Kapitel 33

654 60 0
                                    

Es war wie verflucht: Seit mir die Chance ruiniert wurde, vor Jaehyun mit der ganzen Geschichte zwischen Taeyong und mir herauszurücken, lief für mich kaum noch etwas so ab, wie es sollte. Bevor ich mich versehen konnte, steckten sich nämlich alle mit dem Fieber an. Lampenfieber war es bei uns, und auch die Vocal Coaches, Choreographen und Manager stürzten sich voller Eifer in die letzten Vorbereitungen für die große Show. Bald zählte es nicht mal mehr eine Woche, die uns von dem Termin des Konzerts trennte und auch diese flog nur so an uns vorbei. Zwischen allen Gesangs- und Tanzstunden, in denen von uns nun mehr denn je volle Konzentration und Leistung verlangt wurden, wurde es äußerst schwierig, meinen offiziellen, festen Freund irgendwo abzupassen, um mit ihm zu reden. Selbst wenn ich ihn einmal am Ende des Korridors unseres Stockwerks auftauchen sah, genügte es nie für mehr als ein flüchtiges Grüßen, was mir zusehends mehr Sorgen bereitete. Höchstens durch eine Textnachricht konnte ich Jaehyun erreichen, aber wenn etwas noch mieser war, als den eigenen Freund mit seinem Kumpel zu hintergehen, war es, ihm diese Tatsache unpersönlich in einem Chatverlauf zu übermitteln. Dazu saß mir immer noch Minahs Drohung im Nacken und je mehr Tage verstrichen, in denen ich nichts auf die Reihe bekam, desto mehr barg mein Plan die Gefahr zu scheitern. Von meiner Mutter erhielt ich wenigstens einen Rückruf. Jedoch nur, weil sie mir sagen musste, dass mein Vater und sie es nicht schaffen würden, zu dem Auftritt zu erscheinen und wieder wich sie all meinen Fragen nach dem warum aus. Wie sollte ich mich nicht vor den Kopf gestoßen fühlen? Und das Gefühl, dass meine Eltern mir etwas wie eine mögliche Scheidung verheimlichten, bekam ich auch nicht wieder los. Eine Weile lang war es vollkommen in meinem Hinterkopf gerückt und vergessen geblieben, doch trat ausgerechnet jetzt aufgrund des nicht sehr aufschlussreichen Anrufs wieder auf und mit ihm meine Zweifel. Ironischerweise war mein einziger Lichtblick das Tanzen. Die Anstrengung, die organisierten Schritte und die rhythmische Bewegung gaben mir nicht nur das Gefühl, meinen Körper unter Kontrolle zu haben, sondern auch, dass ich überhaupt etwas in meinem Leben im Griff hatte. Ich genoss es wie seit langem nicht mehr zu tanzen und den Kopf dabei auszuschalten, meinen Emotionen auf eine Art und Weise freien Lauf zu lassen. Wahrscheinlich hätte ich Taeyong dafür danken sollen, der mir gezeigt hatte, wie ich es überhaupt anstellen konnte, zum Klang der Musik ein wenig mehr loszulassen und nicht immer nur an den nächsten Schritt zu denken. Doch wenn ich jemanden noch weniger zu Gesicht bekam als Jaehyun, war es er. Ihm fiel diese „Lass es uns einfach vergessen" Sache eindeutig leichter als mir...

„Bist du dir sicher, dass alles okay ist?", vergewisserte sich Siyeon. Ihr entging meine getrübte Miene nicht, mit der ich neben ihr im Eigansbereich stand, ein Bein über das andere geschlagen. Ich ließ ein recht lautes Seufzen vernehmen. „Nein, aber das ist sicher nur die Aufregung wegen dem Tag heute." Fast unsere ganze Truppe war schon vollzählig und wartete in der Lobby auf unsere Stylistinnen, die zusammen mit uns durch Seoul zur Konzerthalle fahren würden. Dort standen dann zuerst noch die Generalproben für uns alle an und am Abend würde es dann so weit sein. Die Halle war angeblich ausgebucht, und auch wenn es eindeutig nicht an unserer Nummer lag, war es doch ziemlich beeindruckend zumindest ein Teil davon zu sein. Unter anderen Umständen hätte ich mich mehr darüber gefreut. Von Siyeon erhielt ich ein aufmunterndes Schulterklopfen. „Du musst echt nicht nervös sein, wir haben den Song unzählige Male geübt, da wird es doch noch einmal auf der Bühne klappen", meinte sie zuversichtlich und ich nickte als Zeichen der Zustimmung. „Genau", ertönte es plötzlich von meiner rechten Seite, an die sich Minah überraschend gestellt hatte. Ruhig griff sie die Sonnenbrille, die sie trug - warum auch immer es im SM Gebäude nötig war - und setzte sie sich in ihr schimmerndes Haar. „Bloß nicht die Nerven verlieren." Ich ging nicht darauf ein. „Also dann, wir können los", verkündete uns einer der beiden, gerade aufgetauchten Stylistinnen lächelnd und wir machten uns auf nach draußen zu den zwei Vans, die für uns bereitgestellt wurden. Wenigstens dabei musste ich mich nicht mit Minah und ihrem Gefolge auf eine Rückbank zwängen, sie waren bereits in den Wagen vor uns eingestiegen. Ich holte während der Fahrt mein Smartphone heraus und teilte mir mit Siyeon auf dem Platz neben mir die Ohrstöpsel, um Musik zu hören. Mittendrin leuchtete der Bildschirm auf und unter der Uhrzeit auf dem Sperrbildschirm war zu sehen, dass ich eine neue Nachricht empfangen hatte. ,Viel Glück euch für das Konzert heute! Wollte es nur sagen, falls wir uns davor nicht nochmal backstage sehen. - Jaehyun, Yuta und Doyoung.' Schnell tippte ich ein ,Danke :)' ein, schickte es ab und schloss die App. Prompt wurde mir jedoch angezeigt, dass Jaehyun erneut etwas geschrieben hatte. ,Wir können übrigens nach dem Auftritt reden, wenn du willst' überflog ich und auch Siyeon übersah es nicht. „Muss ich wissen, was es damit auf sich hat?" „Nein", antworte ich kurz angebunden, „aber manchmal trifft man auch falsche Entscheidungen und sollte sie am besten aus dem Weg räumen." Sie verstand, dass ich nicht darüber reden konnte oder wollte. Sie schaute mir nur eindringlich in die Augen. „In Ordnung. Dann hoffe ich, dass du das Richtige machst." Erwidern tat ich nichts, doch starrte nur wieder auf die Textnachricht und schluckte. Das hoffte ich auch.

Etwas später kam das Auto zum Stehen und nacheinander kletterten wir aus dem Wagen. Vor uns erstreckte sich der Weg zu einem zwar gigantisch großem, aber sonst unspektakulärem Gebäude. Außer den bereits an den Seiten stehenden Absperrungen und Werbeschildern vor der Halle deutete nicht wirklich etwas darauf hin, dass hier die Show heute Abend stattfand. Was zählte war aber natürlich nicht die Fassade der Konzerthalle. Durch den Künstlereingang wurde unsere Gruppe nach innen geschleust und uns eine Garderobe zugewiesen. Wir hatten gerade mal einen Moment dafür, unsere mitgebrachten Sporttaschen dort abzustellen, als dann die Stylistinnen auf uns zukamen. Mit Sicherheitsnadeln wurden provisorisch unsere Namensschilder an unseren Pullovern und Tops befestigt. Für die Probe und Kameraführung war es notwendig und zum Auftritt vor Publikum trugen wir sowieso unsere anderen Outfits, noch mussten wir jedoch auf die und das Make-up verzichten. Aufgrund des engen Zeitplans beeilten wir uns, auf die Bühne zu kommen und uns kurz etwas warmzumachen. Als ich mich dehnte, näherte Minah sich mir und joggte neben mir auf der Stelle. Ohne Aufforderung fing sie an zu sprechen. „Die Kostüme werden jetzt reingebracht, also musst du am besten direkt nach der Generalprobe zurück in die Garderobe und Siyeons Outfit verschwinden lassen", wies sie mich zwischen Atemzügen an, in denen sie hörbar nach Luft schnappte. Ich stoppte in meiner Dehnungsübung, richtete mich auf und sah an ihr vorbei nach vorne auf die leeren Zuschauerränge, die heute noch gefüllt werden würden. „Nein, werde ich nicht", machte ich ihr deutlich und wartete ihre Reaktion ab. Ihr Gesichtsausdruck war ihr eindeutig entgleist. „Bitte was?", hob sie am Ende des Wortes ihre Stimme. „Du hast mich schon richtig verstanden. Ich mach bei deinen miesen Spielchen nicht mit", gab ich so kühl ich konnte zurück und die Geräusche ihrer Schritte auf der Bühne verebbten. Die Hände in die Hüften gestemmt stellte Minah sich unweigerlich vor mich. Ich machte ihr nicht die Freude, ihr weiter Aufmerksamkeit zu schenken und begann meine Schultern zuerst nach vorne und dann nach hinten zu kreisen. „Gut, wie du willst", wurde ich angefaucht. „Dann... war's das eben für dich und Jaehyun, sobald ich ihn über alles in Kenntnis gesetzt habe." „Ja, viel Spaß", wimmelte ich sie ab. Schneller als ich würde sie nicht mit ihm reden können, also ließ mich das dieses Mal ungerührt, ebenso wie die hasserfüllten Blicke, die sie mir ab und zu während dem Tanzen in der Formation nach dem Anfang der Generalprobe zuwarf. Wer hätte gedacht, dass es sich so gut anfühlte, sich nicht von Minah tyrannisieren zu lassen? Im Nachhinein hätte ich das schon viel früher machen sollen. Doch dadurch ihren Plan durchkreuzt zu haben war auf eine Weise ausreichend Genugtuung für mich, bemerkte ich für mich und tanzte für die restliche Probe mit einem weiten Lächeln auf dem Gesicht weiter, das noch nicht einmal erzwungen war.


Wer's bisher geschafft hat: Ihr könnt euch freuen, die Geschichte nähert sich dem Ende zu. xD Ich schätze zwei Kapitel werden es noch sein ^^

Sweater Weather (NCT FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt