Kapitel 2
Erlauben Sie, dass ich mich an dieser Stelle kurz einbringe.
Ich denke es ist nur fair, dass Sie wissen, wer die Geschichte von Pochette niederschreibt. Mein Name ist Martin Dubois-Croixfemme. Ich bin Maler an und der Côte d'Azur. Mein Alter schwankt mit den Jahreszeiten. Im Sommer bin ich Mitte zwanzig, im Winter Mitte dreißig. Ich finde es klüger sich über das eigene Befinden zu definieren, anstatt Sklave einer Zahl zu sein. Dank meiner wohlhabenden Familie kann ich mir ein Haus am Meer erlauben und meinen Passionen nachgehen. In früheren Zeiten hätte man mich wohl einen Lebemann genannt.
Wie dem auch sei. Mein Haar ist dunkelbraun, leicht ins kastanienfarbene gehend, mit einem Hang zu goldenen Strähnen im Sommer.
Die Iris meiner Augen ist grün-blau, je nachdem wie das Licht der Sonne darauf trifft.
Meine Statur ist typisch für die Region. Laut meinem Vater: »Eine gute Mischung aus römischem Legions-Material und dem Liebreiz eines französischen Bauernmädchens.« Zum Glück verschließt sich mir die tiefere Bedeutung dieser Aussage.
Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht die Erzählungen meiner großen Liebe Sandrine Ferrand niederzuschreiben, nachdem sie ein paar Monate bei mir geblieben war. Es sind schauerliche, unerhörte, traurige, lustige und in jeder Faser gewitzte Geschichten. Ganz genauso wie Sandrine.
Doch nun genug von mir. Zurück zu Pochette.
Nach ihrer abenteuerlichen Flucht aus Nizza erzählte sie mir einen weiteren Teil ihrer Odyssee, während sie sich in Cannes neu einkleidete. Der Tag begann mit einem Frühstück ...
Sandrine wischte sich ihren kleinen Mund mit einer Papierserviette ab. Sie trank den letzten Schluck Cappuccino und lehnte sich entspannt zurück, ihr Blick war milde auf mein Arbeitshemd gerichtet.
Sie griff zu einer Banane und einer kleinen Gabel. Sandrines Art Dinge zu tun sind für Außenstehende manchmal befremdlich. Ihre Art eine Banane zu essen ist es in jedem Fall.
Sie nimmt die Frucht mit der kurzen gebogenen Seite in ihre feingliedrige Hand. Dann knickt sie mit der rechten Hand den Stängel kurz nach hinten, dass die Schale drei Finger breit aufreißt. Die Gabel hängt dabei wie eine Pfeife aus ihrem Mundwinkel. Mit dem rechten Daumennagel öffnet sie die Banane entlang des Rückens, wie ein Chirurg Patienten mit dem Skalpell. Sie drückt die Banane kurz durch, sodass die Schale nach links und rechts aufklappt und durch die Spannung im mittleren Teil fixiert wird. Der Rest gestaltet sich wie eine Zeremonie. Mit der Gabel sticht sie kleine Scheiben von der Mitte aus ab und isst sie mit Bedacht. Auf meine Frage, wie man denn eine Banane derartig essen könne, ist ihre Antwort jedesmal: »Ich esse gern ästhetisch.«
Sie lächeln? Hören Sie sich mal an, was Sandrine zum Thema Fleisch sagt.
Ich zitiere: »Ich esse keine Säugetiere.«
Verstehen Sie das? Sie isst keine Säugetiere! Aber sie hat kein Problem damit Geflügel und Meeresgetier in Massen zu futtern, während Schildkröte Parsley neben ihr sitzt, der als praktizierender Vegetarier eigentlich in ihr Beuteschema passen würde.
Aber gut, es gibt Dinge an Frauen, die man einfach dem großen Dunkel der Mystik überlässt. Besser man kümmert sich um seine Farben und Leinwände.
Genug davon. Ich erzähle weiter.
Ihr Blick war also milde auf mein Arbeitshemd gerichtet. Es sah aus, als hätte ich mich in meiner Palette gewälzt. Berufsrisiko eines Kunstmalers. Latente Buntheit.
Ich erinnere mich noch gut daran, als ich sie fragte:»Und wie kamst du an ein Team in London?«.
