Kapitel 26

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Es schien mir nicht allzu gut zu gelingen, meine glückliche Miene zu behalten, denn nun wanderte Tens Blick zögernd von seinem Kumpel zu mir. Er schien registriert zu haben, dass er uns bei einem Date unterbrochen hatte. „Tut mir leid, übrigens, ich wollte euch nicht unterbrechen." Ich atmete erleichtert aus. Wenn er es von sich aus erkannte, würde ich nicht unhöflich erscheinen müssen indem ich ihm auf irgendeine Art und Weise klarmachte, dass Jaehyun und ich den Abend zu zweit eingeplant hatten. Nicht, dass Ten keine nette Person gewesen wäre, er kam mir auf den ersten Blick sehr sympathisch vor, aber es wäre meiner Meinung nach seltsam gewesen, hätte er das ganze Abendessen mit uns verbracht. Das hatte ich mir zumindest so gedacht, doch dann kam es anders. „Wolltest du auch hier essen?", erkundigte mein Freund sich bei dem Thailänder. „Ja, aber das hat sich ja jetzt erledigt. Unglaublich, wie viel Kundschaft die kurz nach der Eröffnung schon haben", lautete seine Antwort. „Ich bin sicher, Yeonhee hätte nichts dagegen, wenn wir alle zusammen zu Abend essen, oder?" Zwei Augenpaare starrten nun abwartend zu mir herüber. Natürlich war ich unzufrieden mit dem Vorschlag aber was hätte ich tun sollen? Er freute sich so darüber, Ten wiederzutreffen... „Nein, wäre kein Problem", versuchte ich nicht egoistisch zu sein und meine Stimme normal anstatt ernüchtert klingen zu lassen. Danach hatte ich schließlich immer noch den Kinofilm, den Jaehyun und ich ansehen würden und das alleine.

Die grauen Wolken, die sich inzwischen am Himmel bedrohlich aufgetürmt hatten, spiegelten ziemlich gut meine Stimmung wider, nachdem wir die Rechnung bezahlt und zu dritt das Restaurant verlassen hatten. Sobald Ten aufgetaucht war, war ich bei Jaehyun so gut wie abgeschrieben gewesen und die beiden unterhielten sich über Personen, die ich nicht kannte und Insider Witze, welche ich nicht verstehen konnte. Also hatte ich mich auf stumm geschalten und mir eingeredet, dass ich überreagierte, wenn ich mich ausgeschlossen fühlte. Ich konnte doch nicht verlangen, dass Jaehyun sich nur mit mir beschäftigte, wenn er einen Freund traf. Dennoch, mich zumindest richtig vorstellen hätte er doch schon gekonnt, richtig? Ich schob die trüben Gedanken beiseite. Wer mochte schon Mädchen, die aus einer Kleinigkeit gleich ein Drama machten. Jaehyun sicherlich nicht.

Ich zupfte zaghaft an dem Jackenärmel des Großgewachsenen, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen und holte die Kinotickets heraus, die ich für uns besorgt hatte. Lächelnd hielt ich sie in die Luft. „Gehen wir jetzt zur Vorstellung?", fragte ich ihn voller Hoffnung, die sogleich zunichtegemacht wurde. Bestürzt sah Jaehyun mich an. „Ach so, ja richtig, du wolltest dir den Film anschauen." Er machte eine Pause um nach den richtigen Worten zu suchen. Um mich auf ein anderes Mal zu vertrösten. „Sorry Yeonhee, aber eigentlich wollten Ten und ich jetzt noch..." Ich hörte schon nicht mehr zu, was er gemeinsam mit seinem Freund vorhatte. Frustriert musterte ich die Karten in meiner Hand für den Film, in den ich unbedingt mit ihm hatte gehen wollen. „Das Kino läuft uns ja nicht weg", drang seine Stimme mit einem ziemlich schwachen Argument wieder zu mir durch und ich schüttelte den Kopf. Er sah es offenbar als ein „Nein, das tut es wirklich nicht"an und lächelte mich tapfer an. „Danke, dass du keine große Sache draus machst", sagte er zu mir und tätschelte mir den Kopf. Selbst Ten, der neben ihm stand, schien mich besser zu verstehen und streifte mich mit einem entschuldigenden Blick. „Wir holen es nach, versprochen!", rief mir Jaehyun im Weggehen zu, als er dabei einmal über seine Schulter schaute. Ein enttäuschtes Seufzen kam mir über die Lippen und ich knüllte die Tickets, die ich selbstverständlich von meinem eigenen Taschengeld gekauft hatte, zusammen. Die Plätze waren nur für die heutige Abendvorstellung reserviert worden.

„Vielleicht kann ich sie noch umtauschen?", murmelte ich und faltete das Papier hastig wieder auseinander und strich es glatt. Gerade als ich den Beschluss gemacht hatte, das Filmtheater aufzusuchen, kamen prompt die ersten Tropfen von oben. Ich legte den Kopf in Nacken und betrachtete den dunklen Himmel, der soeben seine Schleusen geöffnet hatte. Konnte es noch schlimmer werden? Jaehyun war vorausdenkend genug gewesen und hatte einen Regenschirm für uns mitgebracht. Doch den teilte er sich wohl jetzt mit seinem Freund Ten. Trotz dessen, dass ich wegen der Wetterlage erst in ein lockeres Joggen verfiel, doch dann durch Seoul rannte blieb nichts an mir von dem niederprasselnden Regen verschont. Bis das Kino mit seinem blinkenden Schild endlich in Sicht war, ich hatte mich wohl in der Distanz ein wenig verschätzt, war ich von Kopf bis Fuß durchnässt und die Shorts und mein T-Shirt klebten an der kühlen Haut. Die Augen fest auf die Straße geheftet wollte ich die dunkle Gestalt umgehen, an der ich zuletzt vorübergehen musste, bevor ich mein Ziel erreicht hatte.

„Oh bitte, ignorier mich einfach", betete ich insgeheim. Mir war nicht ganz wohl dabei, um die Uhrzeit noch einsam im Stadtzentrum unterwegs zu sein. Als ich dachte, ich hätte es geschafft machte die Person plötzlich einen Ausfallschritt auf mich zu und stellte sich mir in den Weg. Ich kniff verängstigt die Augen zu. Wäre ich doch bloß zurück zum SM Gebäude gegangen! Auf einmal erschien mir die Tatsache, dann eben ein wenig Geld zum Fenster hinausgeschmissen zu haben doch nicht so schlimm. „Komm mit", befahl die Gestalt und umschloss mein Handgelenk mit einem festen Griff, dem ich nicht so leicht entkommen konnte. „Lassen Sie mich los!", schrie ich auf und versuchte mich von dem Unbekannten loszureißen. Dieser stöhnte zu meiner Überraschung etwas entnervt auf, blieb stehen und schob seine Kapuze zurück, die er aufgesetzt gehabt hatte.

Sweater Weather (NCT FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt