Kapitel 5
Sandrine stolperte fast über ihr Abendkleid, als sie durch die Wohnungstür trat.
Sie legte die Einkaufstasche mit dem großen „Beloque“ Logo auf das Sofa vor dem Fernseher und drapierte es auf dem Bett. Sie faltete die Hände. Dann seufzte sie ein kleines »Hach!«
Es klopfte an der Tür.
Sandrine öffnete und Frederik stand davor. Er druckste herum.
»Ich möchte dich ja nicht drängen, meine Liebe, aber du hast gesagt, dass du mir helfen willst.«
»Wegen Frida?«, unterbrach ihn Sandrine.
Frederik kratzte sich am Nacken.
»Sieh mal, wir fahren am Wochenende zu unserer Tochter …«
»Und du willst nicht, dass sie zwei Tage lang über dich herfallen?«
Der Hausmeister kramte in der Brusttasche seines Hemds nach der Zigarettenpackung. Dann zuckte er mit den Schultern.
Sandrine tippte sich auf die Nase.
»Keine Sorge. Ich habe nicht auf dich vergessen. Ihr beide kommt morgen Vormittag mit mir in die Stadt. Ich muss noch etwas abholen und bei Jacques Beloque hängt im Geschäft neben dem Schaufenster ein safranfarbener Pulli, Größe 24. Wir gehen gemeinsam rein, du führst Frida zu dem Pulli, dann soll sie ihn anprobieren und willkommen schönes Familienwochenende.«
Die beiden lächelten sich an.
»Gut, gut, gut …« Der alte Mann schritt erleichtert davon.
»Bis morgen, Frederik.«
Sandrine schloss die Tür und betrachtete breit grinsend die Einkaufstüte, in der die letzten beiden Pullover der Boutique „Beloque“ in Größe 24 lagen. Einer in Pink, einer in Safran.
***
Als Sandrine, mit Frederik und Frida durch die Eingangstür der Boutique kamen, traute Jasmin ihren Augen nicht.
»Mademoiselle Ferrand … sind das Freunde von Ihnen?«
Das alte Ehepaar Mueller sah in den abgetragenen Mänteln etwas verloren aus.
»Ja. Ich möchte, dass Sie sie mit derselben Höflichkeit behandeln wie mich.«
»Monsieur Beloque ist noch nicht im Haus.«
»Das macht nichts.« Sandrine winkte ab. Sie stellte sich so nahe wie möglich an den Tresen und winkte Jasmin mit dem Zeigefinger zu sich.
»Sagen Sie es nicht weiter, aber die beiden sind inkognito. Britischer Adel. Lord und Lady Welslington.«
Jasmin sah neugierig aus den Augenwinkeln zu den beiden Eheleuten, die sich in der Boutique umsahen, wie Kinder in einem Bonbonladen.
Sandrine indessen sah mit schnellem Blick in das Regal, in dem die Einkauftüten mit den abzuholenden Kleidern lagen. Fast in Reichweite lugte ihr Bolero aus einer der Taschen heraus.
»Ich nehme an, Jacques konnte sich nicht überwinden, das Angebot der königlichen Einkäuferin auszuschlagen.«
Jasmin verzog entschuldigend die Mundwinkel auseinander.
»Nein, tut mir leid.«
Sandrine nickte verdrossen.
»Na gut. Kann man nichts machen. Seien Sie ein Schatz und kümmern Sie sich nun bitte um die Welslingtons.«
