Kapitel 5

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Das erste, was wir machten war uns zu verbeugen, als wir dann in dem Tanzraum, der nebenbei neidisch angemerkt etwas größer und moderner war als unserer vor den Trainees standen. Oder besser gesagt, Minah tat es denn ich wollte nicht, dass unsere Kartons in Schieflage gerieten. „Hallo", grüßte Minah die Jungs und begann, kokett mit einer Haarsträhne zu spielen, während sie ihre Gesichter einmal überflog. Auch sie verbeugten sich anschließend, dann wurde ihre Aufmerksamkeit auf die Boxen gelenkt. „Was habt ihr uns denn da mitgebracht?", wollten sie wissen und eine Stimme fügte mit einem unterdrückten Lachen hinzu: „Und wer versteckt sich dahinter?" Schüchtern spähte ich an der Lieferung für sie vorbei. „Kim Tae Woo hat uns damit geschickt, wir wissen nicht, was sich darin befindet", erklärte ich leise, doch da alle neugierig zu mir herübersahen und still waren, schien mich jeder verstanden zu haben. „Ah, unsere Trainingsklamotten!", vermutete dann einer und ich glaubte, einen chinesischen Akzent heraushören zu können. Damit war das Schweigen beendet und alle fingen an, wild durcheinander zu reden, während sie sich um die Kartons drängten, die ich immer noch in der Hand hielt. „Ähm, könnte ich vielleicht die Sachen erstmal abstellen...?", fragte ich, doch es ging in ihren lauten Gesprächen unter. Hilflos blickte ich zu Minah, die mit verschränkten Armen unbeachtet etwas abseitsstand und beleidigt eine Schnute zog. Sie sah nicht so aus, als hätte sie vor für mich einzuschreiten.

„Jungs, macht mal halblang und lasst sie die Kartons auf den Boden stellen", kommandierte einer und der Rest der Trainees hörte glücklicherweise auf seinen Befehl, sodass ich die Kartons mit den Klamotten endlich loswurde. „Dankeschön", nahm ich all meinen Mut zusammen und sprach denjenigen mit dem schlanken Gesicht und braunen Haaren an, der mir aus der engen Lage geholfen hatte, während die anderen sich auf die Tops und Sporthosen stürzten. „Kein Problem", meinte er locker zu mir. „Manchmal können wir alle ein bisschen, naja, stürmisch sein", fügte er noch hinzu und schaute lächelnd zu mir herunter. Mir fiel auf, dass er erstens ausgeprägte Grübchen hatte und zweitens, ziemlich groß war. Da ich nichts mehr erwiderte, beschloss er, erneut etwas zu sagen. „Und du bist ein Girl Group Trainee?" Ich nickte und deutete mit dem Finger auf Minah. „Ja, also, wir sind welche", stellte ich etwas verlegen klar. Mit Fremden zu reden kostete mich anfangs immer eine Menge Überwindung. „Ah, okay cool", meinte er, als ihm nun anscheinend der Gesprächsstoff ausgegangen war. „Ich bin Jaehyun", stellte er sich wider Erwartens nach einer unangenehmen Pause vor und streckte mir seine große Hand hin, doch Minah kam plötzlich auf mich zu, hakte sich wie eine Freundin bei mir unter und zog mich mit sich in Richtung Tür. „Na dann, war nett, euch kennenzulernen", flötete sie zur Verabschiedung und zerrte mich mit aus dem Raum, dann schloss sie die Tür hinter uns geräuschvoll.

„Was für Idioten", grummelte sie unzufrieden, offensichtlich enttäuscht darüber, dass sich die Trainees nicht wirklich für sie interessiert hatten. Hätte sich mich gefragt, hätte sie meinetwegen all die Aufmerksamkeit und den Trubel um die Kartons haben können. Mir war es oft lieber, still und unsichtbar an der Seite zu stehen. Anders als Minah, die um jeden Preis im Mittelpunkt stehen wollte. Irgendwie tat sie mir ein paar Sekunden lang leid. Vielleicht hatte sie zuhause nie richtige Beachtung gefunden, wer wusste das schon. Doch dieses Gefühl dauerte nur so lange an, bis sie meinen mitfühlenden Gesichtsausdruck mit „Glotz nicht so blöd, Yeonhee", kommentierte. Dann war alles schlagartig wieder beim Alten und ich erwischte mich bei dem Gedanken, dass ein bisschen Nichtbeachtung ihr mehr guttat als schadete.

Kurz vor dem Gesangstraining spielte Minah sich wieder so unmöglich auf wie immer und schmückte die Begegnung mit den Trainees dermaßen aus, dass ich das Gefühl hatte, nicht dabei gewesen zu sein. „Und das war wirklich so?", teilte mir Siyeon hinter der vorgehaltenen Hand ihre Zweifel an der Echtheit von der Geschichte mit. „Natürlich nicht", formte ich lautlos mit meinen Lippen und schüttelte zur Symbolisierung noch meinen Kopf. „Aber wieso lässt du sie dann so dummes Zeug reden?", wunderte sich Siyeon und sah mich erwartend mit ihren großen Augen an, die von langen Wimpern geziert waren. Ich zuckte mit den Schultern. „Bringt doch sowieso nichts...", grummelte ich ausweichend und blickte in eine andere Richtung.

Sweater Weather (NCT FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt