Kapitel 11
»Mademoiselle Ferrand? Ich soll Ihnen bestellen: Daniel wartet im Foyer«, sagte die Rezeptionistin am Telefon.
Sandrine biss sich auf den Daumennagel. Sie überlegte kurz, dann sagte sie: »Schicken Sie ihn herauf.«
»Natürlich.« Die Empfangsdame legte auf.
Sandrine sah sich in ihrem Hotelzimmer um. So schnell sie konnte, ließ sie ihre Unterwäsche unter der Bettdecke verschwinden. Sie sah an sich hinunter.
Sie trug ein weißes T-Shirt mit einem überfetten Spatz auf einem dünnen Ast, dem eine Zigarette aus dem Schnabel hing, und pinke Shorts. An den Füßen gelbe Socken. Sie war weit entfernt von einer kühlen Respektsperson.
Sandrine hastete ins Badezimmer, kramte ein Sommerkleid mit Rosenmuster aus ihrem Koffer, schlüpfte aus dem T-Shirt und ins Kleid. Die Socken konnte sie gerade noch abstreifen, als es an der Tür klopfte.
Sie warf die Tagesdecke über das zerwühlte Bett und öffnete.
»Daniel.«
Der Diener hatte ein paar Blumen in der Hand. Er lächelte sie freundlich an.
»Störe ich?«
»Nein, nein«, log Sandrine.
»Sind die für mich?« Sie zeigt auf die Blumen.
»Oh, ja, hier.« Daniel hielt ihr den Strauß verlegen entgegen.
Rote Tulpen, gelbe Nelken und Narzissen. Sandrine schnupperte daran. Sie dufteten wunderbar. Bei sich dachte Sandrine: »Armer Junge. Keine Ahnung von Blumensprache. Rote Tulpen sagen: Ewig währende Liebe, gelbe Nelken: Ich verachte Dich und die Narzissen: Du bist ganz schön eitel.« Sandrine grinste in sich hinein.
»Dann geben wir denen mal was zu trinken. Bitte komm rein.«
Mit einem Handgriff entfernte sie die Blumen des Hotels aus der Vase, beförderte sie in den Abfalleimer und stellte Daniels Mitbringsel ins Wasser.
Daniel stapfte hinter ihr ins Zimmer. Er folgte Sandrines Aufforderung, sich an den runden Tisch zu setzen.
Dann lehnte sie sich mit dem Rücken gegen den Schreibtisch, verschränkte die Arme und sah ihn an.
»Und du meinst ich könnte dir helfen?«
Daniel faltete seine Hände wie zum Gebet und legte sie auf die Tischplatte.
»Sie sind die einzige …«
Er bemerkte, dass seine Worte überaus zweideutig interpretiert werden konnten, unterbrach sich und schluckte.
»Erst einmal, sag du zu mir. Zweitens. Wie soll ich dir helfen? Soll ich dir ein paar Kartentricks beibringen?«
Daniel nickte eifrig. Er sah aus wie ein Zwölfjähriger.
»So einen, wie Sie gestern bei der alten Hexe abgezogen haben, vielleicht?«
Sandrine schüttelte den Kopf. Er hatte es nicht begriffen. Sie selbst hatte es noch nicht begriffen.
»Du weißt, dass du deine Situation verschlimmerst, wenn sie dahinter kommen, dass du mogelst?«
»55.000 Euro«, sagte Daniel knapp, als ob seine Schulden eine Erklärung wären.
Sandrine zog ein Paket Karten aus ihrer Pochette.
»Meinetwegen. Ich erkläre dir einen einfachen Trick. Wenn du den am Ende des Abends bringst, um alles oder nichts, dann solltest du deine Schuld begleichen können.«
