DER NEUE BUND DER HÄUSER

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Der Letzte Tropfen ist der Tropfen der Wahrheit. Er offenbart die Macht des Aufgenommenen oder die eigene Schwäche. Es besteht immer ein hohes Risiko, wenn ein Vampir den Wahren Tropfen eines anderen aufnimmt. Ein Kampf der Tropfen folgt bei der Verbindung. Es entscheidet sich, ob der trinkende Vampir den anderen vernichtet und seine Macht aufnimmt, oder sein Körper von dem fremden Letzten Tropfen übernommen wird. Die Letzten Tropfen kämpfen um die Vorherrschaft des Körpers und Geistes. Drăculea war stark in seiner Macht, aber Blutmacht wird anhand des Blutalters gemessen. Kalais Blut war über 800 Jahre stark, Draculs ureigenes stammte aus dem 15. Jahrhundert. Doch Blutalter wächst, wenn man das Blut eines Vampirs in sich aufnimmt. Selbst die Hälfte des Blutes eines tausende Jahre alten Vampirs wird aber lediglich die Macht weniger Jahre bringen. Denn die wahre Macht liegt im Letzten Tropfen. Drăculea konnte Kalais Letzten Tropfen mit dem seinen verbinden, obwohl Kalai älter als er war. Denn Fürst Vlad III. Drăculea trug nicht ausschließlich das verdorbene Blut seines eigenen Sakrilegs in sich. Er trug das Blut eines im 18. Jahrhunderts von ihm geschlachteten Tierwandlers namens Kverwulf in sich, der Abendwolf. Denn Ethrel selbst hatte einen Pakt mit Drăculea geschmiedet, dem Kverwulf zum Opfer gefallen war, die früher vernommenen Gerüchte hatten der Wahrheit entsprochen. Ethrel hatte dem Fürsten der Walachei zur Stärke verholfen, dieser sollte dafür Kalais Wiedereinführung in die Nacht stützen.

»Ich verstehe nicht, Aliana. Du weißt, dass Ethrel auf Drăculeas Seite stand?«

Aliana lächelte mich nachsichtig an und schmunzelte leicht: »Natürlich, Hilo. Ich selbst habe ihn damals damit beauftragt. Dieser Pakt ermöglichte es schließlich, dass Drăculea Verräter in unserem Haus finden konnte, die ihm treu zu Diensten standen, und die ihm die Verwahrungsorte Kalais nannten, die wir Ethrel niemals offenbart hatten. Und die wir auch erst vor kurzem den Bediensteten zugänglich gemacht hatten.«

»Gut, Du wolltest, dass Drăculea den Staub ausfindig machen konnte, aber warum der Pakt vor so langer Zeit?«

Sie zog bei der Verwendung des Wortes lang die linke Augenbraue hoch: »Weil wir Drăculea ein Geschenk machen wollten, und sicherlich hätte er es weder von mir noch meinem Vater oder Gideon angenommen.«

Sie grinste spitzbübisch. Ich glaube, sie spielte in diesem Gespräch mit mir, wie all die Generationen lang mit dem Pfähler.

»Ein Geschenk, Aliana?«

»Ja, eine weitere Machtlinie in seinem Blute. Einen Wahren Tropfen, etwa ebenbürtig mit dem seinem.«

»Erklärst Du mir warum, meine Fürstin?«

»Seine eigene Machtlinie hätte nicht gereicht.«

Ich fragte erneut, aber sie antwortete nicht, daher begann ich zu grübeln. Imhotep und seine Kinder hatten einen Plan vollzogen, und ihre Pläne währten Jahrhunderte: »Aliana, meinst Du, sein Blutalter hätte sonst nicht gereicht um Kalai zu besiegen?«

Sie wandte sich von ihrem Posten am Fenster mit Blick auf den Schlosspark von Schönbrunn ab und trat zu mir, dabei sagend: »Wohl wahr, Hilo«, bei mir angekommen legte sie einen Arm um meine Schulter und strich mir über die Wange, ein leicht blutgieriger Blick hatte sich auf ihr Gesicht gelegt, als sie weiter bemerkte: »Er war nach Kalai geboren, ohne einen zusätzlichen Wahren Tropfen wäre er nie mächtiger als Kalai gewesen.«

Ich rechnete: »Und Ihr habt ihm nicht direkt die Hinweise auf Kalais Staub gegeben, damit der Kampf nicht zu früh zustande kommt?«

»Ja. Ethrel hat Kverwulf, der ohnehin langsam dem Wahn verfiel, in die Falle gelockt und ihn dem Fürsten der Walachei geschenkt. Im 18. Jahrhundert war unser Pfähler unter 300 Jahre alt, Kverwulf, den Ethrel ihm vorstellte unter 200. Nach der Vereinigung also unter einem halben Jahrtausend. Kalais Blutalter betrug damals bereits 600 Jahre. Aber jetzt ist Kalai etwa 900 Jahre im Blute, demgegenüber Drăculea ungefähr ein Jahrtausend, denn jede Machtlinie altert für sich. Außerdem schenkten wir dem Pfähler die besonderen Fähigkeiten einer zweiten Linie, die eines Tierwandlers. Damit war er Kalai mehr als ebenbürtig. Die Chancen lagen unerkannt auf Seite des Hauses Dracul.«

Nacirons Vampire II - BlutlinieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt