Jungkook
Nervös trommle ich mit den Fingern auf der Bettkante herum und starre das blasse Gesicht Taehyungs an.
"Er wird nicht schneller aufwachen, wenn du ihn so anstarrst", höre ich die Krankenschwester amüsiert sagen, doch ich schaue nicht einmal auf, als ich mit den Schultern zucke. Er soll gefälligst schnell wieder zu Bewusstsein kommen. Ich möchte mit ihm reden.
Wieso hat er mir nie erzählt, dass er Klaustrophobie hat?
Aber wenn ich so darüber nachdenke, bin ich wohl der letzte, der ihm diese Frage stellen und ihm damit eine Art Vorwurf machen könnte. Immerhin habe ich mich sogar geweigert, mit ihm zu reden, weil ich gestottert habe. Er könnte mich genauso fragen, wieso ich es nicht erzählt habe.
Nachdem er ohnmächtig geworden ist und ein paar Leute ziemlich dumm gegafft haben, hat man mir schlussendlich doch geholfen, ihn ins Krankenzimmer zu bringen, wo er nun seit einer knappen Stunde liegt und anscheinend nicht vorhat, aufzuwachen.
"E-es ist a-a-abe-er n-nichts schl-immes o-oder?", frage ich unsicher und sehe nun doch auf zur Schwester, die gerade einige Unterlagen ausfüllt. Sie blickt mich an, lächelt dann sanft und winkt ab. "Nein, er hatte nur einen ziemlich heftigen Fall von Klaustrophobie. Es ist nichts schlimmes geschehen, also besteht kein Grund zur Sorge", meint sie sanft. Ich nicke, stoppe aber nicht damit, mit den Fingern auf der Bettkante herumzutrommeln, oder Taehyung anzusehen.
Mir hat es im Herzen weh getan, mit anzusehen, wie sehr ihm die Situation zuvor zugesetzt hat.
Erst dachte ich, er reagiert einfach über, als er gegen den Fahrstuhl getreten hat, aber als er plötzlich zu Boden ging und zu weinen angefangen hat, habe auch ich begriffen, dass er nicht bloss überreagiert. Ich wusste nicht, was ich tun konnte, um irgendwie hilfreich zu sein, also habe ich versucht in abzulenken.
Immerhin war ich geistesgegenwärtig genug, zu verstehen, dass ich ihn nicht umarmen sollte, denn dann würde er sich ja nur noch eingeengter fühlen.
Er tut mir leid. Ich habe ihn immer als unglaublich stark und jemanden gesehen, der keinerlei Ängste hat, alles locker nimmt und sich nicht einschüchtern lässt. Die Tatsache, dass ihn so eine Situation so schwach werden lässt, kann ich kaum glauben. Allerdings hat es mir klar gemacht, dass ich nicht immer denken sollte, ich hätte es am schwersten. Vielleicht habe ich es nicht leicht, aber sowas ist bestimmt auch kein Zuckerschlecken und irgendwie hat mich die Tatsache, dass er ebenfalls eine Schwäche hat, sicherer fühlen lassen.
Sicher genug, um zu denken, er wird der Letzte sein, der sich über mein Stottern lustig macht.
"Wi-wieso w-wa-acht er n-nicht a-auf?", beschwere ich mich bei der Schwester, die wieder nur schmunzelt. "Gib ihm doch etwas Zeit", tadelt sie mich leicht, "Das war ziemlich viel für den Armen."
Seufzend nicke ich, stehe auf und krame die letzten Münzen meines Taschengeldes aus meiner Jeanstasche. Ohne die Schwester eines weiteren Blickes zu würdigen, verschwinde ich aus dem Raum. Ich laufe die stillen, leeren Flure der Schule entlang, zum nächsten Süssigkeitenautomaten. Dort verschwende ich die besagten, letzten Münzen in einen Schokoriegel, doch als ich dessen Nummer und auf 'Ok' drücke, passiert nichts.
