Die Truppen Vlads III. Drăculea waren gigantisch an ihrer Zahl. Der Sohn des Drachen hatte alle seine loyalen Streitkräfte versammelt. Von meinem Standpunkt auf einem Hügel in der Walachei sah ich die regulären Kräfte von Kavallerie, Bogenschützen, Infanterie trotz der frisch begonnenen Dämmerung. Logistisch betrachtet war die Anreise von nichtweltlichen Truppen der Dunkelheit in die Walachei unglaublich aufwendig, um nicht zu stark aufzufallen. Drăculea war an dieser Stelle klar im Vorteil, er verteidigte mit seinen bereits dort stationierten Truppen seine Heimat.
Mit dem runden Metallstück, das Glas beinhaltete und ein Geschenk von Sultan Saladin war, konnte ich die Entfernung mit den Augen überbrücken und erblickte sogar den Kriegsherren Drăculea selbst, wie er in mitten seiner 300 Mann starken Leibgarde und seines Heeres auf seinem Pferd thronte. Am Rand des Feldes, auf dem die Schlacht toben würde, steckten verkrümmte noch lebendige türkische Leiber, aufgespießt auf langen Hölzern. Wahrscheinlich hatten sie dem Fürsten der Dunkelheit und seinen dunklen Truppenteilen als Blutstärkung vor dem Kampf gedient. Ţepeş. Der Pfähler. Dies war seine Begrüßung an uns, an unsere Truppen. Der Fürst legte trotz seiner Einführung in die Dunkelheit seine menschlichen Taktiken nicht ab, ein Fehler. Eklig waren die Körper anzusehen, doch unsere Vampirritter würde er damit nicht entsetzen. Für sie wirkte es wahrscheinlich lediglich wie Futter am Spieß. Und die Templer, denen konnte niemand soviel Furcht bereiten, dass sie nicht voller Kampfeslust in eine Schlacht stürmten. Vlad hatte diese Gefangenen, wer immer sie waren, umsonst dem langsamen Gräueltod übergeben. Die Leibgarde und die regulären Truppen. Das Bild war nicht komplett. Ich suchte die Umgebung ab. Im Schatten der Bäume am Rand eines fernen Waldstückes sah ich Pferde mit Rittern. Sie waren beinahe gekleidet wie die regulären Truppen, aber ich wusste wer sie waren. Das waren die Teile seiner Soldaten, die den Kuss der Dunkelheit bereits genossen hatten. Heute sollten sie den Kuss der Templer spüren.
Aber etwas anderes machte mich stutzig. Wir würden in eine Falle geraten. Denn etwas fehlte, was auf einer herkömmlichen Schlacht, selbst unter dem Einfluss von Vampiren ebenso nicht anwesend war. Der Gestank von verwesenden Leichen im Vorfeld.
Aliana legte eine Hand auf meine Schulter, und ich genoss ihre Finger an meinem Hals zu spüren, bald würde sie die schweren Handschuhe ihrer Rüstung darüber ziehen. Ich reichte ihr das Fernglas, sie machte die gleichen Beobachtungen wie ich, außer dass mein Herz beim Anblick der Truppen nervös geschlagen hatte, sie aber tödlich entspannt blieb. Ich könnte ihr hier und jetzt einen Kuss geben, aber dann würden die Templer wohlgleich die Schlacht auf der Stelle mit mir beginnen, besudelte ich doch das wertvolle Blut Jesu in ihrem Glauben.
»Wie wir vorhergesehen haben«, bemerkte sie.
Ich nickte. Alianas mächtiges Schlachtross wurde vorbereitet, Knappen legten ihm die Panzerungen an. Im Hintergrund machte sich unsere Armee bereit. Die Templer in grünen Mänteln traten zu den anderen Truppen und sprachen Gebete. In den Vorbereitungen zur Schlacht nahmen die Knappen, Sergeanten und Ritter der Templer die Kaplane zwar dankbar um den Segen wahr, allerdings hielten sie in ihren eigenen Zurüstungen nicht inne. Die Templer freuten sich auf das kommende, das Kriegsgeschäft. Zwischen dem Rittergetümmel befanden sich die Vampire aus dem Hause Imhotep. Ich erblickte Ethrel, er starrte gebannt in den Himmel, und eine große Menge schwarze Vögel umkreisten ihn im leichten Abendwind. Der Tierwandler nutzte seine Kräfte, um sie an sich zu binden. Kalaman war auch hier, sein asiatisches Gesicht stach aus der Menge heraus. Er schien in Gedanken versunken, vielleicht ging er die vereinbarten Taktiken durch oder labte sich bereits jetzt an den Schatten, die er bald entfesseln würde. Marketa stand bloß eine handvoll Meter von mir entfernt, sie grinste mich an, als mein Kopf in ihre Richtung schwenkte und zog mit dem Zeigefinger Linien aus Blut über ihre Wangen. Ich wusste nicht, woher der Saft stammte, den sie aus einer Glasphiole nahm. Sie vollzog die Rituale, die sich jetzt bereits wirken ließen, die Passiven Observanzen. Dies waren Rituale, die längere Zeit ohne weiteres Zutun des Beschwörers wirkten, im Gegensatz zu den Aktiven Observanzen, wenn der Wirker beispielsweise Blut in besonderer Weise auf das Gesicht eines Menschen spuckt und ihn damit direkt verletzt. Ich vermute, sie verstärkte mit ihnen den eigenen Schutz. Zahlreiche weitere Vampire aus dem Hause Baphomet und Imhotep führten ihre letzten Handlungen vor dem Schlachten aus, ich glaube an die 50 dunkle Krieger standen hier neben ungefähr 600 Templern, davon ca. 100 Ritter. Ţepeş hatte seine Leibgarde mit allein 300 Mann Stärke, dazu 1200 reguläre mit 100 Berittenen und mindestens geschätzte 130 Vampire. Wir waren absolut in der Minderheit. Aber ich sah weder Mensch noch Vampire unserer Seite zögern. Dafür bemerkte ich in der Kälte der Nacht den eisigen Hauch aus den aufgeregten Nüstern der Schlachtrösser dringen.
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Nacirons Vampire II - Blutlinie
VampirAuch erhältlich auf Amazon: https://www.amazon.de/Nacirons-Vampire-Blutlinie-Oliver-Szymanski-ebook/dp/B00EELF236 Die Geschichte ist bereits abgeschlossen und wird hier bis zum 24.12 nach und nach veröffentlicht um Euch durch die Adventszeit zu brin...