Sie lächelte.
»Ich werde dir die Geschichte in Cannes weitererzählen. Meine Bluse und mein schwarzer Rock sind nicht mehr gesellschaftsfähig und wenn ich dich so ansehen mein lieber Martin, nun ja ...« Sie schürzte missbilligend die Lippen, hob die linke Braue und zwinkerte mir mit dem rechten Auge zu.
Ich sah an mir hinunter.
»Du willst einkaufen gehen?«
Ein Grinsen zog ihr Gesicht in die Breite.
»Das habe ich mir redlich verdient.«
Ich nickte.
»Meinetwegen. Kann sicher nicht schaden, mal ein bisschen raus zu kommen.«
Wir zogen uns an, ich kramte ein paar der größeren Euroschein aus meiner Kaffeedose und wir fuhren mit meinem grünen Peugeot 504 Cabriolet die Küstenstraße entlang.
Die Sonne schickte ihre Strahlen über das Land. Der Peugeot schnurrte gemächlich dahin. Das blaue Meer, der rote Porphyrboden, auf dem knorrige Kiefern wuchsen und ihren wilden Duft mit dem heimeligen Salzdunst der warmen See mischten. Sandrine saß neben mir, den rechten Ellenbogen auf den Türrahmen gelehnt. Sie hielt ihren Strohhut samt Kopf leicht geneigt. Durch die Sonnenbrillen konnte ich kurz ihre Augen sehen. Sie sah mich an, nicht das Meer.
»Was ist?«, fragte ich und sah kurz zu ihr hinüber.
Sie fuhr mit ihrem linken Zeigefinger über meine Wange.
»Du glänzt.«
Ich wusste nicht, ob ich lächeln oder grinsen sollte, denn manchmal sagt sie Sachen, die ich nicht einschätzen kann.
Wissen Sie, ich glaube Sandrines Reise, die in Nizza begann, sie über London nach Mailand führte, von dort nach Amsterdam und über Schweden nach Budapest, war eine Odyssee der Selbsterkenntnis. Eine Tour in ihr Innerstes, an deren Ende sie etwas über sich erfuhr, dass sie nicht wissen wollte. Wie eine Antwort auf eine Frage, die man nicht zu stellen wagt, nicht stellen will, weil man weiß, dass einem die Gewissheit der Antwort die letzte Hoffnung nimmt.
Alles was sie wollte war ihr sauer verdientes Geld von ihren Bossen zurückholen und dann neu anfangen. Ein legitimer Wunsch, wie ich finde. Ob der Preis den sie dafür zahlen musste angemessen war, wage ich jedoch zu bezweifeln. Doch was weiß ich schon. Ich schreibe nieder, um zu verstehen, nicht um zu werten.
Als wir in Cannes angekommen waren und den Boulevard du Midi entlang spazierten, blieb sie abrupt stehen. Sie drehte sich zu mir und küsste mich. Wortlos. Es war etwas Trauriges in dem Kuss. Sie legte die Hand um meine Schulter und wir gingen weiter. Sie sah auf das Meer, ich auf den Boden unter meinen Füßen.
Eines habe ich Ihnen von uns noch nicht erzählt. Ich bin um einen halben Kopf kleiner als Sandrine.
***
... wie geht es weiter?
Wenn es Euch gefallen hat, dann habt ihr jetzt mehrer Möglichkeiten. Ihr könnt ...
* Ein Sternchen zum leuchten bringen (oben rechts)
* Eure Ansichten in Form eines Kommentars posten (darüber freue ich mich besonders!)
* Mal auf Wattpad stöbern, was es von mir sonst noch so gratis zu lesen gibt
* Auf meiner Amazon-Seite vorbeischauen: http://amzn.to/SnipaX
Das alles könnt ihr machen ... nicht zwingend in der Reihenfolge, versteht sich. ;)
Euer Luc
DU LIEST GERADE
Kreuzdame
AvventuraLiebe Leserin, lieber Leser! "Kreuzdame" ist die Pilotfolge zur Serie "Pochette". Das Buch ist sowohl in Deutsch, als auch in Englisch hier auf Wattpad gratis lesbar. Meinen Dank dafür an den Begedia Verlag und Wattpad. Die Folgebände erscheinen im...