Kapitel 19

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Ich kniff die Augen zu und versuchte mir nicht auszumalen, was sie taten, nachdem sie uns ertappt hatten. Ohne Erfolg. Jetzt sind wir dran, dachte ich und schickte ein Stoßgebet in den Himmel. Zwischenzeitlich schien Taeyong eine Eingebung gehabt zu haben. Er näherte sich mir und verwuschelte mein Haar. Was uns diese Aktion bringen sollte, leuchtete mir nicht ein, jedoch hatte ich auch keine Zeit mehr übrig, es zu hinterfragen. Schwungvoll wurde die Tür der Vorratskammer aufgerissen und Tiffany, Taeyeon und Yoona musterten uns mit unverhohlenem Interesse. Tiffany zog eine ihrer gezupften Augenbrauen hoch. „Sieh an, sieh an", sagte sie, „es haben sich wohl zwei Trainees hierher verirrt." „Obwohl ich nicht glaube, dass man einfach mal so in die falsche Cafeteria einbiegt", traf Yoona voll ins Schwarze. Peinlich berührt blickte ich zwischen den Sängerinnen hin und her. Ich hatte Taeyong ja gleich gesagt, dass das schiefgehen würde. Doch dieser wartete nur ab, was Taeyeon noch zu uns als ungewünschte Eindringlinge sagen würde. Ich konnte es kaum fassen, als sich langsam aber sicher ein engelsgleiches Lächeln in ihr wohlgeformtes Gesicht zauberte. „Seid nicht so hart zu den beiden, sie wollten offensichtlich nur ein bisschen ungestört zu zweit sein." Sie zwinkerte uns verstehend zu und da zählte ich eins und eins zusammen. Mit meiner zerzausten Frisur und nur Taeyong und mir allein in diesem engen Raum, vermittelten wir wahrscheinlich das Bild eines Pärchens... Ich lief rot an, während Taeyong ganz cool blieb und schlicht und einfach mitspielte. Mit ein wenig Geschick redete er uns aus der Situation heraus und konnte die drei letztendlich sogar noch überzeugen, dass wir unsere Beute mitnehmen konnten.

„Ich weiß echt nicht, wie du immer mit allem davonkommst", murmelte ich ungläubig, als wir uns wieder auf sicherem Terrain aufhielten. Taeyong schlang das Frühstück ungeduldig herunter und schluckte, bevor er mir antwortete. „Das liegt an meinem Charisma", verriet er mir und unwillkürlich fing ich an zu grinsen. „Sicher", ließ ich ihn mit sarkastischem Unterton in dem Glauben und er reichte die Stäbchen an mich weiter. Ich zögerte. „Na komm schon, du als meine Komplizin hast auch deinen Anteil verdient", witzelte er locker. Dann verabschiedete ich mich von meiner letzten Selbstbeherrschung und ließ mir das noch warme Fleischgericht schmecken. Echt nett von den Girls Generation Mädels, uns die Portion zu überlassen...

Gedankenverloren sah Taeyong mir beim Essen zu. „So schüchtern bist du eigentlich gar nicht", schlussfolgerte der Trainee angesichts meines Verhaltens, das ich an den Tag legte, wenn ich ihm begegnete. Aber um ehrlich zu sein, musste ich ihm da Recht geben. So verkrampft wie mit Jaehyun zum Beispiel war ich bei ihm kaum. Normalerweise herrschte immer eine entspannte Atmosphäre zwischen uns. Dazu gehörten aber immer zwei. „Liegt an dir", erklärte ich ihm, bevor ich ein Reisbällchen in meinen Mund wandern ließ. „Ach ja?", fragte er und kaute an seinem Fingernagel, bevor er seine Hand senkte. „Weil wir theoretisch wie beste Freunde sind?" Ich legte eine Pause ein, um zu überlegen. Wenn ich mir die bisherigen Erlebnisse mit Taeyong mal vorm inneren Auge Revue passieren ließ, war das keineswegs abwegig. „Ja", realisierte ich überrascht und mein Gegenüber schenkte mir ein Lächeln. „Und praktisch?" Ich schob die mittlerweile leere Schüssel zurück zu ihm und forschte in seinen Augen, ob das auch nur zur Belustigung dienen sollte. Doch er machte sich nicht über mich lustig, stellte ich erleichtert fest. „Praktisch auch."

Als ich zurück zu meinem Schlafraum ging, mich dort jedoch nur gähnende Leere erwartete, schlussfolgerte ich, dass alle beim Frühstück in der Cafeteria waren. In der richtigen Cafeteria. Wo ich auch hätte gewesen sein sollen. „Mann, Yeonhee, wo hast du dich denn rumgetrieben?", erkundigte sich Siyeon nach Details meines Verschwindens, während sie sich auf ihrem Stuhl verrenkte, um mir ins Gesicht zu sehen. Bevor sie sich noch eine Zerrung zuzog, ließ ich mich auf den Platz neben ihr fallen. „Bin eine Runde durch das Gebäude gejoggt." „Ach ja?", hakte Minah argwöhnisch nach. „Sicher, dass du nicht jemanden besucht hast?" Woher hatte sie diese Information? Nervös rutschte ich auf dem Stuhl hin und her. „Warum sollte ich?", stellte ich mich unwissend und richtete meine Aufmerksamkeit auf den Teller, den Siyeon mir vor die Nase stellte. Es war ja lieb, dass sie mir etwas zu essen aufgehoben hatte, aber...„Ich habe keinen Hunger, danke", sprach ich die Wahrheit aus. Ein Frühstück am Tag reichte mir. „Oh", machte sie, „okay." „Wie auch immer", beendete Minah unwirsch das Gespräch zwischen Siyeon und mir. „Bora hat dich gestern am Han River gesehen. In Begleitung eines Jungens."


Sweater Weather (NCT FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt