Kreuzdame - Kapitel 3

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Kapitel 3

Sandrine und Alexandra gaben schweigend ihre Spind-Schlüssel beim Empfang ab und verließen das Fitness-Center. Auf den Stufen, die zur Straße hinunterführten, blieben sie stehen. Die Sonne schien auf drei Taxis, die dort auf Fahrgäste warteten.

»Am Po, meinetwegen, auf der Innenseite der Schenkel, auch in Ordnung, aber warum ausgerechnet dort?«, fragte Sandrine, um die Konversation am Laufen zu halten.

»Weil es mich an etwas erinnern soll.« Alexandra fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und lockerte sie.

»Woran?«, wollte Sandrine wissen.

Um Alexandras Mund zog sich ein Hauch Verbitterung. Sie kramte in ihrer Sporttasche nach ihrem Handy, ohne zu antworten.

»Wir sehen uns Samstag. Ich geb dir Revanche.« Sie schaltete das Telefon an und tippte den PIN-Code ein.

Sandrine schüttelte den Kopf. »Nein.«

Alexandra sah sie überrascht an. Sie rang sich ein Lächeln ab.

»Was ist jetzt los? Eingeschnappt?«

»Ich bin übers Wochenende in Nizza.« Sandrine musste unter allen Umständen verhindern, dass Alexandra in ihrer Gegenwart telefonierte. Würde ihr Handy läuten, wenn ihre Freundin jemand anrief, hätte sie einen gravierenden Erklärungsnotstand.

»Nizza? Kein Wunder, dass du keine Kraft für eine Runde Squash mit mir hast«, sagte Alexandra. Sie schwang ihr iPhone wie ein Racket im Kreis.

»Nein, geschäftlich.«

»Das eine muss das andere ja nicht ausschließen.« Alexandra zwinkerte ihr mit dem rechten Auge zu. Unter ihnen stieg ein alter Mann in das erste Taxi. Der Wagen rasselte davon.

Sandrine mochte die Amerikanerin wirklich, auch wenn sie ihren Bossen irgendwie 280.000 Euro gestohlen hatte.

Seit einem halben Jahr grübelten alle im Konsortium, wie die kleine Bankangestellte es geschafft hatte, soviel Geld auf die Seite zu schaffen, ohne, dass es jemandem aufgefallen war. Man beschloss Sandrine darauf anzusetzen, um die Angelegenheit intern zu regeln. Eine geheime Kommandoaktion, im Zuge derer das Geld rückgeholt und Alexandra in eine kleine Zelle eines Frauengefängnisses eines mittelamerikanischen Landes verfrachtet werden sollte.

Sandrine riss sich zusammen. Sie durfte Alexandra nicht zu nahe an sich heranlassen. Es ging um ihre Zukunft. Das Konsortium hatte sehr strenge Regeln und eine davon besagte: »Verrat wird mit sozialem Tod bestraft.« Mord war out, Demütigung bis ans Ende des Lebens in.

Würde sie Alexandra gegenüber zu freundlich werden, würde sie Verdacht schöpfen, in das nächste Flugzeug hüpfen und für immer verschwinden.

Das zweite Taxi startete und reihte sich in den Nachmittagsverkehr ein.

Die beiden Frauen sahen zum Taxistand.

»Sollen wir uns das da teilen?«

Sandrine spürte Alexandras durchdringenden Blick. Er verhieß nichts Gutes.

»Nein, lass mal. Ich gehe zu Fuß.«

»Zu Fuß? Fünf Kilometer durch die Stadt?«

Sandrine merkte Alexandras Misstrauen. Sie dachte über eine unverdächtige Antwort nach, als eine schwarze Limousine direkt hinter dem letzten Taxi hielt. Der Taxifahrer stieg aus dem Auto, trat an den langen Wagen heran und klopfte an die Fahrertür. Eine Hand streckte ihm 100 Euro entgegen.

Der Taxifahrer tippte sich mit den Handknöcheln der Rechten an die Stirn, stieg in sein Auto und fuhr ab.

Ein Sicherheitsbeamter in dunkelblauem Anzug mit Sonnenbrille stieg aus der Beifahrerseite, trat zwei Schritte zur Hintertür und öffnete sie.

Vom Rücksitz hüpfte ein etwa achtjähriger Junge mit strohblondem Haar.

Mit einem lauten »Mami«, hastete der Bengel über die Stufen und drückte sich mit aller Kraft an Alexandras Bauch.

Sandrine presste die Lippen zusammen.

»Ziemlich jung. Sogar für dich«, sagte sie so neutral wie möglich.

Alexandra lachte sie an.

»Darf ich vorstellen, das ist Timmy, mein Sohn. Sag „Hallo“, Timmy.«

Der Junge drehte den Kopf leicht zur Seite, sodass er Sandrine mit einem Auge sehen konnte, das andere aber in Alexandras Kleid verborgen blieb. Er streckte ihr seine Linke entgegen und murmelte: »Nallo.«

Sandrine schüttelte die feuchte Kinderhand.

»Hallo zurück.«

Dann flüsterte sie Alexandra zu: »Du hast einen Sohn? Wieso hast du mir nie von ihm erzählt?«

Die Rothaarige zuckte mit den Schultern.

»Sein Vater ist ein hohes Tier in der Schuhindustrie. Als wir uns scheiden ließen, hat er mir die besten Anwälte der nördlichen Hemisphäre auf den Hals gehetzt.«

»Mit welchem Ergebnis?«, fragte Sandrine.

Alexandra seufzte.

»Mit dem Niederträchtigsten, das man einer Mutter antun kann. Er darf mir den Jungen nach eigenem Gutdünken schicken, wann er will. Du kannst dir denken, wann er seinen Sohn nicht unbedingt in seiner Nähe braucht.«

Ihr hasserfüllter Blick verkrallte sich in den Sicherheitsbeamten, der ihr mit vier weggestreckten Fingern zeigte, für wie viele Stunden sie nun Mutter sein durfte.

Sandrine war unwohl.

»Er schickt dir das Kind vorbei und lässt es dann wieder holen«, fasste sie zusammen.

Alexandra nickte. »Bei Tag und bei Nacht.«

Sandrine wurde heiß. So geschlampt hatte die Rechercheabteilung noch nie. Zwischen ihr und der Betrügerin stand plötzlich ein leibhaftig guter Grund für die Veruntreuung des Geldes. Sandrine merkte, wie die Unsicherheit in ihr hochkroch. Hier lief etwas ganz verkehrt.

»Ich ruf dich an«, war das Letzte, was sie von Alexandra hörte, bevor sie mit ihrem Sohn davon marschierte.

Sandrine überlegte. Alexandra Gaines, die Frau, die ihre Bosse um 280.000 Euro erleichtert hatte, war eine betrogene Ehefrau und Mutter. Hätte sie das gewusst, hätte sich Sandrine nie auf diesen Auftrag als Krönung ihrer Karriere eingelassen. Trotzdem versuchte sie sich in dieser Situation wie ein Profi zu benehmen und sich einzureden, dass eine Straftat begangen wurde. An wem versuchte sie tunlichst auszublenden. Ärger und Reue rangen in ihr um den Platz mit der besten Aussicht für alles, was da nun kommen würde.

***

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Euer Luc

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