Kapitel 16

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Anschließend führte Jaehyun mich zum Han River, der sich am Rand der Stadt vorbeischlängelte. „Mann, ich war ewig nicht mehr hier", realisierte ich und sah melancholisch auf die sanften Wellen, als ich mich am Gelände abstützte und ich mich leicht darüber hinweg beugte. Jaehyun tat es mir gleich und ich versank in meinen Gedanken. Seit das SM Town Live-Konzert angesagt worden war, war alles nur noch stressiger geworden. Wenn man eine Pause bekam, übte oder lernte man freiwillig noch mehr und schmiss sich am Ende des Tages nur noch ausgelaugt in sein Bett. So richtig ausgegangen war ich seit längerer Zeit auch nicht mehr, weder mit den Mädchen noch mit jemand Anderem. Na gut, mit wem hätte ich es auch machen sollen, wenn nicht mit ihnen? Den männlichen Trainees war ich erst vor kurzem nähergekommen. Eigentlich hatte ich auch meine Eltern seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen. Ob ich sie wohl bald besuchen können würde? Ich würde ihnen nur allzu gerne von meiner besten Freundin Siyeon erzählen, oder ihnen zum Beispiel Jaehyun vorstellen. Aus dem Augenwinkel schielte ich zu ihm herüber. Aber dann würden sie mich wahrscheinlich missverstehen und annehmen, er sei mein fester Freund. Besonders meiner Mutter traute ich die nötige Fantasie dafür zu. Wenn es tatsächlich in seltenen Fällen zu einem Telefongespräch zwischen uns kam, fragte sie mich immer, wie denn die Jungs im Entertainment so wären. Worauf ich ihr nie eine Auskunft hatte geben können.

„Vermisst du deine Eltern manchmal sehr?", erhob ich meine Stimme gegen den Wind, der aufgekommen war. Erstaunt über die plötzliche Frage, öffnete Jaehyun kurz seinen Mund, schloss ihn jedoch augenblicklich wieder und zögerte. „Naja, man muss eben viel für seinen Traum aufgeben", wich er meinem Interesse aus. Vielleicht wollte er jetzt nicht zu emotional werden oder nicht darüber reden. „Wo kommst du eigentlich her?", änderte er das Thema. „Aus Daejeon." „Cool. Ich bin schon immer hier in Seoul zuhause gewesen." „Cool", reagierte ich auf den Fakt wenig einfallslos. Ich wusste nicht, was für einen Kommentar ich sonst dazu abgeben sollte. Er räusperte sich. „Ich glaube, wir sollten langsam zu SM zurück. Die Dämmerung setzt bald ein und dann wird es nicht mehr lange dauern, bis es dunkel wird", schätzte Jaehyun und stoß sich vom Geländer ab. „Okay", stimmte ich dem Vorschlag zu und meine Augen weiteten sich überrascht, als ich erblickte, dass er mir seine Hand entgegenstreckte. Verunsichert griff ich nach ihr und er umschloss meine Finger und zog mich dann mit sich.

Gerade noch rechtzeitig vor der Nachtruhe hatten wir es zurück zum großen Gebäude und zu unseren Schlafräumen geschafft. Für eine richtige Verabschiedung hatte es nicht mehr gereicht, Jaehyun hatte mich nur einfach kurz an sich gedrückt und mir dabei eine gute Nacht gewünscht. Die Tatsache, dass wir auf dem Heimweg Händchen gehalten hatten, ließ mein Herz dennoch etwas schneller klopfen, als ich mich auf meine Matratze gelegt hatte. Innerhalb von nur ein paar Minuten war ich eingeschlafen und hatte vor mich hingeträumt. Was genau es war, daran konnte ich mich frühmorgens am nächsten Tag nicht mehr erinnern. Aber ich fühlte mich energiegeladen und gut ausgeruht. Ich beschloss deshalb, dass eine Dusche dieses Mal nicht nötig war um mich richtig wach zu kriegen und machte stattdessen einen Spaziergang auf unserem Stockwerk. Locke rjoggte ich eine Runde umher, vorbei an den anderen, verschlossenen Türen der Schlafräume und durch die Cafeteria, in der um diese Uhrzeit noch nichts zu essen angeboten wurde. Am Wochenende schien sich niemand die Mühe zu machen, so früh wie unter der Woche aufzustehen und so begegnete ich überall keiner einzigen Person. Dabei hätte ich heute gerne jemanden angetroffen. Gelangweilt wanderte ich schließlich den Flur, der die Tanzräume und Aufnahmestudios verband auf und ab. Bis sich bei der zwölften Bahn, die ich bereits hinter mich brachte, ich ohne Vorwarnung harsch am Arm gepackt und in ein Aufnahmezimmer gezogen wurde.

Sweater Weather (NCT FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt