Kapitel 24

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Erwartungsvoll und ziemlich aufgeregt schloss ich meine Augen, nachdem sein Gesicht dem von mir immer näherkam, doch bevor dem finalen Schritt ließ eine Stimme uns rasch auseinanderfahren. „Jaehyun, kommst du?" Kim Tae Woo, der Choreograph winkte meinen Freund rufend zu sich herüber. „Ich muss gehen", wendete Jaehyun sich an mich und ich schluckte das kleine bisschen Enttäuschung herunter, das in mir aufgekommen war. Wäre sowieso nicht der romantischste Ort für einen ersten Kuss gewesen. „Tschüss", verabschiedete ich ihn wenig begeistert und er hob mir zum Abschied die Hand, während er sich zu dem Choreographen der Jungs gesellte.

„Wie war es bei deinen Eltern?" Die Ansicht von dem Jungen, wie er sich im Schlafraum mit verschränkten Armen im Nacken auf meiner Matratze ausgestreckt hatte als wäre es das Normalste überhaupt, bereitete mir geradezu einen Herzinfarkt. Ich hatte mich nur nach dem Stimmtraining etwas ausruhen wollen, doch daraus wurde anscheinend nun nichts mehr. War er eigentlich immer überall dort, wo ich war? Und würde ich ihn jemals in einem Zimmer finden, das er betreten durfte? Andererseits würde es kein Problem sein, wenn ihn nur keine andere Person hier vorfand. „Ganz gut", gab ich knapp Auskunft und blieb einen Moment lang an der Türe stehen, unentschlossen, ob ich mich zu ihm setzen sollte, bevor ich mich dazu entschloss meinen Koffer auszupacken. Als ich zurückgekommen war hatte ich ihn achtlos mitten in den Raum gestellt und war dann zur Gesangsstunde gehetzt. „Das klingt ja nicht so überzeugend", hörte ich Taeyong sagen und ich zuckte mit den Schultern, während ich die Schlosskombination meines Koffers knackte und ihn schwungvoll öffnete. „Denk, was du willst." Ich war nicht sehr begeistert darüber, dass er mich wieder daran erinnerte, nachdem ich es kurzfristig aus meinem Kopf verbannt hatte. Besonders jetzt, als das vorsichtig in Papier eingepackte Werk aus Glas als erstes zum Vorschein kam. Es war eine handbemalte Vase, die ich meiner Mutter hatte schenken wollen. Doch aufgrund unserer Auseinandersetzung kam es nicht mehr dazu, dass ich ihr das Präsent aus Seoul überreichte. „Sicher, dass du nicht drüber reden willst?", fragte er mich gefühlvoll und Jaehyuns Worte schossen mir durch den Kopf. „Es ist nur, dass Taeyong so oft von dir spricht." Sie ließen mich abrupt innehalten, sodass ich die Vase fest umklammerte.

„Würdest du es weitererzählen?" konfrontierte ich ihn mit einer Frage und er richtete sich auf und streckte und räkelte sich wie eine Katze nach ihrem Mittagsschlaf. „Natürlich nicht", antwortete er fast beiläufig, aber irgendwie war ich stutzig geworden. Er hatte schließlich auch von sonst woher die Information bekommen, dass ich nach Daejeon reiste und es unter seinen Kollegen verbreitet. Klar, es war in diesem Fall nichts Schlimmes gewesen. Aber falls er einmal etwas Anderes ausplaudern sollte, könnten wir sehr schnell in Schwierigkeiten geraten. Wie, als wir uns unerlaubt in den Räumlichkeiten von den K-Pop Idols aufgehalten hatten. Theoretisch könnte er mich damit schlecht vor Anderen dastehen lassen, wenn er nur sich selbst bei den Geschichten herauslassen würde. Hatte Jaehyun mich nicht auch noch direkt vor Taeyong gewarnt? Was, wenn das mit dem beste-Freunde-Ding nur dazugehörte? Ich wusste schließlich auch kaum etwas über ihn. Mein Magen zog sich zusammen und mir wurde übel, als ich es realisierte.

„Sorry, ich muss...", gab ich stammelnd und unzusammenhängend von mir und machte auf dem Absatz kehrt. Ich kam nicht weit, kaum aus der Tür heraus lief ich direkt in ein Mädchen herein. Soon Minah. Das Ganze kam mir sehr Déjà-vu verdächtig vor, mit der minimalen Änderung, dass ich heute tatsächlich die Schuld an dem Zusammenstoß trug. „Wo willst du denn hin?", fragte sie mich verärgert und ich sagte, ich wolle zu den Toiletten. „Habe was Schlechtes gegessen", fügte ich hinzu und dann noch „Mir ist unwohl", was dann zumindest nicht mal gelogen war. Schlagartig verrauchte ihre Wut, als hätte jemand einen Schalter in ihr umgelegt. „Gegessen, hm", wiederholte sie total nachdenklich und starrte für einige Millisekunden ohne zu Blinzeln ins Leere, bevor sie mit ihrer Aufmerksamkeit wieder zurückkehrte. „Na dann beeil dich mal", sagte sie mit einem scharfen Unterton und war wieder vollkommen die Alte. Keine Ahnung, was da plötzlich ins sie gefahren war. Dann lief sie straffen Schrittes an mir vorbei, geradewegs auf den Schlafraum hinzu. Es war zu spät, um sie noch aufzuhalten und Taeyong zu warnen, beziehungsweise ihm Deckung geben zu können.

„Was zum Teufel machst du hier?", schrie Minah auf und ich zuckte zusammen. Wenn das mal nicht ganz SM Entertainment gehört hatte. „Raus!", fauchte sie und ich sah Taeyong aus dem Raum trotten. Ich spürte seinen fragenden Blick, der auf mir lag, als wollte er sagen „Ist alles in Ordnung?" Hastig wich ich seinen Augen aus, ließ mir das Haar ins Gesicht fallen und flüchtete in Richtung Gemeinschaftsbad.

Sweater Weather (NCT FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt