Kapitel 28

740 74 13
                                    

Nachdem ich auf der beengten Kabine des Mädchenklos mein eher eng geschnittenes Oberteil gegen den Oversized Sweater eingetauscht hatte, den ich mir überstreifte, kehrte ich zu meinem besten Freund zurück. Der Pullover war ein wenig zu groß, jedoch sehr flauschig und spendete mir Wärme. Dennoch konnte ich nicht abstreiten, dass es etwas seltsam war, den Pulli von Taeyong zu tragen, vor allem aufgrund des ungewohnten Geruchs. Doch noch seltsamer war, dass ich den Sweater jetzt schon liebte. Die Ärmel waren lang genug um meine Hände vollkommen darin verschwinden zu lassen und mit ihnen mein Gesicht zu verdecken, was ich erst einmal unbewusst tat, als ich zu Taeyong zurückkehrte. „Passt er?", erkundigte er sich und spähte an dem roten Stoff direkt vor meinen Augen vorbei, um ihm zu erblicken, wie er sich zurückhaltend den Nacken rieb. Eigenartig, wenn ich nicht mehr die einzige Schüchterne hier war. „Ja", antwortete ich glücklich und nahm meine Arme herunter. „Sollen wir dann gehen? Oder abwarten, bis die Regenwolken sich wieder zurückziehen?" Ich blieb für einen Moment still und wir beide lauschten dem dumpfen Geräusch des Prasselns der Tropfen auf dem Dach des Kinos. Es klang so, als würde es wie aus Eimern gießen. „Oder", begann ich eine dritte Möglichkeit in Betracht zu ziehen, „Wir finden doch noch Anwendung für die hier." Ich wedelte mit den verknitterten Eintrittskarten, die ich aus meiner Hosentasche gezogen hatte. Taeyong ergriff eine von ihnen und überflog die Angaben auf den Tickets. Dann warf er einen Blick auf die große Wanduhr, die versetzt über der Tür zu Kinosaal 1 hing. „Die Vorstellung beginnt in fünf Minuten", stellte er fest und ich nickte. Er wollte mir die Karte wieder zurückgeben, doch ich bedeutete ihm, sie zu behalten. Dann dämmerte es ihm. „Du willst, dass wir den gemeinsam anschauen?" „Naja, reserviert sind die Plätze schließlich", murmelte ich verlegen und wusste nicht mal, warum. Was war Besonderes daran, als Freunde ins Kino zu gehen? Gut, es war ein Liebesfilm, den ich ausgesucht hatte. Schließlich war Plan A gewesen, mit Jaehyun hierherzukommen. Erst wirkte es so, als würde Taeyong ablehnen, da er den Titel des Films ebenfalls gelesen hatte und sicherlich nicht scharf auf eine Schnulze war. Nachdenklich starrte er nach unten auf das Ticket, sodass seine Wimpern kaum sichtbare Schatten auf seine Haut warfen. Dann seufzte er, hob seinen Kopf und schaute mir direkt in die Augen. Ich bemerkte zum ersten Mal die schwarzen Punkte in seiner dunkelbraunen Iris, die als Kontrast zu den natürlichen Lichtreflexen wirkten und mich ehrlich gesagt faszinierten. Während ich mich plötzlich nicht mehr von dem Anblick losreißen konnte, machte er den Mund auf. „Süßes oder salziges Popcorn?"

Entspannt lehnte ich mich in einem Sessel in dem hinteren Teil des Kinosaals zurück, neben mir Taeyong und zwischen uns eine Armlehne, die gerechtermaßen niemand von uns selbstsüchtig in Anspruch nahm. Stattdessen hatten wir die Popcorntüte dort in die Mitte gestellt, aus der wir uns bereits während der Werbung vor dem eigentlichen Film bedienten. Taeyong hatte darauf bestanden, für das Popcorn zu zahlen, nachdem ich schließlich schon die Tickets finanziert hatte. Obwohl der Film, den ich ausgesucht hatte wirklich spannend und dramatisch war, konnte ich mich ab ungefähr der Hälfte der Zeit nicht mehr darauf konzentrieren. Die Bilder flimmerten zwar auf der Leinwand, doch es war so, als würde ich sie und ihren Inhalt nicht mehr bewusst aufnehmen. Ich verstand selbst nicht, was mit mir los war, wenn ich mich dabei erwischte, im Schutz des stark gedimmten Lichtes zu Taeyong herüber zu linsen. Die Umrisse seines Profils zeichneten sich auch in der Dunkelheit stark ab. Die leicht geschwungene Stirn, die gerade Nase und der markante Kiefer. „Habe ich was im Gesicht?", wollte er wissen, als ihm mein Starren bewusst wurde. Ich schüttelte schnell den Kopf und wendete mich wieder dem Film zu. Als ich dabei in die Popcorntüte griff, traf mich etwas wie ein elektrischer Schlag. Ohne hinzusehen hatten er und ich unsere Hände unbeabsichtigt gleichzeitig hineingestreckt und die Berührung ließ mich erschauern. Als hätte ich mich an etwas Heißem verbrannt, zog ich meine Finger zurück und Taeyong tat es mir gleich. „Äh, also, ich", fing ich an irgendetwas zu stammeln, aber verstummte sogleich wieder als er mir mit einer kleinen Bewegung eine Haarsträhne hinter das Ohr strich. In seinem Blick lag etwas, das ich noch nie gesehen hatte. Etwas, das mich wie vorher vollkommen in seinen Bann zog, ohne, dass ich etwas dagegen ausrichten konnte. Ganz automatisch lehnte ich mich Stück für Stück weiter zu Taeyong herüber und auch er kam mir immer näher, bis unsere Gesichter nur noch wenige Millimeter trennten. „Ich kann das jetzt echt nicht bringen", flüsterte er, doch wich kein bisschen zurück. Sein warmer Atem streifte mich geradezu, wenn er redete und eine Gänsehaut breitete sich über meinen Körper aus. „Was?", hauchte ich zurück, obwohl etwas in mir bereits wusste, was er vorhatte. Ein tiefes Seufzen entrann seiner Kehle als wollte er nicht, dass ich ihn zwang, es klarzumachen. „Das." Bevor ich wusste, was geschah, lagen seine Lippen auf meinen.

Sweater Weather (NCT FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt