Kapitel 10
»145 Seiten?«
In Sandrines Stimme schwang Misstrauen.
»Es ist ein komplexer Job«, sagte die Baronin und hielt ihr einen goldenen Kugelschreiber entgegen.
»Sollte ich das vorher nicht durchlesen?«
Die Baronin beugte sich vor. Mit der rechten Hand stützte sie sich am Schreibtisch ab, mit der linken Hand an der Rückenlehne von Sandrines Stuhl. Das Arbeitszimmer wirkte bedrohlicher, als am Abend zuvor. Möglicherweise war es aber die Ausstrahlung der Baronin. Sandrine konzentrierte sich. Babette sagte: »Er ist wie dein alter Vertrag mit ein paar Zusätzen.«
Sie fixierte Sandrine über den Rand ihrer Brillengläser.
»Na gut, dann schaue ich mir nur an, was neu dazugekommen ist.«
Die Baronin richtete sich auf und rümpfte die Nase.
»Ich habe mir etwas mehr Vertrauen erwartet.«
Sandrine räusperte sich.
»Ich bin gleich fertig.«
Sie blätterte durch die neuen Paragrafen. Ein Großteil davon enthielt Verschwiegenheitsklauseln. Nicht unverständlich, wenn sie die Chefin einer kleinen Geheimdiensttruppe werden sollte.
Zwei Punkte fielen ihr besonders ins Auge.
»Was bedeutet: Revisionsexekutive?«, fragte sie so freundlich wie möglich.
Die Baronin stand am Fenster, mit dem Rücken zu ihr. Sie antwortete: »Für den Fall eines Betruges an uns oder einem unserer Kunden, wird sich jemand um deinen Besitz und dich kümmern. Eine reine Vorsichtsmaßnahme nach dem, was passiert ist.«
Sandrine wusste, dass Babette auf Alexandra und ihre Veruntreuung anspielte. Sie wusste auch, dass mit „jemand wird, sich um dich kümmern" eine Person gemeint war, die sie dazu veranlassen würde, in ein weit entferntes Land auszuwandern, in dem sie nicht gefunden werden konnte. Weder die Baronin, noch Mees, noch Arden scheuten davor zurück, einem in Ungnade gefallenen Mitarbeiter alle Säulen seiner Existenz einzureißen. Geld weg, Pass weg, Zukunft weg. Also antwortete sie mit fester Stimme: »Das wird nicht passieren.«
Die Baronin nickte.
Sandrine wusste aber, dass es in irgendeiner Form immer passieren konnte. Sie stufte es als „Berufsrisiko" ein und fragte weiter: »Und das hier? Rekrutierung von Mitgliedern im Firmeninteresse?«
Sie hörte, wie die Baronin auflachte.
»Aber Sandrine. Wie sollen wir eine schlagkräftige Truppe zusammenstellen, wenn wir nur aus den Angeboten am freien Markt auswählen können?«
Sandrine kratzte sich an der Nasenspitze.
»Du meinst ehemalige Militärs und Abwerben von Agenten?« Babette drehte sich auf der Ferse um. Ihre Arme waren vor ihrer Brust verschränkt.
»Mein Kleine, da draußen herrscht Krieg. Die Waffe ist Geld und der Feind kennt keine Gnade.«
Sandrine seufzte innerlich. Babette hatte sicher recht und schließlich hatte sie noch einen Trumpf im Ärmel. Als Abteilungsleiterin entschied sie, wen sie als Mitarbeiter aufnahm. Sie würde sich auf ihr Fingerspitzengefühl verlassen und alle ablehnen, die ihr suspekt vorkamen.
Mit einem Klick öffnete sie den Kugelschreiber und schrieb in angemessener Größe: Sandrine Ferrand auf die Linie, die ihre Zukunft besiegeln sollte.
Die beiden Frauen lächelten sich an. Jede aus einem anderen Grund.
***
Parsley und Sandrine saßen auf dem Balkon ihres Hotelzimmers und kauten an Salat.
»Mein Bauch ist leer.«
Parsley hatte sein Mittagessen unterbrochen und genoss die Sonne. Sandrine klopfte mit dem Griff ihrer Gabel auf Parsleys Panzer.
»Hallo, jemand zu Hause? Ich rede mit dir.«
Die Schildkröte drehte langsam ihren Kopf in ihre Richtung.
»Danke.«
Sie biss in eine Kirschtomate.
»Wenn ich sage, mein Bauch ist leer, dann meine ich, dass ich ein schlechtes Gefühl habe. Wenn alles stimmig ist, dann fühle ich mich satt. Im Moment aber ist da eine Grube unter meinem Brustbein.«
Sandrines Blick glitt über die Bucht hinaus aufs Meer an den Horizont, an dem die Silhouette eines Ölfrachters vorbeizog.
»Wieso soll ich Söldner und Agenten für diese neue Abteilung rekrutieren? Wollen die ein Syndikat aufbauen? Mit wem wollen sie sich anlegen? Mit einer anderen Bank? Mit einer Regierung?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Und was soll das mit der Revisionsexekutive? Stell dir vor, ich helfe diesem Daniel und Gregory kommt dabei zu Schaden. Würde das schon ausreichen, damit sie mich kaltstellen? Aber worin läge der Sinn? Ich habe doch gerade unterschrieben und wo wollen sie auf die Schnelle einen Ersatz für mich herzaubern?«
Parsley legte seinen Kopf schief.
»Ja, ja. Ich mache mir mal wieder zu viele Gedanken. Was würdest du tun?«
Parsley öffnete das Maul und riss ein gewaltiges Stück aus dem Salat vor ihm. Das Blatt klappte zusammen. Es umwickelte fast seinen ganzen Kopf. Sandrine wollte ihn schon fast aus der Umklammerung befreien, damit er nicht erstickte.
Doch Parsley arbeitete sich konsequent durch das Grün, bis alles in seinem Maul verschwunden war.
Sandrine nickte.
»Du hast recht. Ich beiße mich durch. Keine Ahnung, wo diese neue Ängstlichkeit herkommt. Wahrscheinlich die lange Zeit ohne Action. Da schlafen die Reflexe und der Verstand ein. Man wird schlaff. Ich reiß mich zusammen. Komm schon, Sandrine. Zähne zusammenbeißen und durch.«
Parsley würgte das letzte Stück Salat durch seinen kleinen Schlund und sah wieder auf das Meer hinaus.
***
... wie geht es weiter?
Wenn es Euch gefallen hat, dann habt ihr jetzt mehrer Möglichkeiten. Ihr könnt ...
* Ein Sternchen zum leuchten bringen! Vote for it!
* Eure Ansichten in Form eines Kommentars posten (darüber freue ich mich besonders!)
* Mal auf Wattpad stöbern, was es von mir sonst noch so gratis zu lesen gibt
* Auf meiner Amazon-Seite vorbeischauen: http://amzn.to/SnipaX
Das alles könnt ihr machen ... nicht zwingend in der Reihenfolge, versteht sich. ;)
Euer Luc
DU LIEST GERADE
Kreuzdame
AdventureLiebe Leserin, lieber Leser! "Kreuzdame" ist die Pilotfolge zur Serie "Pochette". Das Buch ist sowohl in Deutsch, als auch in Englisch hier auf Wattpad gratis lesbar. Meinen Dank dafür an den Begedia Verlag und Wattpad. Die Folgebände erscheinen im...