Kreuzdame - Kapitel 22

1K 59 0
                                    

Kapitel 22

Sandrine marschierte durch das Foyer ihres Hotels auf die Rezeption zu. Zwei Schritte hinter ihr folgte Roland.

Sie postierte sich breitschultrig vor dem Concierge und tippte mit den Fingernägeln auf den frisch polierten Empfangstresen.

»Mademoiselle Ferrand. Wie kann ich Ihnen helfen?«

»Meinen Schlüssel, bitte.«

Der Mann sah sie mit der erhobenen rechten Augenbraue an.

»Es tut mir furchtbar leid, aber nach Prüfung Ihrer Geschäftsfähigkeit, mussten wir feststellen, dass Ihre derzeitigen Mittel nicht ausreichen, um eines unserer Zimmer finanzieren zu können.«

Sandrine presste die Lippen aufeinander. Hatte es also angefangen. Das Geld war bereits eingefroren. Das Konsortium war überaus schnell.

»Was mich zu der Frage führt, wo Sie meine Sachen zwischengelagert haben?«

Der Concierge wies mit seiner linken auf eine Tür, auf der das Wort: »Zwischenaufbewahrung« in glänzenden bronzenen Buchstaben geheftet war.

Sandrine prüfte den Sitz ihres Pflasters auf der Stirn.

»Ich nehme an, dass Sie auch meinen Pass einstweilig verwahren?«

Der Concierge nickte, drehte sich um, zog aus einer Schublade Sandrines Reisedokument und legte es auf den Tresen.

Sie wollte danach greifen, als die Hand des Rezeptionisten ihr Handgelenk umfasste.

»Verzeihen Sie. Die Hausordnung untersagt es mir Ihnen Mittel zur Verfügung zu stellen, die es Ihnen ermöglichen würden das Land zu verlassen, ohne Ihre Schulden bezahlt zu haben.«

Sandrine wurde heiß. Sie glühte vor Zorn. So weit waren sie also auch gegangen.

Sie presste alle Gefühle in ihre Tränensäcke, bis die ersten Tropfen aus ihren Augen perlten.

»Hören Sie. Ich habe in den letzten Stunden einige wirklich furchtbare Sachen erlebt. Mein Weg führt mich von hier ins Krankenhaus. Hätten Sie zumindest die Güte diesem vertrauenswürdigen Sanitäter meinen Pass auszuhändigen, damit er da drüben, in Ihrer »Zwischenaufbewahrung«, meine Personalien für die Krankengeschichte aufnehmen kann?«

Der Rezeptionist beäugte Roland misstrauisch. Schließlich ließ er Sandrines Handgelenk los und sagte: »Meinetwegen. Sie haben zehn Minuten.«

Sandrine schniefte ein paar Mal. Sie dankte und der Concierge reichte Roland ihren Pass.

Mit gesengtem Haupt ging Sandrine vor Roland her. Sie öffnete die Tür zur Zwischenaufbewahrung und trat ein.

Ihre gesamte Habe war in mehrere schwarze Müllsäcke gepackt worden und stand zwischen einer Reinigungsmaschine und einem Container mit der Aufschrift: »Ausrangierte Bettwäsche«.

Sandrine fluchte in sich hinein. Das Konsortium hatte ganze Arbeit geleistet. Diesen Leuten irgendetwas erklären zu wollen, war zwecklos geworden. Immer mehr fühlte sie, dass alles eine abgekartete Sache war.

Sie riss einen Sack nach dem anderen auf. Als sie schließlich ihre blaue Sporttasche fand, packte sie das Nötigste zusammen. Roland stand hinter ihr an die geschlossene Tür gelehnt, den Pass in die linke Jackentasche seiner Sanitäter-Uniform gesteckt.

Sandrine tastete in einem Sack nach einer Plastik-Schachtel. Parsleys mobiles Terrarium. Als sie es gefunden hatte, zog sie es heraus und schaute hinein.

»Da bist du ja«, seufzte sie. Parsley schlief. Sie packte ihn samt dem Terrarium in ihre Sporttasche und zippte sie zu. Dann hing sie sich die Tasche über die Schulter.

