Sweater Weather (NCT FF)

Kapitel 4

„Bist du jetzt auch eingebildet, oder was? Diese Park Siyeon scheint abzufärben." Die Art, wie sie den Namen meiner neuesten Freundin geradezu ausspuckte regte in mir den Drang, mich wieder für sie einzusetzen. „Ach, gerade wir sollen hier die Arroganten sein?", antwortete ich mit einer Gegenfrage und betonte das „wir" noch mehr als es nötig gewesen wäre. „Du bist doch diejenige, die andere heruntermacht!" Um meinen Worten mehr Druck zu verleihen hatte ich einen Schritt auf Minah zugemacht. In ihrem Gesichtsausdruck konnte ich die Überraschheit herauslesen, die sich innerhalb weniger Sekunden in Wut umwandelte. Bevor sie mich verärgert an den Schultern packen und zur Seite stoßen konnte, schlichtete jemand anderes vorerst unseren Streit.

„Immer mit der Ruhe, Mädels", unterbrach uns Kim Tae Woo, einer der Choreographen bei SM. Oder besser gesagt, nur seine Stimme, da sein Gesicht hinter zwei großen Kartons kaum noch zum Vorschein kam. „Wenn ihr frühmorgens schon genug Energie habt, um euch in die Haare zu kriegen, könnt ihr euch auch damit nützlich machen." Irritiert sahen wir zu ihm herüber. „Was genau...", fing Minah an und noch bevor sie zu Ende sprechen konnte, drückte er uns beiden jeweils einen Karton in die Arme. „Seid so nett und bringt das ein Stockwerk nach oben, in den Übungsraum zwei", kommandierte er mehr, als er uns darum bat und ließ uns dann allein mit den mysteriösen Paketen. „Als ob ich hier die Drecksarbeit mache, für diejenigen, die auch nur Trainees sind", beschwerte sich Minah, da ihr die Gebäudeaufteilung sehr gut bekannt war. Der zweite Stock, auf dem wir uns befanden und der darüber wurde von Trainees belegt, erst darüber kamen die Aufnahmestudios und Tanzräume der Stars. Nur die Cafeteria bildete eine Ausnahme. „Immer diese Zickenkriege", war es leise von Kim Tae Woo zu hören, der sich mittlerweile schon mehrere Meter von uns entfernt hatte. „Genau deshalb arbeite ich lieber mit den Jungs."

Als wäre ein geheimes Codewort gefallen, schnellten unsere Köpfe kurz in seine Richtung, dann blickten Minah und ich uns mit geweiteten Augen an. „Die zukünftigen Boygroup Mitglieder", formte sie tonlos mit ihren geschminkten Lippen und ich nickte, amüsiert darüber, was für einen plötzlichen Sinneswandel sie erlebt hatte. „Ganz genau."

Seit diesem Tag hatte ich sie nie wieder so schnell zu einem Aufzug rennen sehen. Ich sprintete ihr gerade noch rechtzeitig mit meiner Box hinterher, bevor sich die Türen des Fahrstuhles wieder schlossen. Bestimmt hatte sie auch noch extra auf den passenden Knopf gedrückt, vermutete ich misstrauisch und sah zu ihr herüber. Doch sie bemerkte mein Starren gar nicht. Minah war in Gedanken versunken und kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum. Trotz allem blieben wir Teenager, die sich für sowas etwas wie Dating mittlerweile interessierten, jedoch oft keine Zeit hatten, jemand außerhalb unseres engen Zeitplanes kennenzulernen. Kein Wunder, dass wir in Aufruhr gerieten sobald wir hier mit Jungs in mehr oder weniger unserem Alter zu tun hatten. Was in diesem Fall die Anwärter für Plätze in SMs nächster Boygroup waren. In Kontakt kamen wir mit denen nur in den seltensten Situationen, was vom Entertainment wahrscheinlich auch so gewollt war. Würden sie uns die ganze Zeit zusammenstecken, könnten sich viele der Mädchen wohl nicht mehr so gut auf das Training und den Sprachunterricht, generell Alltägliches konzentrieren. Der lebende Beweis stand neben mir im Aufzug und fing jetzt auch noch an, mit den Fingern aufgeregt gegen den Kartonzu trommeln. Sobald wir im richtigen Stockwerk angekommen waren, machten wir uns zusammen auf die Suche nach dem besagten, zweiten Übungsraum und wurden recht schnell fündig. Höflich klopften wir an der Tür an und warteten, bis von drinnen ein „Herein!" zu hören war. In der letzten Sekunde stapelte Minah ihren Karton auf meinen, wogegen ich mit einem empörten „Es ist nicht fair, wenn ich alles trage", protestierte. „Tja, Pech gehabt", ignorierte sie meinen Widerstand, grinste mich süffisant an und spazierte selbstbewusst in den Raum herein. Mit einem genervten Augenrollen folgte ich ihr.