Es geschah im Jahre 1476, zwei Jahre nach unserer ersten Begegnung mit dem Pfähler, dass Vlad III. Drăculea die Oberhäupter der Häuser nach Târgovişte, der damaligen Hauptstadt der Walachei, geladen hatte. Bis dahin hatte die Verständigung über Boten stattgefunden, und scheinbar hatte der Fürst das Anliegen der anderen Häuser ernst genommen, denn keine weiteren Berichte von Vorfällen mit Untoten hatten uns aus Rumänien erreicht. Sonach geschah es, dass ich mit dem Gefolge der Fürsten der Häuser Imhotep und Baphomet in die Stadt Târgovişte einritt. Vor und nach uns erreichten die übrigen Fürsten der Häuser den Ort. Die Stadt fand im späten 20. Jahrhundert wieder Erwähnung, als Nicolae Ceauşescu – nebenbei ein notorischer Anhänger des Pfählers – mit seiner Frau Elena nach dem Sturz der kommunistischen Diktatur über Rumänien dort hingerichtet wurde. Aber in der Welt der Dunkelheit fand in jener Nacht, in der ich neben der Kutsche ritt, in der Aliana mit ihrem Bruder und Vater saß, ein weit wichtigeres Ereignis statt. Aliana warf mir durch das Fenster der Kutsche häufig Blicke zu, ich ritt statt mitzufahren, da mir lange Reisen in einer Kutsche nicht gut bekamen.
Am Eingang der schönen Herrschaftsstadt nahm uns eine Gruppe Drăculeas moldauischer Leibgardisten ehrenvoll in Empfang, einige unter ihnen Mitglieder der Welt der Dunkelheit, und sie eskortierten uns durch die Straßen zum Herrschaftssitz. Die Bevölkerung war auf den Wegen nicht sichtbar, was mich genauso verunsicherte, wie die Tatsache, dass auf einem der zentralen Plätze, die wir passierten, eine große goldene Schale, die im Mondlicht leuchtete, unbefestigt und unbewacht auf einem Stein lag.
Im Herrschaftssitz zu Târgovişte wurden wir ebenso edel empfangen, wie ich es bei den anderen Häusern bereits genießen durfte. Vlad III. hatte keine Kosten gescheut und die Säle und Gänge voller Prunk ausstatten lassen. Solche prachtvolle Dekoration passte meiner Meinung nach nicht zu der Person, über die ich mittlerweile zahlreiche Geschichten gelesen hatte. Ich musste an eine im Besonderen denken, als wir in seine Feste einzogen. Aliana schritt dabei neben mir, sie hatte ihren Arm bei mir untergehakt.
Einst hatte Drăculea die Bojaren, die Adligen, welche seinem Vater nicht treu gedient hatten, zu einem Fest eingeladen, um sie bei Ankunft gefangen zu nehmen. Die wenig kräftigen befahl er gepfählt als Mahnmal für das Volk aufbzuahren, dem er auch ihre Reichtümer zukommen ließ. Die anderen wurden versklavt und mussten für ihn eine Festung am Argeş, einem Nebenfluss der Donau, errichten. Dieser Herrscher der Walachei, Vlad, hatte sich in der ersten Hälfte dieses Jahres den Thronsitz zurück erobert, hatte unter seinem Volk den Ruf gerecht, aber gnadenlos zu sein. Daran hatte auch die Zeit ihren Anteil, denn sie hatte ihm schwere Schicksalsschläge versetzt.
Er war 1431 geboren worden, sein Vater Vlad II. Dracul eroberte den Thron der Walachei von seinem eigenen Halbbruder mit Duldung des Kaisers Sigismund 1436, seine Mutter Cneajna war Prinzessin von Transsylvanien, auch als Siebenbürgen bezeichnet, nördlich der Walachei im Zentrum Rumäniens. Vater und Sohn gerieten im Krieg gegen die osmanischen Heere 1442 in Gefangenschaft, ebenfalls Drăculeas Bruder Radu. Sein Vater ließ seine zwei Söhne verzweifelt als Geiseln bei den Türken, um ein Bündnis zu halten, wo Drăculea im Alter von vierzehn Jahren von Wachen vergewaltigt wurde. Bei den Türken lernte er auch die Strafe des Pfählens kennen. Die Ungarn sorgten dafür, dass Vlads anderer Bruder Mircea II., der den Thron von seinem Vater überlassen bekam, 1446 lebendig begraben wurde. Die Türken ließen Vlad daraufhin frei, wohl in Gedanken daran, dass es sich für sie rechnen würde. Sein Vater verstarb innerhalb eines Jahres in einer Schlacht nähe Târgovişte. 1448 gelang es Drăculea zum ersten Mal kurze Zeit Herrscher über die Walachei zu werden, aber er konnte den Thron nicht einmal ein Jahr halten. Erst 1456 gelang es ihm erneut für sechs Jahre, in dieser Herrschaftszeit ließ er die Bojaren zu dem besagten Fest einladen. Damit begann sein Kampf gegen Verderbnis und Bestechlichkeit. Er verweigerte Tributzahlungen an die Osmanen und Verbündete, so dass er 1462 schließlich ohne Gleichgesinnte im Krieg mit den Türken stand. Damals wandte der Wojewode schreckliche Kriegsstrategien an, ließ im Krieg gegen Sultan Mehmed II. etliche eigene Dörfer und Städte niederbrennen, um dem Feind auf seinem Marschweg die Nahrung zu nehmen, und pfählte immer wieder Gefangene und untreue Soldaten. Der Sultan unterstützte daraufhin Radu, den Berater gegen seinen Bruder aufgebracht hatten, dabei, den Thron einzunehmen,. Vlad wurde in den Schlachten bei der Festung Poienari geschlagen, und seine damalige Frau stürzte sich in den Tod. Dem Sohn des Drachen gelang die Flucht, allerdings geriet er später durch Verrat in Gefangenschaft durch den ungarischen König Matthias Corvinus, welcher unserem Kaiser Friedrich III. auch schlechte Träume verursachte. Lange Jahre musste Vlad auf der Festung Visegrád leben, wie früher in osmanischer Geiselhaft. Erst als er sich zum Katholizismus bekannte und die Schwester Corvinus' heiratete, ließ man ihn frei. Später, im Jahre 1485, sollte dieser Corvinus den uns freundlich gesinnten Kaiser Friedrich III. besiegen.
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Nacirons Vampire II - Blutlinie
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