Gemälde unverkäuflich sind könnte es aber natürlich passieren, dass es mal wieder die Räumlichkeiten wechselt. Dann ist dein Ausweg eben in einem anderen Gebäude. Das ist sowohl für dich, als auch für deinen Begleiter unschädlich.“

Anishas Blick wurde ernst: „Und was wäre, wenn jemand das Gemälde zerstören würde?“ Alo trat einen Schritt an Anisha heran: „Nicht erschrecken, ich möchte dich einmal kurz zum Abschied drücken!“ Anisha erschrak – was, wie verabschieden? Was sollte das? Sollte das dann das Ende ihrer Reise sein? Alo registrierte ihren erstarrten Blick. Vorsichtig trat er ganz nah an sie heran. Die Magie, die sich in diesem Raum breit machte, knisterte förmlich. Er drückte sie ganz leicht an sich: „Anisha, ich nehme dich in den Arm, weil ich dir ein bisschen von der Magie und dem Hokus Pokus, an den du nicht glauben möchtest, mit auf den Weg geben willst. Du glaubst sehr wohl daran, auch wenn du es nicht wahrhaben willst. Bewahre diese Magie, den an diese elektrisierende Begegnung und an meine Worte. Es soll dir helfen, dich auf dein Bauchgefühl zu verlassen. Und nebenbei bemerkt hast du die Antwort doch selbst schon gefunden auf deine letzte Frage. Wenn das Gemälde in der Galerie zerstört werden würde, dann gibt es andere Auswege! Oder was glaubst du, wie du hierher gelangt bist? Aber jetzt genug Fragen und genug Antworten. Ich habe schon viel zu viel erzählt. Und nochmal: Hör auf dein Bauchgefühl oder deine innere Stimme. Nicht immer kann Lupo erkennen, wann Gefahr droht! Und nun geh bitte. Je länger du bleibst, desto mehr Fragen werden dir noch einfallen!“ schmunzelte Alo.

Er ließ Anisha wieder los und lächelte sie nochmals an. Mit einer Handbewegung gab er ihr zu verstehen, dass sie nun wirklich gehen sollte. Anisha wollte Alo auch nicht verärgern. Sie lächelte zurück und kehrte ihm den Rücken zu, um diesen Raum zu verlassen. Sie schaute sich nach Lupo um und stellte fest, dass er wohl schon vor ihr Alos Atelier verlassen hatte. Freudig wedelnd saß er in dem schlecht beleuchteten Raum mit den vielen Gemälden und wartete darauf, dass Anisha zu ihm kam. Es war ein komisches Gefühl den Weg von einer realen Welt – wo auch immer dieses Atelier von Alo sein mochte – wieder in diese Art Zwischenwelt gehen zu müssen.

Wo ist Emma?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt