Taehyung
Schmunzelnd betrachte ich den Jüngeren von der Seite, welcher ohnehin rechts von mir am Pult sitzt und aufmerksam die Notzien von der Tafel in sein Heft niederschreibt. Ich mache mir die Mühe gar nicht erst, es ist ohnehin Mathe.
Ob ich das nun abschreibe und nicht verstehe oder es direkt wieder vergesse - ich werde den Test sowieso in den Sand setzen. Wozu also noch mehr verlorene Liebesmüh, für etwas, das schon von Beginn an hoffnungslos ist?
Jungkook dagegen, der ein wahres Genie in dem Fach zu sein scheint, lässt seinen Stift beinahe über das Papier fliegen, so hastig kritzelt er all die Formeln und Rechnungen, gemeinsam mit den Lösungen hin.
"Du machst das super", grinse ich leise und drücke ihm dazu spielerisch die Rückseite meines Bleistiftes in die Seite. Er schlägt meine Hand weg, ohne aufzuschauen, doch als ich die Aktion, ein Kichern unterdrückend, wiederhole, sieht er auf, in meine Augen und hebt skeptisch eine Augenbraue, als wollte er mich so fragen, was dieser Unfug nun soll.
"Keine Sorge, ich brauche keine Erklärungen mehr. Ich versteh' diesen Shit sowieso nicht", murmle ich leise, woraufhin zwar ein kleines Grinsen seine Lippen ziert, er jedoch auch die Augen verdreht. "Ich musste dir nur sagen, dass ich deine Haarfarbe sehr passend finde", raune ich nun, woraufhin tatsächlich ein rosaner Schimmer auf seinen Wangen erscheint. Er räuspert sich leise und schlägt die Augen verlegen lächelnd nieder, bevor er mir einen dankenden Blick zuwirft, zwischen seinen, nun schwarzen, Strähnen hindurch.
Jimin und er müssen wohl gestern noch zum Friseur gegangen sein und den dazu beauftragt haben, dem Jüngeren hier vor mir, die Haare pechschwarz zu färben. Es steht ihm auf jeden Fall, finde ich und bildet einen angenehmen Kontrast mit seiner blassen Haut.
Ich grinse breit und sehe hinab auf meine aufgeschlagene Heftseite, die nach wie vor leer ist. Daneben liegt ein Blatt, voll mit Übungsaufgaben - ebenfalls leer, bis auf die Tinte, die wortwörtlich für mich darauf verschwendet wurde.
Als ob ich mir überhaupt die Mühe machen würde, diese Rechnungen durchzulesen, ich werde nicht einmal zum Test erscheinen. Ich verstehe nicht, wie die Lehrerin das noch nicht begriffen hat, nach dem ersten Test, zu dem ich ebenfalls nicht erschienen bin.
Ich habe es ihr sogar gesagt. Sie hat es mir wohl nicht geglaubt.
Und genauso wie sie es damals nicht geglaubt hat, so hat sie es mir auch heute nicht geglaubt, als ich es ihr mit aller Ernsthaftigkeit, die ich besitze, ein weiteres Mal gesagt habe und ihr das Übungsblatt zurückgeben wollte. Sie ist eine ziemlich hartnäckige Frau, das muss man sagen.
Dumm nur, wenn ich mir daraus nichts mache. Entweder es wandert zurück auf ihren Stapel Kopien oder ich verfackle es zuhause irgendwann. Einen grossen Unterschied macht das nicht.
"Weisst du", schmunzle ich wieder in Jungkooks Richtung, "während du vermutlich bald fertig bist, habe ich nicht einmal die erste Aufgabe angefangen. Ich bin wirklich eine Niete, oder?"
Die Aussage scheint ihn zu amüsieren, denn ich sehe von der Seite, wie sein Grinsen immer breiter wird, bis es seine Augen nur noch zu kleinen Schlitzen werden lässt. Ein paar süsse Lachfältchen erscheinen und seine Schultern beben, als er unterdrückt lacht und seinen Kopf auf der Tischplatte ablegt. Ich verstehe zwar nicht, was an dieser, durchaus bitteren, Erkenntnis so lustig sein soll, aber wenn er Spass daran hat, soll es mich nicht stören.
Ich bin kein Mensch, der meine mathematische Unfähigkeit versteckt, wo er nur kann oder sich dafür schämt, viel mehr mache ich mich selbst noch darüber lustig, also macht es mir auch nichts aus, wenn andere deswegen über mich lachen.
"Du könntest mir Nachhilfe geben", bemerke ich halblaut, woraufhin er schnaubt und sich etwas aufrichtet, kurz in sein Heft schreibt und es dann zu mir schiebt.
Bei dir ist sogar Nachhilfe hoffnungslos.
"Da hast du sogar Recht. Hab ich in der siebten versucht - war nichts", räume ich nickend ein, wieder breit grinsend, was ihn wohl wieder unheimlich amüsiert.
"Taehyung, da du dich anscheinend nicht auf meinen Unterricht konzentrieren willst, kannst du mir ja bereits sagen, wie die Lösung zu Aufgabe Acht lautet?", erklingt die schneidende Stimme der Lehrerin in diesem Moment. Augenblicklich sehe ich zu ihr nach vorne, erkenne ihren scharfen, missbilligenden Blick und genauso erkenne ich auch die Zahlen und Variablen an der Tafel.
"Aufgabe acht?", wiederhole ich gespielt interessiert und höre ein "Ja." während ich mich über mein unberührtes Übungsblatt lehne, wohl wissend, dass ich diese Lösung auf keinen Fall habe. "Nein", grinse ich, sobald ich wieder aufsehe, und lehne mich seufzend zurück, "Wieso tun Sie mir nicht den Gefallen und geben im Zeugnis schon mal eine Sechs in Mathe ein? Ich werde auf keinen Fall etwas besseres schaffen als das. Sie können sich doch glücklich schätzen, dass ich diese Stunde überhaupt besuche und nicht zuhause schlafe, denn wenn wir ehrlich sind, wäre letzteres sogar durchaus lohnender."
Die Klasse bricht nach meinem Kommentar in Gekicher aus und ich sehe die Frau weiterhin grinsend an, die wohl ein Augenverdrehen unterdrückt, ehe sie sich an Jungkook wendet: "Jungkook, weisst du es?"
Der Schwarzhaarige weitet die Augen und sieht sie erschrocken an, bevor er heftig mit den Kopf schüttelt. Stirnrunzelnd beuge ich mich zu ihm und schiele auf sein Blatt, bevor ich ihn wieder anschaue. Er ist sogar bereits doppelt so weit, wieso weigert er sich?
"Als ich bei dir vorbei gelaufen bin, hattest du die Antwort", erwidert die Lehrerin auf sein Kopfschütteln. Er beisst sich auf die Lippe und umklammert die Tischplatte fest, als fiele er bald in Ohnmacht. Irritiert sehe ich ihn an. Was ist denn schon dabei die Lösung zu sagen?
Wenn ich wenigstens eine hätte, ob richtig oder falsch, wäre ich schon stolz auf mich.
"Na komm, trau dich", ermunter die Lehrerin ihn mit einem kleinen Lächeln. Er schluckt leer und sieht erst sie, dann mich nervös an, bevor er den Blick schliesslich doch auf das Blatt senkt und den Mund öffnet.
Sein Körper verkrampft und spannt sich an, kein Ton verlässt seine Lippen und ich merke, wie er beginnt zu zittern, was wohl nicht besser wird, durch das Gestarre der Mitschüler, die alle eine Antwort von ihm abwarten. "Hey", murmle ich leise, "Ist schon gut, sie kann dich nicht zwingen, etwas zu sagen."
Ich lege ihm die Hand auf den Rücken und will der Lehrerin gerade mitteilen, dass er es nicht möchte, als er durch die einfache Berührung heftig zusammenzuckt. In Sekundenschnelle ist er auf den Beinen, lässt seine Sachen liegen und stürmt aus dem Raum, als wäre der Teufel hinter ihm her.
Kaum ist die Tür zugeschlagen worden, herrscht Ruhe im Raum, sogar die Lehrerin scheint irritiert vom Verhalten des Schwarzhaarigen, bevor sie sich räuspert und mit dem Unterricht fortfährt. Genau wie zuvor mache ich mir auch dieses Mal nicht die Mühe, mitzukommen, sondern starre viel lieber die Tür an, durch welche Jungkook gerade eben verschwunden ist.
Anschliessend sehe ich seine Seite des Pultes an und entdecke zu meiner Überraschung ein zusammengeknülltes Papier, dass auf dem Stuhl liegt. Er muss es wohl verloren haben.
Neugierig nehme ich die Papierkugel in die Hände und öffne sie, bevor ich das Papier notdürftig glatt streiche und mir dann anschaue, was darauf zu sehen ist.
Normal
Mehr ist nicht darauf. Ein sehr hübsches Graffiti von diesem durchaus nicht gerade sehr speziellen Wort. Die Worte sind gross und fett mit schwarzem Filz nachgezogen. Es wurden Efeuranken um das Wort gemalt, eine Backsteinmauer kann ich erkennen, die mit ebenso viel Liebe zum Detail skizziert worden ist, wie die Pflanzen und Risse, die die Buchstaben teils auseinander nehmen.
Normal?
Wofür soll das bitte stehen? Was meint Jungkook damit?
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Stutter [Vkook]
FanficEr redet nicht. Das ist wohl das erste, was Taehyung einfällt, wenn man ihn fragt, wie sein neuer Tischnachbar ist. Er scheint nicht einsam zu sein, bloss sehr schweigsam. Was Taehyung nur nicht weiss, ist, dass es Jungkook sehr schwer fällt, zu s...