Stirnrunzelnd sehe ich den gewünschten Betrag nochmals, doch auch das habe ich richtig eingeworfen. Seufzend schlage ich gegen das Glas und versuche damit etwas zu erreichen - erfolglos.
Verdammtes Drecksteil. Frustriert wende ich mich wieder ab und beschliesse dem dämlichen Automaten seine Freude zu lassen, dass er gerade einfach mein Geld geschluckt hat und mir nicht meinen versprochenen Schokoriegel dafür herausgegeben hat. Ich laufe also zurück zum Krankenzimmer, wo mein Blick zu allererst wieder zum Bett wandert. Allerdings wird mir die Sicht von der Krankenschwester versperrt. Neugierig laufe ich darauf zu, bis ich Taehyungs aufgeschlagene Augen sehe. "T-tae!", lächle ich erleichtert und setze mich wieder neben ihn.
Der Ältere setzt sich ebenfalls langsam auf. "Wieso bin ich hier? Mir geht's gut", brummt er leise, doch ich kann sehen, wie sehr es ihn stört, dass er so ausgerastet ist. Es muss ihm wohl peinlich sein, dabei hat er keinen Grund dazu. Er kann nichts dafür.
Sein Blick wandert zu mir und er schenkt mir ein schwaches Lächeln. "Sorry, dass ich so einen Aufstand gemacht habe", sagt er leise. Ich winke ab. "M-macht d-d-do-och n-nichts", antworte ich zaghaft. Sein Lächeln wird breiter, strahlender, als er mich plötzlich in eine feste Umarmung zieht.
Überrumpelt davon reagiere ich erst nicht, bis ich meine Arme ebenfalls lächelnd um ihn lege. "Danke", murmelt er, "Du hättest es nicht tun müssen, aber du hast mit mir geredet. Ich habe es nicht wirklich mitgekriegt, aber ich bin froh, dass du mir das Gefühl gegeben hast, nicht komplett allein zu sein."
"Ke-kein D-d-ding", stammle ich aufgeregt und drücke ihn fester. Kurz ist es still, bis ich Taehyung seufzen höre. "Ich denke, den Fahrstuhl, hat Karma für mich arrangiert, weil ich dich zu dem Film gezwungen habe."
Verwirrt löse ich mich von ihm und sehe den Älteren mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er grinst schief und erklärt: "Ich hatte die Vermutung, dass du stotterst und deshalb nicht reden willst. Mit dem Film hat sich die bestätigt."
Empört boxe ich gegen seine Schulter, was ihm wiederum ein Lachen entlockt. "Tut mir ja leid!", ruft er hörbar amüsiert und hält sich die von mir getroffene Stelle, "Aber was hat es geändert, Jungkook? Als ich es wusste, war ich genau wie vorher, ich habe dich nicht zur Rede gestellt und dich nicht anders behandelt als zuvor auch schon."
Wenn ich darüber nachdenke, hat er Recht. Er hat mich behandelt wie immer und kein einziges Wort darüber verloren. Er hat es niemandem erzählt, er war immer gut zu mir. "W-Wieso?", frage ich leise nach, "W-w-wieso ha-ast d-du m-m-mich n-nicht zur Re-Rede ge-geste-ellt?"
Aus dem schiefen Grinsen wird ein sanftes Lächeln, als er mir durch die Haare streicht und leise antwortet: "Weil ich wollte, dass du mir vertraust und es mir selbst sagen wirst, dass du von alleine aus dir herauskommst und mich an deinem 'Geheimnis' teilhaben lässt."
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Stutter [Vkook]
FanficEr redet nicht. Das ist wohl das erste, was Taehyung einfällt, wenn man ihn fragt, wie sein neuer Tischnachbar ist. Er scheint nicht einsam zu sein, bloss sehr schweigsam. Was Taehyung nur nicht weiss, ist, dass es Jungkook sehr schwer fällt, zu s...