°33 - Ende

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Jungkook

Aufgeregt fahre ich durch meine Haare und sehe Jimin an, welcher völlig entspannt auf meinem Bett liegt und irgendein Klatschheft durchschmöckert, welches er von der Bushaltestelle mitgenommen hat.

"I-ich ha-habe A-angst", gestehe ich ihm halblaut und zupfe an dem weissen, grossen Shirt herum, das ich trage. Mein bester Freund sieht erst nur über den Rand der Zeitschrift hinweg, in meine Augen, bevor er es weglegt und sich aufsetzt. "Kookie, es gibt nichts, wovor du dich fürchten müsstest", lächelt er beruhigend, "Es wird sich eigentlich gar nichts verändern!"

Ich zucke hilflos mit den Schultern und schlucke leer. "I-ich h-h-habe t-trotzdem A-angst", murmle ich leise. Jimin schmunzelt etwas und lässt sich wieder gänzlich zurück aufs Bett fallen. "Du weisst, dass du vor mir nicht so tun musst", lässt er mich wissen. Ich sehe ihn trotzig an.

"D-dann ve-ver-g-gesse i-ich e-es b-bei T-Tae a-auch", erwidere ich spitz und seufze dann tief, bevor ich zum Fenster gehe und hinaus in den Himmel sehe. Wie zu erwarten, ist es noch ziemlich hell und bis man die ersten Sterne sieht, kann es wohl noch eine Weile dauern. "H-hast du a-an die D-de-cke  g-gedacht?", will ich wissen, ohne zum Braunhaarigen zu schauen, der abfällig schnaubt. "Natürlich, wie könnte ich die vergessen, wenn du mich den ganzen Tag daran erinnert hast?", erwidert er schnippisch und ich drehe mich doch zu ihm um, um noch zuzusehen, wie er die hübsche, dunkelblaue Picknick-Decke aus seiner Tasche holt und mit zuwirft. Reflexartig fange ich das grosse Stoffstück auf und halte es fest an meine Brust gedrückt.

"Me-meinst d-du es w-w-w-wird i-ihm g-gef-allen?", frage ich unsicher und grabe meine Finger zusätzlich in die geliehene Decke, bevor ich sie wieder Jimin zuwerfe, der sie auch auffängt. Ich habe noch nie ein Date organisiert, ich habe absolut keine Ahnung ob ihm das gefallen wird, was ich vorhabe und wie er zu Überraschungen steht. Jimin verdreht mit einem gutmütigen Lächeln die Augen und steht auf, um mir durch die Haare zu wuscheln. "Jetzt mach dir nicht so viele Sorgen. Taehyung wird es toll finden, nur weil du schon so etwas für ihn getan hast, versprochen. Und wenn nicht, dann breche ich ihm den Kiefer."

Fröhlich lachend entfernt er sich wieder von mir und ich gebe ihm einen entsetzten Blick, den er grinsend erwidert. "Guck nicht so", meint er heiter, "Soweit wird es nicht kommen, denn es wird ihm gefallen. Die Idee ist süss."

Ich schlucke leer und nicke unsicher, wobei ich wieder zum Fenster hinaus sehe, diesmal aber nicht in den Himmel, sondern zum nebenan liegenden Haus, zu Taehyungs Zimmer. Ich kann nicht viel erkennen, weswegen ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Jimin richte und ihn auf der Unterlippe herumkauend anschaue.

"Jetzt ruf ihn schon an!", lacht der Ältere und nickt ermutigend. Voller Unsicherheit hole ich mein Handy hervor und sehe es erst einige Sekunden still an, bevor ich es entsperre und den Kontakt meines Freundes antippe und ihn anrufe.

Es dauert nicht wirklich lange, bis er abnimmt und seine tiefe Stimme an meinem Ohr erklingt: "Kookie?", lächelt er hörbar glücklich. Mein Herz beginnt schneller zu klopfen, als ich sehe, wie Jimin mir mit einem Lächeln zuwinkt, einen Daumen nach Oben zeigt und dann aus dem Zimmer verschwindet. "H-hey", flüstere ich leise, "M-m-möchtest d-du rü-über k-k-kommen?"

~~~

Dicht an Taehyung gekuschelt verfolge ich die letzten Szenen des Animationsfilms mit und nehme dabei den stetigen, beruhigenden Herzschlag des Älteren wahr, der seinen einen Arm um mich geschlungen hat und abwesend Kreise auf meine Seite zeichnet, während er selbst auch dem Film seine Aufmerksamkeit schenkt. Ich kann mir absolut nichts schöneres vorstellen, als hier im Bett zu liegen und mit Tae zu kuscheln. 

Wie aufs Stichwort wird das Bild des Filmes nun schwarz und es beginnt der Abspann. Einige Momente bleiben wir noch liegen, keiner spricht und ich versuche in Gedanken meine Bitte zu formulieren, ohne, dass es direkt zu vielversprechend klingt, aber eigentlich ist das Blödsinn. Es wird ihn so oder so neugierig machen.

"T-tae?", frage ich deshalb und greife nach der Fernbedienung, um den Fernseher auszumachen. Ich ernte ein fragendes Brummen von meinem Freund, der darauf den Kopf etwas dreht und mich aufmerksam anschaut. "G-ge-hen w-w-wir r-raus?", frage ich leise und verfolge mit, wie er verwirrt die Stirn runzelt.

"Möchtest du denn?", fragt er im Gegenzug und ich nicke vielleicht etwas zu eilig. Der Ältere setzt sich mit meinem Kopf auf seinem Oberkörper umständlich auf und zieht mich etwas näher an sich. "Dann lass uns rausgehen", lächelt er dann breit, was in mir eine wohlige Wärme auslöst. In wenigen Sekunden bin ich aufgestanden und habe Taehyung mit mir auf die Beine gezogen, nur um dann gemeinsam mit ihm die Treppe hinunter zu eilen und zur Haustür zu gelangen. Ich schliesse sie auf, lasse die Schuhe im Eingangsflur stehen und renne in den Socken nach draussen in den Vorgarten, Taehyung noch immer an meiner Hand hinter mir herziehend.

Der Ältere ist offensichtlich amüsiert über mein Verhalten, denn ich erkenne das breite, belustigte Grinsen auf seinen Lippen, trotz der beinahe alles umhüllenden Dunkelheit. Ich kann auch die Decke auf der Wiese ausmachen, die Jimin für mich dort ausgebreitet hat. 

Als Tae sie ebenfalls bemerkt bleibt er stehen und sieht mich mit schief gelegtem Kopf an. "Du hast das geplant?", stellt er fest und ich spüre, wie ich rot werde. Verlegen senke ich den Blick und nicke vage, was ihm ein kleines Lachen entlockt. "Das ist toll", flüstert er und ich spüre seine Fingerspitzen an meiner Wange, wodurch ich hoffnungsvoll wieder aufsehe. "W-w-wirklich?", hake ich mit klopfendem Herzen nach, worauf er nickt und sich dann als erstes auf der Decke niederlässt.

Ich tue es ihm gleich, lege mich auf den Rücken und sehe hoch in den Himmel. Das Wetter hat es offensichtlich gut mit mir gemeint, denn ich erkenne nur ein paar kleine Wölkchen, sonst ist der dunkle Himmel gefüllt mit tausenden, hellen, strahlenden Punkten. "Das sieht echt hübsch aus", bemerkt Tae leise, was ich mit einem zufriedenen Lächeln quittiere.

"G-gefä-ällt es d-dir a-a-also?", frage ich aufgeregt. "Auf jeden Fall!"

Ich schliesse die Augen und hole ein paar Mal tief Luft. Es ist gar nicht so schwer, ich kann es doch jetzt. Ich habe so oft und so hart geübt, es ist kein Problem, ich habe es selbst gemerkt. Und trotzdem ist die Angst gross, dass ich ins alte Muster verfalle, denn meine Nervosität ist genauso präsent wie die dazugehörige Angst des Versagens.

"T-tae?", frage ich leise in die Stille hinein, sobald ich mir einen kleinen Ruck gegeben habe. "Hm?", macht er. Ich sehe ihn nicht an, stattdessen starre ich die Sterne über mir an, als ich leise sagte: "Taehyung, ich liebe dich."

Stille.

Die Sekunden verstreichen, werden zu endlosen, quälenden Minuten, bis ich höre, wie er sich aufsetzt. "Jungkook...", beginnt er fassungslos, wodurch ich zu ihm aufschaue, seinen ungläubigen Blick zaghaft erwidere. "Du hast gar nicht.... sag es nochmals", verlangt er dann und ein Lächeln breitet sich auf meinen Lippen aus. "Ich liebe dich", wiederhole ich lauter und diesmal auch sicherer. Meine Überraschung scheint definitiv gelungen zu sein, denn sein Blick ist unbezahlbar.

"Du stotterst nicht, Jungkook", flüstert er und bringt mich damit zum lachen. "Ich weiss", antworte ich glücklich und setze mich ebenfalls auf, "Weisst du, jedes Mal, wenn ich dich in letzter Zeit abgewiesen habe und sagte, ich unternehme etwas mit Jimin, dann war das eine Lüge. Ich bin mit Jimin zwar in die Stadt gefahren, aber während er zum Tanztraining gegangen ist, habe ich ihn weder begleitet, noch sind wir später ins Kino. Ich habe eine Therapie gegen mein Stottern besucht. Und immer, wenn ich dir an Nachmittagen sagte, ich kann nicht zu dir kommen, weil ich lerne, dann habe ich geübt für die Termine... Mit Erfolg", füge ich etwas leiser hinzu, selbst wenn das offensichtlich ist.

Zwar erkenne ich erst ein Lächeln auf seinem Gesicht, doch dieses verschwindet rasch. "Und ich war dir sogar böse deswegen. Tut mir leid", murmelt er zerknirscht. "Muss es nicht, ich hätte eine bessere Ausrede bringen müssen", lache ich und umarme ihn innig. "Die letzte Stunde war vor ein paar Tagen. Seitdem habe ich nur so getan, als würde ich stottern. Ich wollte dich überraschen", murmle ich leise gegen seine Schulter.

"Jungkook?", fragt Taehyung nun, weswegen ich mich wieder von ihm löse und fragend anschaue. Er lächelt breit. "Sag es nochmals", bittet er mich. Ich sehe ihn amüsiert an, nicke aber. "So oft du willst", willige ich leise ein, "Ich liebe dich."  

Stutter [Vkook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt