B❍NUS

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„Hey, wie geht's dir?", fragte Sandro mich fröhlich und ich schenkte Elijah einen weiteren Todesblick, von denen er schon in den vorherigen Minuten mehrere einstecken musste.

Mittlerweile hasste ich es, mit Sandro zu telefonieren. „Gut", erwiderte ich kurz angebunden und legte meine Hand auf das Mikrofon. „Muss ich das wirklich machen?", fragte ich Elijah schlecht gelaunt. Er hatte mich zu einem Telefonat zwischen mir und Sandro gedrängt, schließlich war es Weihnachten – das Fest der Liebe. Und deswegen saß ich hier auf dem Sofa und hatte die schlechteste Laune aller Zeiten. Ich wollte so gut wie nichts mehr mit ihm zu tun haben. Auch wenn es manchmal Momente gab, in denen ich seinen Rat gebrauchen könnte oder in denen ich mir ihn einfach als Vater oder so wünschte. Doch ich konnte ihm immer noch nicht verzeihen – auch wenn er so tat, als wäre alles okay. 

Doch ich kam immer noch nicht mit seinem Verrat klar, für mich war er gestorben. 

Doch wegen dem Fest der Liebe (ich muss kurz bemerken, dass Sandro nicht mehr zu meinen Liebsten gehörte), musste ich ihn anrufen. Was man nicht alles für seine Liebsten tat (und in diesem Fall war Elijah gemeint). 

„Ja, musst du", brummte Elijah und gab mir ein Handzeichen, das so viel bedeutete wie ‚Jetzt gib ihm eine Chance und telefonier weiter'. Ich hasse ab jetzt beide, wetten die haben sich zusammengeschlossen? Nach einem weiteren Todesblick wandte ich mich wieder der mir eigentlich zugeteilten Konversation zu. „Sorry, was hast du gerade gesagt?", fragte ich.

„Ich sagte, dass Jeff hier ganz cool ist, der ist einfach ein richtiges Ass im Kartenspielen" Er lachte, als er den unbeabsichtigten Witz bemerkte. 

Ich grinste, allerdings ließ ich es schnell sein und ein mir – mittlerweile einigermaßen bekannter – Schmerz durchzog meine Brust. So einen Witz hätte er auch gemacht, wenn noch ,alles gut gewesen wäre', wie Elijah es ausdrückte, doch so sehr ich ihn auch liebte, er verstand es einfach nicht. 

Und genau das war es, was mich so bei Sandro nervte. Er tat auf heile Welt, obwohl jeder wusste, dass es nicht so war. Selbst er. Er verschwieg die offensichtlichen Sachen und tat so, als wäre er nur auf Geschäftsreise oder so. Und ich hasste es. „Wie wird Weihnachten so im Knast gefeiert?", fragte ich und biss mir kurz darauf auf die Lippe. Entschlossen schüttelte ich den Kopf. Nein. Diesen Kommentar hatte er verdient, selbst Schuld. Elijah seufzte neben mir, er wusste genau, was ich gerade dachte.

‚Gib ihm eine Chance', sagten seine Augen, die mich streng musterten, doch trotzdem war eine zweite Nachricht versteckt, eine die mir sagte, dass er mich liebte und er direkt neben mir war, er war für mich da. Doch das half mir gerade herzlich wenig. 

Eine Stille übernahm die Leitung für ein paar Sekunden. „Rowan, ich habe vielleicht gedacht, dass du mich besuchst. Natürlich nur wenn du möchtest, kann ja niemand leugnen dass ich ein richtiger Arsch war. Oder bin. Ich weiß gar nichts mehr über dich, ich habe immer noch meine Rowan im Kopf, die mir eiskalt die Schulter gezeigt hatte, so wie ich es ihr beigebracht habe. Mann, auch wenn das wahrscheinlich der schlimmste Moment in meinem Leben war, war ich unheimlich stolz auf dich", sagte er und räusperte sich ein paar Mal. Weinte er etwa? 

Mein Herz zog sich zusammen und ich hasste mich selbst dafür, dass ich Mitleid für ihn empfand. „Es würde mich wirklich freuen, wenn du mich hier in Meadows besuchen würdest" Ich lachte kurz auf. „Vielleicht komme ich in ein paar Jahren mal vorbei, wenn ich sowieso gerade Lust habe eine Dreiviertel Stunde zu fahren", meinte ich. „War eine Idee, ich verstehe dich Rowan. Ich will mir gar nicht erst vorstellen, wie verraten du dich fühlst", flüsterte Sandro. „Ich will mir auch nicht vorstellen wie elend du dich in diesem Gefängnis fühlen musst", zischte ich genervt und ignorierte die Tatsache, dass er komplett Recht hatte. Sandro kannte mich einfach immer noch viel zu gut. 

Schattenmädchen | ✔︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt