Stutter [Vkook]

°4

Taehyung

Alles, was ich mitkriege ist, wie der Braunhaarige aufspringt, sodass Jimin ihn erschrocken anschaut und etwas sagt. Doch er hört gar nicht mehr darauf, oder dies sorgt dann dafür, dass Jungkook aufspringt und aus der Mensa rennt. 

Während sich alle nicht mehr weiter darum kümmern und wieder weiteressen, springt Jimin auf und beginnt, sein Zeug zu packen, um ihm wohl nachzugehen. Ich stehe hastig auf, nehme meinen Rucksack, stecke das Handy weg und lasse  das Tablett auf dem Tisch stehen, ehe ich zu dem Tisch mit Jimin und dem blonden, grossen Typen gehe und den Orangehaarigen anspreche. 

"Lass das lieber", meine ich ruhig und er sieht mich langsam, sichtlich verwirrt an. "Wie bitte?", hakt er irritiert nach. Ich seufze und drücke ihn an der Schulter zurück auf den Stuhl. Beinahe willenlos lässt er sich gehorsam auf diesen plumpsen und sieht mit grossen Augen zu mir auf.

"Was auch immer geschehen ist, es hat ihn verärgert oder gar verletzt. Es waren deine Worte. Also wird er dich jetzt als letztes sehen wollen", erkläre ich, "Er wird dir nicht zuhören, keine Sekunde lang. Vertrau mir."

Jimin scheint dies auch zu wissen, denn er seufzt und neigt den Kopf. "Wenn du willst, kann ich nach ihm sehen", biete ich an, woraufhin er sofort wieder mit hoffnungsvollem Hundeblick zu mir sieht. "Bitte, aber beeil dich, ja?", verlangt er, "Er wird auf der Toilette sein. Da ist er immer, wenn er sich beschissen fühlt."

Ich nicke und setze mich dann in Bewegung, laufe zur Tür und verlasse wie Jungkook zuvor die Mensa. Die Flure sind leer und es dauert nicht lange, bis ich bei den besagten Toiletten ankomme. Langsam öffne ich die Tür und trete ein, erblicke sofort die grosse, schlanke Gestalt beim Waschbecken, die den Kopf gesenkt hat.

"Ist alles in Ordnung?", frage ich leise und räuspere mich kurz, als ich merke, wie kratzig und heiser meine Stimme klingt. Er seufzt tief und reagiert nicht auf meine Frage. "Jungkook?", versuche ich es wieder. Diesmal hebt er langsam seinen Kopf und sieht dann durch den Spiegel zu mir. 

Er nickt langsam, vermutlich auf meine erste Frage, doch ich kann anhand seiner geschwollenen, roten Augen erkennen, dass er lügt. "Was ist los?", frage ich leise und voller Unsicherheit. Wann wird er wieder wütend auf mich sein? Wie sehr darf ich bohren? Er schlägt die Augen nieder und schüttelt den Kopf. Er redet wohl wirklich nicht gerne, wie es aussieht.

"Sieh mal", beginne ich ruhig, "Du musst es mir nicht sagen. Ich will dich zu nichts zwingen. Aber dein Freund macht sich Sorgen um dich. Es tut ihm unheimlich leid, was er getan hat, selbst wenn ich nicht weiss was."

Er schnaubt abfällig, doch trotz dessen erkenne ich die liebevolle Wärme in seinem Blick, die wohl anstelle eines "Ich weiss", steht. Ich komme mir nutzlos vor. Was mache ich hier eigentlich? Ich will einen fremden Schüler dazu animieren, mit mir zu sprechen.

Das ist doch völliger Blödsinn.

"Ich verstehe, dass nicht mit mir sprechen willst. Immerhin sind wir nur Fremde, wer will schon einem Fremden von seinen Problemen erzählen? Ich ganz bestimmt nicht", lache ich leise und sehe zu Boden. Deswegen kriege ich auch nicht mit, wie er sein Handy hervor nimmt und seine Memos öffnet. Es herrscht nur kurz Stille, bis Jungkook an meinem Ärmel zupft, was mich aufsehen lässt. Er sieht mich direkt an und zeigt mir dann den hellen Screen seines Handys. Erst verstehe ich nicht, was das soll, bis er auf das Gerät zeigt und ich beginne, zu lesen, was dort steht.

Es ist nicht deine Schuld.

Noch verwirrter als zuvor hebe ich den Blick und schaue in seine zwei dunkelbraunen Augen, die mich entschuldigend ebenfalls ansehen. Wieder erkenne ich ganz andere Emotionen, als heute morgen. Er zeigt wohl nicht gerne - obschon er durchaus manchmal ohne Worte mit seinem Körper zu verstehen gibt, was er meint - mit Mimik, Gesten oder Worten, was er fühlt, seine Gefühle versteckt er in seinen Augen. Das ist etwas unglaublich faszinierendes für mich, etwas derartiges habe ich noch nie gesehen. Natürlich strahlt jeder Emotionen mit Augen aus, aber so intensiv ist vollkommen neu und verdammt aussergewöhnlich. 

Man sagt wohl nicht umsonst, dass Augen die Tore zur Seele sind.

Fragend lege ich den Kopf schief. "Dass du nicht sprechen willst, mit mir? Liegt dir das Reden einfach nicht?", möchte ich wissen, woraufhin er nickt.

Ich hätte ja gesagt, er ist taubstumm, aber auch das kann ich ausschliessen, immerhin hört er mich ja deutlich. Und auch Taubstumme reden, selbst wenn sich dies anscheinend komisch anhören möge, dass sie sich selbst nicht hören können.

"Möchtest du es mich wissen lassen? Was vorhin in der Mensa vorgefallen ist? Es sah ziemlich schlimm aus. Habt ihr euch so heftig gestritten?", frage ich so sanft, wie ich kann. Er seufzt abermals und zuckt mit den Schultern, ehe er rasch auf seinem Handy herumtippt und dann plötzlich die komische, Roboterstimme des Google-Übersetzers erklingt: "Ich habe überreagiert."

Ich beginne zu lachen und schüttle den Kopf, wofür er mich perplex anschaut. Vermutlich denkt er, ich lache über seine Antwort, dabei lache ich über seinen Einfallsreichtum. "Du findest echt hundert Möglichkeiten, das Reden zu vermeiden, hm?", grinse ich amüsiert, woraufhin auf seinen Lippen tatsächlich ebenfalls ein Lächeln auszumachen ist und er wieder eifrig tippt.

"Scheint so", gibt die ekelhafte Stimme zum Besten

Schmunzelnd sehe ich ihn an. Er hat auf jeden Fall Humor. "Ich dachte schon, du hasst mich", murmle ich seufzend. Daraufhin schüttelt er heftig den Kopf. "Wieso sollte ich dich hassen?", plappert die blecherne, sonst nervige Stimme, "Ich kenne dich doch gar nicht."

Ich nicke. "Das mag sein. Aber manchmal erscheinen Menschen dir unsympathisch, ohne, dass man ein Wort mit ihnen wechselt", erwidere ich.  Er lächelt breit und schüttelt ein weiteres Mal den Kopf, bevor er mir die Hand hin streckt, während er mit der anderen kurz auf dem Handy tippt. Ich ergreife und drücke sie.

"Ich bin Jungkook", sagt die Frauenstimme vom Handy aus.

Mein Grinsen wird noch breiter. Wer hat jemals Freunde in einem verdammten Schulklo gefunden?! Wenn ich das Jin und Yoongi erzähle, werden sie mich wieder für meine verrückten Geschichten auslachen.

"Taehyung. Aber Tae reicht auch."