Sie drehte sich zu Roland um. Dieses Mal funkelten ihre Augen vor Zorn.

»Sehen Sie sich das an, was die mit meinen Sachen gemacht haben«, schrie sie den jungen Mann an, der seine Hände abwehrend auf Brusthöhe hob.

»Da kann ich nichts dafür.«

»Geben Sie mir meinen Pass.«

Roland wurde rot im Gesicht.

»Ich denke nicht, dass das klug wäre.«

Sandrine trat mit ein paar schnellen Schritten auf ihn zu. Sie sah wie eine Raubkatze aus, die zum Sprung bereit war. Mit der linken Hand packte sie Roland am flexiblen Hosenbund seiner Uniform und zog daran, dass sie eine Handbreit von seinem Bauch offen stand.

Mit einem flinken Griff fischte sie aus der Außentasche der Sporttasche ein Röhrchen mit grüner Flüssigkeit.

»Wenn Sie mir nicht augenblicklich meinen Pass geben, mir dann freundlich die Tür öffnen und den Rezeptionisten ablenken, während ich abhaue, dann bekommen sie das hier ab.«

Roland schluckte. Seine Hände waren nun auf Schulterhöhe.

»Wa ... was ist das?«

Sandrine hielt die Phiole zwischen rechtem Daumen und Zeigefinger. Die Flüssigkeit schwappte darin herum.

»Das, Freundchen, ist eines der potentesten Gifte, die diese Welt zu bieten hat. Es wird aus der Hirnanhangsdrüse einer Seeschnecke extrahiert, die im Indischen Ozean Jagd auf Riffhaie macht.«

Roland schluckte.

»Was haben Sie damit vor?«

»Wenn ich dieses Toxin über deinen kleinen Freund da gieße, dann kannst du ihn in Zukunft nicht mal mehr dem Spiegel zeigen. Es ätzt ihn einfach weg.«

Da Sandrine nicht mit den Fingern schnippen konnte, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, schnalzte sie mit der Zunge.

Roland stand der Schweiß auf der Stirn.

»Alles nur das nicht. Hier, bitte, nehmen Sie ihren Pass.«

Er zog ihn aus seiner Jackentasche.

Sandrine nickte auf ihre Pochette. Roland verstaute das Dokument darin.

»Gut gemacht, Junge. Jetzt der Concierge.«

Sie ließ seinen Hosenbund los und öffnete die Tür.

Der Sanitäter schlüpfte hinaus. Er stellte sich geschickt in das Blickfeld des Rezeptionisten. Sandrine setzte sich ihren weißen Leinen-Sonnenhut mit breiter Krempe auf, schob die Sonnenbrille auf die Nase und huschte aus dem Raum.

Zwischen den Palmen im Foyer zwängte sie sich zum Ausgang auf die Straße.

Eine frische Meeresbrise fuhr ihr ins Gesicht. Sie atmete durch.

»Eine Meeresschnecke, die Riffhaie jagt. Männer.« Sandrine blies verächtlich und deutlich hörbar Luft durch die Nase. Dann grinste sie.

Sie öffnete die Phiole. Mit dem Zeigefinger tupfte sie etwas Chanel No. 19 hinter ihre Ohren und packte das Parfum wieder zurück in die Tasche.

Mit einer kurzen Handbewegung winkte sie einem Taxi.

Das Geld würde gerade noch reichen, um zum Bahnhof zu kommen. Wie sie allerdings die Fahrt nach Calais bezahlen sollte, um nach London zu kommen, stand auf einem noch unbeschriebenen Blatt.

***

... wie geht es weiter?

Wenn es Euch gefallen hat, dann habt ihr jetzt mehrer Möglichkeiten. Ihr könnt ...

* Ein Sternchen zum leuchten bringen! Vote for it!

* Eure Ansichten in Form eines Kommentars posten (darüber freue ich mich besonders!)

* Mal auf Wattpad stöbern, was es von mir sonst noch so gratis zu lesen gibt

* Auf meiner Amazon-Seite vorbeischauen: http://amzn.to/SnipaX

Das alles könnt ihr machen ... nicht zwingend in der Reihenfolge, versteht sich. ;)

Euer Luc

...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt