Kapitel 29

693 64 0
                                    

Der Kuss dauerte nur einen kleinen Moment an, so flüchtig war er, und doch schmeckte ich noch genau die Süße des Popcorns und spürte, wie seine weichen Lippen die meinen gestreift hatten, nachdem Taeyong sich langsam von mir löste. Das Herz pochte mir unglaublich schnell gegen die Rippen meines Brustkorbs und übertönte die Gedanken, die mir in den Kopf schossen. Das war er also gewesen, mein allererster Kuss. Im richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort, nur... Die falsche Person, war zwar was mir in den Sinn kam, aber ich weigerte mich, diese Überlegung zu beenden. Denn obwohl ich wusste, dass es falsch war, hatte es sich ehrlich gesagt ziemlich gut angefühlt. All das wäre besser gewesen, um es Taeyong zu sagen der mich erwartend aber auch fast ängstlich mit großen Augen ansah, als das, was ich danach tat. „Jaehyun", raunte ich ihm stattdessen angespannt den Namen meines und seines Freundes zu. Taeyong zuckte zusammen, als hätte ich ihm einen eiskalten Faustschlag ins Gesicht verpasst. „Klar. Du bist mit ihm zusammen. Du kannst nicht-" Er brach abrupt ab und erhob sich von seinem Platz. „Was tust du?", fragte ich ihn leise. Er sah aus, als würde er mit sich selbst kämpfen, denn er erstarrte in seiner Bewegung. „Ich gehe", meinte er dann und setzte seine Worte schlicht und ergreifend in die Tat um. „Warte!", rief ich ihm hinterher und erntete damit neugierige Blicke einiger Kinobesucher. Unter ihrer Beobachtung sammelte ich rasch meine Sachen zusammen und folgte Taeyong inmitten der laufenden Vorstellung aus dem Saal heraus. 

Ich hatte Mühe, mit meinem besten Freund Schritt zu halten, als er unbeirrt aus dem Kinogebäude stürmte. Obwohl ich nicht wusste, ob wir das noch waren, nachdem das gerade passiert war. In rekordverdächtiger Geschwindigkeit ließen wir das beheizte, helle Kino hinter uns und begaben uns auf die leeren Straßen von Seoul, die nur spärlich von den Laternen beleuchtet wurden. Der frische Geruch nach einem Regenschauer lag über dem Asphalt; die Wolken waren am mittlerweile dunklen Himmel weitergezogen, nur kalt war es immer noch. Doch mit Taeyongs rotem Sweater, den ich trug und der mich anspornte, hinter ihm her zu rennen bis ich ihn wieder einholte, machten mir die Temperaturen nichts mehr aus. Schweigend trotteten wir Seite an Seite nebeneinander her, nachdem ich zu ihm aufgeschlossen hatte.

„Es tut mir leid", durchbrach Taeyong plötzlich die Stille. Überrascht sah ich zu ihm auf, doch er hatte immer noch seinen Blick fest auf die Straße geheftet. Ich hatte nicht erwartet, dass er sich bei mir entschuldigte. Denn eine Entschuldigung war doch nichts Anderes, als sein Bereuen mitzuteilen und was mich momentan aus dem Konzept brachte war, dass ich nicht wusste, ob ich das auch tat. Was soll das denn heißen, sprach ich gedanklich zu mir selbst. Natürlich bereute ich es. Weil ich mit Jaehyun zusammen war und nicht mit Taeyong. Wir waren nur Freunde. „Mir auch", gab ich demnach die Entschuldigung zurück. „Dir muss es nicht leidtun", murmelte er angespannt, „es war meine Schuld." Er blieb stehen. Wir hatten unsere Destination erreicht, das SM Gebäude ragte direkt vor uns in die Höhe. „Es wäre das Beste, wenn..." Er schien nach den richtigen Worten zu greifen. „Wenn Jaehyun nichts davon erfährt", vervollständigte ich leise und schluckte den Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte herunter. Natürlich war mir nicht wohl dabei, meinen festen Freund anzulügen nachdem ich ihn so gesehen betrogen hatte. Dabei war es doch nur ein Kuss gewesen. Er sollte keine Bedeutung haben, wenn ihn beide Seiten nicht ernst gemeint oder eher, nicht gewollt hatten. Denn ich glaubte nicht, dass der Augenblick von ihm aus geplant gewesen war, das ging gar nicht, schließlich hätte ich mit Jaehyun im Kino sitzen sollen. Es war einfach so passiert... Taeyong musste sich ebenfalls seltsam in seiner Haut fühlen, für ihn war es bestimmt auch nicht einfacher. Schließlich würden er und Jaehyun in nicht allzu ferner Zukunft gemeinsam in einer K-Pop Gruppe namens NCT debütieren, sie hatten über die Jahre als Trainees eine wahre Freundschaft aufgebaut. Diese konnten wir doch jetzt unmöglich so zerstören, oder? Stumm hingen wir beide unseren dunklen Gedanken nach, bis es hieß, sich am Aufzug zu trennen. „Danke, dass du noch mit ins Kino gegangen bist." Ich verbeugte mich leicht und Taeyong nickte einfach nur, nicht wissend, was er noch erwidern könnte. „Ach, dein Sweater", merkte ich an als ich an mir heruntersah und mir die rote Stofffarbe ins Auge sprang, „den gebe ich dir natürlich zurück, nachdem ich ihn gewaschen habe." Er schüttelte abwehrend den Kopf. „Lass nur, behalte ihn einfach", meinte er nachdenklich und ich zog meine Augenbrauen zusammen. „Behalten?", wiederholte ich, woraufhin Tae nur mit den Augen rollte. „Ja, behalten", sagte er mit Nachdruck und ließ mich dann zurück mit dem Kleidungsstück, an dem nicht nur der unverkennbare Geruch von geröstetem Mais sondern nun auch die Erinnerungen an diesen Abend mit Taeyong und dem Kuss hefteten. Wie sollte ich das Alles so je wieder aus meinem Kopf bekommen?

Sweater Weather (NCT FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt